Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ministeramt zum Geburtstag
Anruf zum Geburtstag: Malu Dreyer wählt am Mittwoch die Nummer von Christine Lambrecht, die 54 Jahre alt geworden ist. Den Glückwunsch der kommissarischen SPD-Co-Vorsitzenden nimmt Lambrecht gerne entgegen. Aber Dreyer hat noch mehr zu besprechen. Dreyer und ihre zwei Co-Vorsitzenden aus der Übergangs-Troika der SPD, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel, sind sich einig: Die Juristin Lambrecht, noch Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, soll für die SPD Nachfolgerin von Katarina Barley als Bundesjustizministerin werden, die nach der Europawahl nach Brüssel gewechselt ist.
Jetzt steht Lambrecht neben Schäfer-Gümbel im Willy-Brandt-Haus und berichtet von Dreyers Anruf als einem „Gänsehautmoment“. Großes Amt, große Aufgabe und vielleicht doch nur eine Kandidatin für den Übergang, wenn es mit der großen Koalition so weitergeht. Womöglich hätte eine SPD-Vorsitzende Andrea Nahles, die Vorgängerin Barley zur SPD-Spitzenkandidatur für die Europawahl überredet hatte, anders entschieden. Aber Nahles ist nicht mehr im Amt, Barley ist in Brüssel, und Lambrecht steht am eigenen Geburtstag im Willy-Brandt-Haus.
Leicht haben es sich die Sozialdemokraten bei der Suche nach einer Bundesjustizministerin, für die die SPD laut Koalitionsvertrag das Vorschlagsrecht hat, nicht gemacht. Lambrecht, 1965 in Mannheim geboren, sachkundig, aber wenig charismatisch, galt nicht als erste Anwärterin auf die Nachfolge, auch wenn ihr Name in der Reihe möglicher Kandidatinnen immer wieder genannt worden war. Schäfer-Gümbel jedenfalls stellt Lambrechts Fähigkeiten am Tag der Bekanntgabe der Nominierung heraus. Die Juristin, die von 1998 bis 2011 Mitglied im Rechtsausschuss des Bundestages gewesen sei, habe sich auf praktisch jedem Feld der Innen- und Rechtspolitik Kompetenzen erworben. Nach der Bundestagswahl 2013 hatte die verheiratete Mutter eines Sohnes den Posten der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion übernommen.
Lambrecht will unter anderem Freiheit und Sicherheit gut gegeneinander abwägen. Mit Blick auf die Ermordung des Kasseler CDU-Politikers Walter Lübcke durch einen mutmaßlichen Rechtsextremisten betonte Lambrecht, es sei „aktueller denn je, diesen Rechtsstaat zu verteidigen“.
Holger Möhle