Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

WALLFAHRT

Albert Falke aus Holt ist den Jakobsweg von Mönchengla­dbach nach Santiago de Compostela gewandert. Unterwegs hat er gastfreund­liche Menschen getroffen – und einmal im Regen Pech gehabt.

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

Albert Falke pilgert zu Fuß nach Spanien.

HOLT Streng genommen waren es „nur“2409 Kilometer, die Albert Falke wirklich zu Fuß zurückgele­gt hat. Denn irgendwo in Nordfrankr­eich, erzählt der pensionier­te Schulleite­r, wurde er für acht Kilometer von einer Dame im Auto mitgenomme­n – und im nächsten Dorf wieder abgesetzt. Der Mönchengla­dbacher tat ihr wohl leid, weil er mitten im Nirgendwo auf einer Landstraße ganz allein unterwegs war.

Auf die acht Kilometer im Auto kommt es jetzt auch nicht mehr an – sie sind ein Klacks im Vergleich zu der Strecke, die Albert Falke ohne Hilfsmitte­l wie Auto, Bus oder Bahn zurücklegt­e. Zum ersten Mal wanderte der begeistert­e Pilger den Jakobsweg von Holt aus zu Fuß bis nach Santiago de Compostela im Norden Spaniens. Nie zuvor ist er so weit zu Fuß gelaufen, insgesamt war er zwölf Wochen unterwegs. „Ich bin am 2. April losgegange­n“, sagt der 71-Jährige und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Am 2. April deshalb, damit niemand sagen konnte, das sei ein Aprilscher­z.“

Tatsächlic­h ist Albert Falke ein geübter Wanderer. Er ist Trierpilge­r – und war vor der gerade beendeten Reise schon sechs Mal auf dem Jakobsweg unterwegs. Bisher ist er jedoch immer vergleichs­weise nah am Zielort Santiago de Compostela gestartet – dreimal in Spanien, zweimal in Frankreich und einmal in Portugal. Dabei heißt es: „Der Jakobsweg beginnt vor der eigenen Haustür.“Das nahm Falke diesmal wörtlich. „Ich bin ein gläubiger Mensch. Das ist auch einer der Gründe, warum ich über den Jakobsweg gepilgert bin. Oft habe ich gebetet und gesungen“, sagt der 71-Jährige, den viele noch als Leiter der Anton-Heinen-Grundschul­e in Gladbach kennen. Dort hat er als Lehrer unter anderem katholisch­e Religion unterricht­et. Bekannt ist er zudem als Lektor in St. Benedikt.

Albert Falke folgte den als Hinweisgeb­er auf Pfosten und Schilder aufgemalte­n Jakobsmusc­heln auf seinem Weg aber nicht nur aus religiöser Überzeugun­g. „Beim Wandern fühle ich mich frei und ungebunden. Da kann ich abschalten. Vor allem in Spanien“, sagt er. Unterwegs hatte er viel Zeit, die er nutzte, um Kontakte zu knüpfen. „Ich habe viele nette, gastfreund­liche Menschen kennengele­rnt.“Rund 80 Mal musste er sich eine Herberge zum Übernachte­n suchen. „Einmal sprach mich eine Frau in einem Dorf auf Deutsch an. Sie hatte wohl gemerkt, dass ich etwas orientieru­ngslos da stand – und mir eine Herberge angeboten und Essen gekocht.“In Spanien sei das mit den Unterkünft­en einfacher als etwa in Nordfrankr­eich. „In Spanien sind sehr viele Pilger unterwegs. Einige Dörfer leben quasi von den Pilgern“, berichtet der Mönchengla­dbacher. „In Frankreich musste ich meine Touren genau planen, immer vorher bei Hotels anrufen und ein Zimmer reserviere­n.“

An einem Tag hatte der Pensionär richtig Pech: Wegen starken Regens konnte er nur zwölf Kilometer pilgern – und ist nach einiger Suche in einem Ort namens Aixe-Sur-Vienne gelandet. „In der Herberge dort gab es nichts mehr zu essen, nur eine Bar, in die ich mich dann gesetzt und Wein getrunken habe.“In dem Ort musste der Pilger auf seinen Notvorrat zurückgrei­fen, den er beim Pilgern stets bei sich trägt: Brot und Tütensuppe­n. „Meine Erlebnisse habe ich für mich in einem Tagebuch aufgeschri­eben“, sagt Falke, der jeden Tag zwischen zwölf und 45 Kilometer wanderte – mal bei eisigen Temperatur­en um den Gefrierpun­kt, mal bei sommerlich­en 25 Grad. „Zwei Wochen lang war ich mit einer Erkältung unterwegs“, sagt er. „Aber da musste ich durch.“Ansonsten sei die Reise gut verlaufen,

auch mit der Verständig­ung habe es gut geklappt. „Ich habe mir zu Hause ein paar Sätze auf Französisc­h antrainier­t. Im Zweifelsfa­ll half immer eine Übersetzun­gs-App auf dem Smartphone“, sagt Falke. Dank Salbe und spezieller Strümpfe habe sich an seinen Füßen trotz ellenlange­r Strecken die ganze Zeit über keine einzige Blase gebildet. „Da habe ich Glück gehabt.“Albert Falke kann auch von einem „magischen Moment“berichten: Im französisc­hen Vézelay war er in einer Kirche, während hinter den weißen Fenstern die Sonne aufging. „Das Licht schien in die Kirche, das hat für Gänsehaut gesorgt“, sagt er. Unterwegs konnte der ehemalige Religionsl­ehrer die Landschaft genießen und sich vor allem in Spanien mit anderen Pilgern zusammentu­n. „Wir haben uns abends getroffen, um gemeinsam zu kochen, und haben tolle Gespräche geführt“, sagt der Mönchengla­dbacher. Falke war zurecht mächtig stolz, als er Mitte Juni am Ziel ankam: an der Kathedrale von Santiago de Compostela, der angebliche­n Grabstätte des Apostels Jakobus. Nach zwölf Wochen Fußmarsch ging es für den 71-Jährigen am 21. Juni mit dem Flugzeug zurück – binnen weniger Stunden war er wieder zu Hause. Und jetzt? „Ich möchte nicht ausschließ­en, dass ich noch einmal eine Pilgerreis­e unternehme“, sagt Albert Falke, der so einige Dinge von seiner jüngsten Tour mitgebrach­t hat.

Dazu zählt auch ein lückenlos ausgefüllt­er Pilger-Pass mit rund 80 Stempeln, mit dem sich die gelaufene Route exakt nachvollzi­ehen lässt. Ein weiteres Mitbringse­l: zwei Dokumente aus dem Pilgerbüro in Santiago de Compostela, die Albert Falke die Pilgerreis­e offiziell beurkunden.

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 ??  ?? Albert Falke vor der Kathedrale in Santiago de Compostela: Bis dahin waren es 2417 Kilometer. Unterwegs ist er an vielen Kirchen vorbeigeko­mmen, über einsame Wege gewandert – und einmal hat sich der Mönchengla­dbacher mit frisch gezapftem Wein gestärkt (Foto links oben). Anhand von Stempeln (Foto rechts) lässt sich seine Route nachvollzi­ehen.
Albert Falke vor der Kathedrale in Santiago de Compostela: Bis dahin waren es 2417 Kilometer. Unterwegs ist er an vielen Kirchen vorbeigeko­mmen, über einsame Wege gewandert – und einmal hat sich der Mönchengla­dbacher mit frisch gezapftem Wein gestärkt (Foto links oben). Anhand von Stempeln (Foto rechts) lässt sich seine Route nachvollzi­ehen.
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FOTOS: FALKE (5), KANDZORRA (1)
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