Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Voguing-Tänzerin für einen Tag

Wie es ist, seinen Bewegungen in einem Workshop freien Lauf zu lassen.

- VON ÖZGE KABUKCU

Modeln, Posen, Schauspiel­ern und Tanzen: So kann man sich Voguing vorstellen. Ich bin zum Tanzen im Bewegungsr­aum der Heine-Uni verabredet. Was ich brauche, sind Sportschuh­e und bequeme Kleidung. Ich habe mich für ein Anfänger-Workshop entschiede­n, den die Tänzerin Marie Zoe Buchholz – auch unter ihrem Künstlerna­men Zoe bekannt – an diesem Abend leitet.

Nach einigen Aufwärmübu­ngen geht es los. Oberste Priorität: das Bewertungs­system ausschalte­n. Tänzerin Zoe erklärt, dass wir dazu neigen, uns mit anderen zu vergleiche­n und uns dementspre­chend zu bewerten – da ist was dran. Denn nach kurzer Zeit stelle ich fest, dass ich um mich umschaue und anfange, an meinen tänzerisch­en Fähigkeite­n zu zweifeln. Auch beim Voguing geht es darum, besser als die anderen zu sein, aber es geht nicht so aggressiv wie beim Hiphop zu. Im Gegenteil: Motivieren und Animieren ist der Kern des Voguings.

Immer wieder ruft Zoe: „Traut euch, macht euch frei und fühlt euch wohl.“Leichter gesagt, als getan. Die Musik ändert sich, es folgt der nächste Schritt. Es sind rhythmisch­e Klänge, die zum Bewegen anregen. Nun imitieren wir Bewegungsa­bläufe und Gesten von Catwalk-Models. Nicht nur das Posen ist eine Grundlage des Voguings, sondern auch die Performanc­e. Hierbei legen wir mit den Händen den Fokus auf bestimmte Körperbere­iche, die wir zur Geltung bringen möchten. „Der Tanz lebt von der eigenen Persönlich­keit und Intention“, sagt die 28-Jährige Tanzleiter­in. „Und habt keine Angst vor Wiederholu­ngen.“Zum einen soll ich die einstudier­ten Übungen in meinen Tanz einbauen, zum anderen meinen Armen und Beinen freien Lauf lassen. Als nächstes sollen wir uns einen Tanzpartne­r aussuchen und uns face-toface hinstellen. Während wir die bisher erlernten Choreograp­hien uns gegenseiti­g vortanzen – das heißt strenge, fast rechtwinkl­igen Armund Beinbewegu­ngen ausführen –, kommt ein drittes Element hinzu: die Mimik. Der Gesichtsau­sdruck ist besonders wichtig, da man so seinen Charakter besser zum Ausdruck bringen kann. Ob arrogant, weiblich und damenhaft oder freudvoll, das ist jedem selbst überlassen. Sich im Körper wohlzufühl­en und auch das selbstbewu­sste Auftreten sind beim Voguing essentiell.

Voguing ist ein Tanzstil, der Anfang der 80er Jahre von homosexuel­len und Transgende­r Afro-Amerikaner­n in Harlem erfunden wurde. Er erinnert an die Posen und Körperhalt­ungen von Models. Die Bezeichnun­g lehnt sich an die Modezeitsc­hrift Vogue an. Mit dieser Subkultur konnten sich die Menschen von der realen Welt – einer ausgrenzen­den Gesellscha­ft – zurückzieh­en und sich eine eigene schaffen. Voguing-Performer konnten mit ihren Posen erzählen, wer sie sind und wer sie sein wollen. So haben sie auf der Bühne die Möglichkei­t bekommen, sich auszudrück­en. Diese Tanzkultur drohte in Vergessenh­eit zu geraten, bis sie in Europa wiederbele­bt wurde. Neben dem Old-Way-Style und dem New-WayStyle lernen wir noch den VogueFem-Style. „Bei Vogue-Fem-Style bewegt man viel die Hüfte und bewegt sich weich und weiblich“, erklärt Zoe. So stolzieren wir in exakter Linie durch den Proberaum, den Rücken kerzengera­de, durchgestr­eckt mit den Armen in den Hüften gestemmt, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was jetzt der andere über einen denkt. Ein tolles Gefühl!

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Workshop zum Voguing-Tanz mit Tänzerin Zoe (rechts) und Özge Kabukcu.

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