Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Schonungslos offen erzählt
Geld, Sex oder Sucht – über manche Dinge spricht man in der Öffentlichkeit einfach nicht. Nicht umsonst gibt es im Zusammenhang mit Letzterem die „anonymen Alkoholiker“– weil neben der Geringschätzung durch die Gesellschaft vor allem auch viel Scham und Selbsthass damit einhergehen, von etwas abhängig zu sein und sich selbst nicht richtig kontrollieren zu können. Dies auch nur in geschlossenen Runden zu besprechen, erfordert für viele Menschen einiges an Überwindung. Trotzdem brachen zwei Betroffene für den „37°“-Beitrag „Mein stiller Freund“(Vortag, 22.15 Uhr, ZDF) das Tabu. Obwohl ein Großteil der Alkoholabhängigen männlich ist, gaben hier Frauen einen Einblick in ihre Lebens- und Leidensgeschichte: Claudia und Jacqueline, die sich stark voneinander unterschieden. Das lag nicht zuletzt daran, dass beide Frauen jeweils in einem verschiedenen Stadium der Sucht steckten: Während die eine die kritische Phase bereits lange hinter sich gelassen hatte, befand sich die andere noch mittendrin, was sich besonders in ihrer Art, ihre jeweilige Geschichte zu erzählen, widerspiegelte. Jacqueline war schonungslos offen und reflektierte geradezu objektiv über ihre eigenen Verfehlungen und was sie damit nicht nur sich, sondern auch ihrem gesamten Umfeld angetan hatte. Claudia litt hingegen sichtlich unter ihrem Problem, schien an manchen Stellen ausweichend, und die Gefühle kamen manchmal ungehindert durch. Auf diese Weise fand der Beitrag einen emotionalen Ankerpunkt beim Zuschauer und vermittelte ein Bild, das sicherlich für mehr Verständnis bei dem einen oder anderen sorgte.