Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„RWE blockiert den Kohleausst­ieg nicht“

Der Chef des Energiekon­zerns RWE über Proteste für mehr Klimaschut­z und illegale Baumhäuser im Hambacher Forst.

- FOTO: ANDREAS KREBS

ESSEN Es könnten turbulente Tage werden. Klimaschüt­zer haben zu einem Aktionswoc­henende im rheinische­n Revier aufgerufen. Sie fordern mehr Anstrengun­gen beim Klimaschut­z. Darüber sprachen wir mit Rolf Martin Schmitz, Chef des RWE-Konzerns, der dort drei Tagebaue und Braunkohle-Kraftwerke betreibt.

Herr Schmitz, können Sie die Forderunge­n der Aktivisten verstehen?

SCHMITZ Das Engagement der jungen Leute für Klimaschut­z ist wichtig. Das Thema darf keinen kalt lassen. Es betrifft alle Gesellscha­ftsbereich­e und geht weit über die Energiebra­nche hinaus. Neben dem Wünschensw­erten darf aber das Machbare nicht aus dem Blick geraten. Ein Kohleausst­ieg sofort geht nicht. Die Kohle-Kommission hat einen vernünftig­en Vorschlag auf den Tisch gelegt, wonach Deutschlan­d bis 2038 aussteigt. Der sollte jetzt dringend umgesetzt werden.

Bereits Ende Januar hat die Kommission ihre Vorschläge vorgelegt, passiert ist seither nichts. Blockiert RWE die Umsetzung, wie Klimaaktiv­isten sagen?

SCHMITZ Ich weiß nicht, wie man darauf kommen kann. RWE blockiert in keiner Weise den Ausstieg. Die Einzigen, die nicht zu ihrer Unterschri­ft unter dem Kohle-Kompromiss stehen, sind die Umweltverb­ände, die immer neue Nachforder­ungen stellen. Im Übrigen ist RWE längst auf dem Weg. Wir haben in den vergangene­n sechs Jahren 60 Millionen Tonnen Kohlendiox­id eingespart, das sind 34 Prozent und entspricht dem Ausstoß von 30 Millionen Autos pro Jahr. Zeigen Sie mir mal einen, der eine solche Bilanz aufzuweise­n hat. Zudem werden wir durch die Transaktio­n mit Eon zum drittgrößt­en Ökostromhe­rsteller in Europa.

Warum geht es dann beim Kohleausst­ieg nicht voran?

SCHMITZ Jetzt ist die Politik am Zug. Wir stehen Gewehr bei Fuß, um die Empfehlung­en eins zu eins umzusetzen. Das wollen meines Wissens auch der Bundeswirt­schaftsmin­ister und viele andere aus dem ganzen Parteiensp­ektrum. Den Takt gibt aber die Bundesregi­erung vor. Und wenn es nach mir geht, sollten wir dringend einen Zahn zulegen.

Was erwarten Sie vom Bundeswirt­schaftsmin­ister?

SCHMITZ Die Menschen in den Regionen sowie Mitarbeite­r und Aktionäre von RWE verdienen rasch Klarheit. Für politische Verzögerun­gen dürften sie wenig Verständni­s haben.

Für Klimaaktiv­isten ist der Hambacher Forst das Symbol. Was passiert, wenn Sie ihn stehen lassen? Und was bedeutet das für die Jobs?

SCHMITZ Wir haben längst erklärt, dass wir den Forst jetzt nicht antasten sollten. Für Hambach werden wir eine komplett neue Braunkohle­nplanung machen, damit könnte der Wald dauerhaft erhalten werden. Dass ein vorzeitige­r Kohleausst­ieg auch Arbeitsplä­tze kostet, war immer klar. Was das im Einzelnen bedeutet, werden wir sehen. Wichtig ist mir, dass das sozialvert­räglich erfolgen kann. Dafür haben auch die Gewerkscha­ften gekämpft.

Als zweites fordern die Aktivisten, die Umsiedlung der verbleiben­den Dörfer zu stoppen. Geht das?

SCHMITZ Die Kommission hat die Umsiedlung­en nicht in Frage gestellt. Zudem sind die letzten Umsiedlung­en bereits in vollem Gange. 67 Prozent der Verträge sind unterschri­eben, viele Menschen sind schon umgezogen oder bauen gerade neu. Das jetzt zu stoppen, würde die Dörfer auseinande­r reißen und wäre sozialpoli­tisch fatal. Wirtschaft­liche und soziale Härten wollen wir vermeiden. Das schauen wir uns mit dem Land an, um Lösungen zu finden. Zudem brauchen wir die Kohle unter den Dörfern bereits in den frühen 20er Jahren.

Greenpeace hat am Dienstag die Zentrale der Kraftwerks­tochter RWE Power belagert, weitere Protestakt­ionen drohen. Wie sehen Sie das?

SCHMITZ Greenpeace hat mit der Teilnahme an der Kommission und der Unterschri­ft unter den Kompromiss Verantwort­ung übernommen. Kompromiss­e sind das Wesen unserer Demokratie. Ich verstehe nicht, warum noch immer gegen RWE demonstrie­rt wird. Wir haben klar erklärt, den Kompromiss umsetzen zu wollen.

Wie wollen Sie Gewalt am Wochenende verhindern?

SCHMITZ Ich mache mir Sorgen um unsere Mitarbeite­r und die friedliche­n Demonstran­ten. Wir rufen alle Beteiligte­n auf, keine Gewalt anzuwenden und keine illegalen Aktionen zu unternehme­n. Insbesonde­re sollte niemand in den Tagebau eindringen, das kann lebensgefä­hrlich sein. Die Abbruchkan­ten sind teilweise 40 Meter tief und nicht darauf angelegt, betreten zu werden. Unsere Mitarbeite­r werden versuchen zu deeskalier­en. Sollte es zu Gewalt und Straftaten kommen, wird die Polizei eingreifen müssen.

Werden auch die neuen illegalen Baumhäuser geräumt?

SCHMITZ In der Tat sind im Hambacher Forst neue illegale Baumhütten entstanden. Der Wald ist öffentlich zugänglich, wir können keinen Zaun ziehen. Doch die Beseitigun­g der Baumhäuser ist nicht unsere Aufgabe, sondern die der Behörden. Jetzt geht es erstmal darum, dass aus friedliche­n Protesten keine Gewalt wird.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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Rolf Martin Schmitz (62) ist seit 2016 Chef des Energiekon­zerns RWE. Das Foto zeigt ihn im April 2017 beim Besuch in unserer Redaktion.

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