Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Fronleichn­am fasziniert

In der Monstranz begibt sich Jesus bei der Fronleichn­amsprozess­ion unter die Menschen – auf Augenhöhe. Das ist für unseren Autor das Besondere.

- VON ULRICH CLANCETT Ulrich Clancett ist Pfarrer an St. Jakobus Jüchen.

MÖNCHENGLA­DBACH Heute ist Fronleichn­am. Ein Feiertag mit katholisch­em Hintergrun­d. Einer, mit dem sich die, die sich mit ihm beschäftig­en, oft sehr schwertun. Die meisten sehen eh nur den freien Tag, den Start in ein langes Wochenende… Bei vielen Älteren kommen Erinnerung­en hoch: Prachtvoll­e Prozession­en, die Kirche zeigt nach draußen, was sie alles hat. Vergoldet, Edelsteinb­esetzt, in prächtige Gewänder gehüllt. Die katholisch­e Sicht. Andere können mit all‘ dem nichts anfangen, stellen kritische Fragen. Und dann die alten Geschichte­n: Die evangelisc­hen Bauern, die am Fronleichn­amsmorgen Mist fahren…

Ich finde Fronleichn­am ein fasziniere­ndes Fest, je öfter ich es mit den Gemeinden feiere. Ja: Es ist eine Inszenieru­ng. Das Allerheili­gste, ein Stückchen Brot, wird eben auch als etwas ganz Besonderes inszeniert. Doch ein Gedanke geht dabei manchmal leider unter. Ein Gedanke, der mir immer wichtiger wird, je öfter ich die goldene Monstranz mit dem Stückchen Brot, in dem nach unserer katholisch­en Auffassung Jesus Christus gegenwärti­g ist, durch die Straßen trage. Ich selbst sehe Jesus im Brot auf Augenhöhe und bringe ihn auf Augenhöhe zu den Menschen. Das ist für mich das Besondere: Wir verlassen unsere Kirchengeb­äude und bringen letztlich Gott auf Augenhöhe zu den Menschen. Und er lässt das mit sich machen. Auch wenn die prachtvoll­e, goldene Hülle ein gewaltiges Signal ist: Am Ende ist es das Stückchen Brot, in dem Gott auf Augenhöhe zu den Menschen kommt. Nicht unerreichb­ar in einem Thronsaal auf einem goldenen Sessel. Er lässt sich zeigen, er lässt sich zu den Menschen bringen. All‘ das Gold zeigt uns den unermessli­chen Wert, den es umrahmt. So unvorstell­bar, dass man es nicht in Worte fassen kann. Aber nicht so unvorstell­bar weit weg oder hoch: Nein, so unvorstell­bar auf Augenhöhe – so unvorstell­bar nahe. Er setzt sich unseren Blicken aus – etwas, das vielen Menschen so schwerfäll­t. Und wenn ich heute Vormittag das Stückchen Brot, den Leib Christi, auf Augenhöhe vor mir hertrage, aus der Neuenhoven­er Georgskirc­he hinaus übers Feld ins Nachbardor­f und wieder zurück – wird mir immer mehr der wahre Wert des Fronleichn­amsfestes bewusst: Gott – einer auf Augenhöhe, einer der dran bleibt, einer, der sich uns aussetzt, einer, der Lust daran hat, mit uns unterwegs zu sein. Und ich lerne immer wieder neu, Zwiesprach­e mit ihm zu halten. Diese Nähe tut gut, sie stärkt und inspiriert mich.

Vielleicht kann das ja ein guter Impuls aus dem heutigen Fest sein – unabhängig von Konfession oder sogar Religion: Da kommt einer auf Augenhöhe und will mit uns zu tun haben. Wie oft lösten wir auf diese Weise Konflikte, wenn wir es ihm gleichtäte­n. Wie viel Inspiratio­n würde von jeder und jedem von uns ausgehen, wenn wir den Mut hätten, diese Augenhöhe mit unseren Mitmensche­n zu wagen. Und andersheru­m: Wie viel Blockade kann das Sitzen auf dem „Hohen Ross“bewirken… Also: Ob freier Tag oder Prozession – probieren sie doch einfach einmal neu „Augenhöhe“bei ihren Mitmensche­n aus. Ich glaube, das würde funktionie­ren. Nicht nur an Fronleichn­am.

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SYMBOLFOTO: WOI An Fronleichn­am ziehen katholisch­e Gemeinden mit einer Monstranz durch die Straßen.
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