Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
WALLFAHRT
Albert Falke aus Holt ist den Jakobsweg von Mönchengladbach nach Santiago de Compostela gewandert. Unterwegs hat er gastfreundliche Menschen getroffen – und einmal im Regen Pech gehabt.
Albert Falke pilgert zu Fuß nach Spanien.
HOLT Streng genommen waren es „nur“2409 Kilometer, die Albert Falke wirklich zu Fuß zurückgelegt hat. Denn irgendwo in Nordfrankreich, erzählt der pensionierte Schulleiter, wurde er für acht Kilometer von einer Dame im Auto mitgenommen – und im nächsten Dorf wieder abgesetzt. Der Mönchengladbacher tat ihr wohl leid, weil er mitten im Nirgendwo auf einer Landstraße ganz allein unterwegs war.
Auf die acht Kilometer im Auto kommt es jetzt auch nicht mehr an – sie sind ein Klacks im Vergleich zu der Strecke, die Albert Falke ohne Hilfsmittel wie Auto, Bus oder Bahn zurücklegte. Zum ersten Mal wanderte der begeisterte Pilger den Jakobsweg von Holt aus zu Fuß bis nach Santiago de Compostela im Norden Spaniens. Nie zuvor ist er so weit zu Fuß gelaufen, insgesamt war er zwölf Wochen unterwegs. „Ich bin am 2. April losgegangen“, sagt der 71-Jährige und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Am 2. April deshalb, damit niemand sagen konnte, das sei ein Aprilscherz.“
Tatsächlich ist Albert Falke ein geübter Wanderer. Er ist Trierpilger – und war vor der gerade beendeten Reise schon sechs Mal auf dem Jakobsweg unterwegs. Bisher ist er jedoch immer vergleichsweise nah am Zielort Santiago de Compostela gestartet – dreimal in Spanien, zweimal in Frankreich und einmal in Portugal. Dabei heißt es: „Der Jakobsweg beginnt vor der eigenen Haustür.“Das nahm Falke diesmal wörtlich. „Ich bin ein gläubiger Mensch. Das ist auch einer der Gründe, warum ich über den Jakobsweg gepilgert bin. Oft habe ich gebetet und gesungen“, sagt der 71-Jährige, den viele noch als Leiter der Anton-Heinen-Grundschule in Gladbach kennen. Dort hat er als Lehrer unter anderem katholische Religion unterrichtet. Bekannt ist er zudem als Lektor in St. Benedikt.
Albert Falke folgte den als Hinweisgeber auf Pfosten und Schilder aufgemalten Jakobsmuscheln auf seinem Weg aber nicht nur aus religiöser Überzeugung. „Beim Wandern fühle ich mich frei und ungebunden. Da kann ich abschalten. Vor allem in Spanien“, sagt er. Unterwegs hatte er viel Zeit, die er nutzte, um Kontakte zu knüpfen. „Ich habe viele nette, gastfreundliche Menschen kennengelernt.“Rund 80 Mal musste er sich eine Herberge zum Übernachten suchen. „Einmal sprach mich eine Frau in einem Dorf auf Deutsch an. Sie hatte wohl gemerkt, dass ich etwas orientierungslos da stand – und mir eine Herberge angeboten und Essen gekocht.“In Spanien sei das mit den Unterkünften einfacher als etwa in Nordfrankreich. „In Spanien sind sehr viele Pilger unterwegs. Einige Dörfer leben quasi von den Pilgern“, berichtet der Mönchengladbacher. „In Frankreich musste ich meine Touren genau planen, immer vorher bei Hotels anrufen und ein Zimmer reservieren.“
An einem Tag hatte der Pensionär richtig Pech: Wegen starken Regens konnte er nur zwölf Kilometer pilgern – und ist nach einiger Suche in einem Ort namens Aixe-Sur-Vienne gelandet. „In der Herberge dort gab es nichts mehr zu essen, nur eine Bar, in die ich mich dann gesetzt und Wein getrunken habe.“In dem Ort musste der Pilger auf seinen Notvorrat zurückgreifen, den er beim Pilgern stets bei sich trägt: Brot und Tütensuppen. „Meine Erlebnisse habe ich für mich in einem Tagebuch aufgeschrieben“, sagt Falke, der jeden Tag zwischen zwölf und 45 Kilometer wanderte – mal bei eisigen Temperaturen um den Gefrierpunkt, mal bei sommerlichen 25 Grad. „Zwei Wochen lang war ich mit einer Erkältung unterwegs“, sagt er. „Aber da musste ich durch.“Ansonsten sei die Reise gut verlaufen,
auch mit der Verständigung habe es gut geklappt. „Ich habe mir zu Hause ein paar Sätze auf Französisch antrainiert. Im Zweifelsfall half immer eine Übersetzungs-App auf dem Smartphone“, sagt Falke. Dank Salbe und spezieller Strümpfe habe sich an seinen Füßen trotz ellenlanger Strecken die ganze Zeit über keine einzige Blase gebildet. „Da habe ich Glück gehabt.“Albert Falke kann auch von einem „magischen Moment“berichten: Im französischen Vézelay war er in einer Kirche, während hinter den weißen Fenstern die Sonne aufging. „Das Licht schien in die Kirche, das hat für Gänsehaut gesorgt“, sagt er. Unterwegs konnte der ehemalige Religionslehrer die Landschaft genießen und sich vor allem in Spanien mit anderen Pilgern zusammentun. „Wir haben uns abends getroffen, um gemeinsam zu kochen, und haben tolle Gespräche geführt“, sagt der Mönchengladbacher. Falke war zurecht mächtig stolz, als er Mitte Juni am Ziel ankam: an der Kathedrale von Santiago de Compostela, der angeblichen Grabstätte des Apostels Jakobus. Nach zwölf Wochen Fußmarsch ging es für den 71-Jährigen am 21. Juni mit dem Flugzeug zurück – binnen weniger Stunden war er wieder zu Hause. Und jetzt? „Ich möchte nicht ausschließen, dass ich noch einmal eine Pilgerreise unternehme“, sagt Albert Falke, der so einige Dinge von seiner jüngsten Tour mitgebracht hat.
Dazu zählt auch ein lückenlos ausgefüllter Pilger-Pass mit rund 80 Stempeln, mit dem sich die gelaufene Route exakt nachvollziehen lässt. Ein weiteres Mitbringsel: zwei Dokumente aus dem Pilgerbüro in Santiago de Compostela, die Albert Falke die Pilgerreise offiziell beurkunden.