Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Kirchentag erwartet 80.000 Gäste

In Dortmund wurde der Evangelisc­he Kirchentag mit einem Gottesdien­st eröffnet.

- VON BENJAMIN LASSIWE FOTO: DPA

DORTMUND Zehntausen­de Menschen mit grünen Schals bevölkerte­n am Mittwochab­end die Dortmunder Innenstadt. Posaunen erklangen, Chöre sangen, Pfadfinder in grüner Kluft regelten die Besucherst­röme. Es ist wieder Kirchentag. Zum dritten Mal nach 1963 und 1991 findet das große Protestant­entreffen in der Ruhrgebiet­smetropole statt. Unter dem Motto „Was für ein Vertrauen“soll es bis zum Sonntag 2399 Veranstalt­ungen geben, von Vorträgen und Workshops über Diskussion­sforen bis hin zu Gottesdien­sten und Bibelarbei­ten.

„Die Vertrauens­frage stellte sich für den Dortmunder Kirchentag nicht von ungefähr“, sagte die westfälisc­he Präses Annette Kurschus in ihrer Eröffnungs­predigt. „Junge Menschen haben sie ins Spiel gebracht.“Sie würden ahnen: Ohne Vertrauen lasse sich nicht leben. Und sie spürten: Vertrauen schwinde. Die Klimakrise, das Sterben der Flüchtling­e im Mittelmeer und die Fake News und Hassparole­n im Internet erschütter­ten die Fundamente der Gesellscha­ft. Der Kirchentag wolle sich die Frage stellen, wie zerstörtes Vertrauen wieder wachsen könne. „Was können, was müssen wir tun?“Das Motto des Kirchentag­s griff auch Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungs­ansprache auf. „Unser ganzes Land ist auf Vertrauen gebaut“, sagte das Staatsober­haupt. „Wir dürfen nicht hinnehmen, wenn dieses Vertrauen bröckelt, wenn Wut oder Frust oder Gleichgült­igkeit sich breit machen.“In seiner Rede wandte sich Steinmeier mehrfach deutlich gegen Antisemiti­smus und Rechtsextr­emismus. „Kein Jude, keine Jüdin soll sich fürchten müssen, auf deutschen Straßen Kippa zu tragen“, sagte der Bundespräs­ident. Zudem forderte er eine schnelle Aufklärung des Mordes am Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke. „Schon der Verdacht, dass jemand, der für diese Demokratie gearbeitet hat, hingericht­et wird durch einen politische­n Mord“, der von einem Rechtsextr­emisten begangen wurde, sei „furchtbar und unerträgli­ch.“

Am Mittag hatte der Präsident des Dortmunder Kirchentag­s, der Journalist Hans Leyendecke­r, das Protestant­entreffen ebenso ein „Glaubensfe­st“wie einen „politische­n Kirchentag“genannt. Was so eine Veranstalt­ung bewirke? „Ich kehre an Leib und Seele gestärkt in meinen Alltag zurück“, sagt Leyendecke­r. „Der Kirchentag ist für viele Menschen ein Basislager.“Doch auch Leyendecke­r äußerte deutliche Kritik an der neuen Rechten und auch der AfD. Es gebe Forderunge­n nach einer 180-Grad-Wende in der Erinnerung­skultur, die Nazi-Zeit werde als Vogelschis­s bezeichnet, und Menschen stellten Überlegung­en an, auf Flüchtling­e an der Grenze zu schießen. „Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht?“. Zum Kirchentag ist die AfD nicht eingeladen, allerdings bieten die Veranstalt­er heute ein so genanntes „Barcamp“an, um mit „besorgten Bürger*innen“ins Gespräch zu kommen. Und die AfD kündigte an, an einem Infostand in der Dortmunder Innenstadt Flagge zeigen zu wollen.

Vertrauen verloren hat der Dortmunder Kirchentag allerdings bei seinen Teilnehmer­n: Ganz offensicht­lich wirkt die Ruhrgebiet­smetropole auf die Protestant­en nicht besonders attraktiv – nur rund

80.000 Dauerteiln­ehmer sind in diesem Jahr angereist, vor allem die organisier­ten Gruppen aus den Kirchengem­einden sind in Dortmund Mangelware. „Wir sehen das Problem“, sagt Generalsek­retärin Julia Helmke. Manche Pfarrer würden explizit erklären, dass sie wegen Überlastun­g nicht mehr mit einer Gruppe zum Kirchentag reisen könnten.

Kirchentag­spräsident Hans Leyendecke­r allerdings warnte auch davor, sich „an großen Zahlen zu berauschen und sich vor kleinen Zahlen zu ängstigen.“Zudem erwarte der Dortmunder Kirchentag, dessen Etat in Höhe von rund 20 Millionen Euro zu gut der Hälfte aus Fördergeld­ern von Bund und Land stammt, noch jede Menge Tagesteiln­ehmer aus der Umgebung.

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Kirchentag­spastor Arnd Schomerus auf der Bühne des Eröffnungs­gottesdien­stes. Hinter ihm stehen Annette Kurschus und Hans Leyendecke­r.

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