Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
So weit kommt man mit 20 Euro Kirmesgeld
Achterbahn, Lebkuchenherz und Dosenwerfen – jeder Besucher hat einen anderen Favoriten auf dem Rummel. Wir haben auf der Düsseldorfer Rheinkirmes vier Kirmestypen gefragt, wofür sie das Geld ausgeben.
DÜSSELDORF Der Satz „Das ist aber teuer geworden“gehört inzwischen zur Rheinkirmes dazu wie das Riesenrad von Oscar Bruch jr. Auch wenn die Organisatoren betonen, „dass die Rheinkirmes deutlich günstiger ist als ein Themenpark, weil wir hier keinen Eintritt nehmen“– so Kirmes-Architekt Thomas König vor der Eröffnung. Wie weit verschiedene Kirmestypen tatsächlich mit einem beschränkten Budget kommen, haben wir getestet: 20 Euro durften vier Besucher ausgeben. So viel vorweg: Auch ein Angsthase hatte nach einer halben Stunde das Geld verprasst.
„Die Preise kalkulieren sich nach den Betriebskosten und Abschreibungen. Eine Rolle spielt natürlich auch, was der Kunde bereit und in der Lage ist zu bezahlen“, sagt Riesenrad-Betreiber Oscar Bruch. Dazu kommen die Anfahrtswege der Schausteller-Kollegen und wie lang die Veranstaltung insgesamt dauert. „Man kann eine Neuheit heute fast nicht mehr refinanzieren, indem man von Kirmes zu Kirmes reist.“Preisabsprachen gebe es nicht. „Schon deshalb nicht, weil sich die Leute einen Besuch auf der Kirmes ja noch erlauben können sollen.“Oliver Wilmering, Vorsitzender des Schaustellerverbands, ist überzeugt, dass die Preise „mit dem spitzen Bleistift kalkuliert sind, es handelt sich bei der Kirmes ja um ein Volksfest. Wenn sich unsere Kosten erhöhen, müssen wir das ganz oft schlucken und geben sie nicht eins zu eins an den Besucher weiter“. Natürlich würden Schausteller auch links und rechts schauen, um im Preisgefüge zu bleiben. Aber am Ende sei die Kalkulation individuell. Der Romantiker Auf den ersten Blick sieht Fin Pampus eher aus wie ein echter Abenteurer, mit seiner Lederjacke und dem verschmitzten Grinsen. Einer, für den es nur höher, schneller, weiter geben kann auf der Kirmes. Aber falsch gedacht: Der 19-jährige Wuppertaler ist ein echter Romantiker. Mit seinen 20 Euro steuert er sofort einen Süßigkeitenstand an, um für Freundin Lea ein Lebkuchenherz zu kaufen. „Nur für dich“steht in Zuckerschrift darauf, sieben Euro muss er für das 200-Gramm-Exemplar bezahlen. Keine 30 Minuten braucht Fin Pampus, bis er das Geld ausgegeben hat, und am Ende muss er sogar noch einen Euro drauflegen, um sich die Fahrt auf dem Riesenrad leisten zu können. Bevor er Zeit für Zweisamkeit hat, gibt er erstmal zwei Euro am Schießstand aus, an dem er mit einem Gewehr eine Rose für Lea gewinnt. „Das ist der Klassiker“, sagt Pampus und lacht, „da kann ich meine Männlichkeit beweisen.“Beim Dosenwerfen macht der Wuppertaler natürlich auch mit. Drei Bälle kosten fünf Euro. Immerhin ist der 19-Jährige treffsicher und sucht einen Teddy mit rotem Herz aus. Zum Schluss dreht er eine Runde auf dem Riesenrad, romantisch der Ausblick, findet Pampus, etwas abseits vom Rummel, dem Krach, den vielen Menschen. Sieben Euro kostet die Fahrt.
Am liebsten wäre er noch Autoscooter gefahren, „das kann auch romantisch sein“, und hätte noch etwas getrunken. Doch dafür hat das Geld nicht gereicht. 20 Euro sind schnell ausgegeben als Romantiker. Zumindest hat er für die Liebste jede Menge Geschenke. Der Adrenalin-Junkie Wenn Dina Schlichter kopfüber auf den Boden zurast und es im Bauch kribbelt, „das ist der Moment“, sagt die 21-Jährige. Der Moment, für den es sich lohnt, auf die schlimmsten und wildesten Fahrgeschäfte der Kirmes zu gehen. Für die Düsseldorferin gibt es nichts, was sie nicht ausprobiert. Meistens ist Dina Schlichter mit ihrer kleinen Schwester Lilja unterwegs, die mindestens genauso verrückt ist und alles mitmacht. Und zum Glück haben die beiden großzügige Eltern, die ein gutes Taschengeld mitgeben. „Vom Gefühl würde ich sagen, es wird von Jahr zu Jahr teurer“, sagt Dina Schlichter, deshalb bringt sie sich immer selbst etwas zu Trinken mit. „Und durch das ganze Adrenalin habe ich nicht den großen Hunger.“Für welche Geschäfte Dina Schlichter die 20 Euro ausgeben will, muss sie genau durchrechnen. Für Adrenalin-Junkies ist die Aufgabe nicht leicht, mit einem kleineren Budget auszukommen. Beim Propeller beginnt Dina Schlichters Tour, für die Riesenschaukel mit der drehenden Gondel zahlt die Düsseldorferin fünf Euro. Sieben Euro kostet Apollo 13 für die junge Frau, mit 8,50 Euro ist die Olympia-Achterbahn mit ihren fünf Loopings das teuerste Geschäft der Kirmes. Und dann ist das Geld schon ausgegeben, „ich habe sogar einen Euro draufgezahlt“, sagt Schlichter, die ein ernüchterndes Fazit zieht: „Mit 20 Euro kommt man nicht weit, wenn man die großen Sachen fahren will.“Ein bisschen günstiger könnte so manche Attraktion sein, „weil auch die Fahrten oft sehr kurz sind“. Aber: Dina Schlichter und Lilja werden wiederkommen – mit mehr Geld im Portemonnaie. Die Ängstliche Skeptisch blickt Anja Heimann in die Luft, auf den Hangover Tower, auf den Voodoo Jumper und den Ghost Rider. Sie schüttelt mit dem Kopf – diese Attraktionen sind nichts für die Kölnerin. Wenn die 34-Jährige zur Kirmes kommt, dann als Begleiterin. Für ihre Freundin, wenn diese durch die Zelte ziehen will, oder die Kinder. „Bei mir ist es der Kopf, der gewinnt“, sagt Anja Heimann, die der Technik einfach nicht vertraut. Da sind ihr Mann und ihre Tochter anders, die probieren alles aus auf dem Rummel. Heimann selbst bleibt lieber auf dem Boden, „wenn ich Adrenalin brauche, mache ich Sport“. Ob ein Angsthase tatsächlich so schnell 20 Euro auf den Kopf hauen kann, will Anja Heimann ausprobieren. Zuerst hält sie bei den Süßigkeiten, kauft ganz sparsam eine Zuckerwatte für zwei Euro. Der Junge Wenn die Kirmes wie so oft in die Ferienzeit fällt, kommt Luis Lieutenant immer am ersten Montag mit Mama Sandra (39) und seinen Freunden nach Oberkassel. Am liebsten fährt der Elfjährige Autoscooter und die Achterbahnen. Und das kostet. Weil Luis’ Budget nur begrenzt ist, er für Fahrten 30 Euro ausgeben kann und für Essen noch mal zehn Euro, machen er und seine Freunde erstmal eine Runde über den Festplatz, um die Preise zu checken. Kirmesgeld hat er von der Oma bekommen, dann gab es noch Zeugnisgeld, und ein paar Euro hat Sandra Lieutenant dazugetan. Da kommen die 20 Euro für den Test gerade richtig, „die gu„Das geht noch“, sagt die 34-Jährige, und schon hält sie nur noch ein Holzstäbchen in der Hand, weil die Kinder von links und rechts ein bisschen rosa Watte gemopst haben. Fast genauso schnell ist dann auch das Budget ausgegeben – mit dem Handy hat sie die Preise fotografiert. Für den Crêpe mit Kinderschokolade hat Anja Heimann vier Euro ausgegeben, ihr Sohn wollte ein Slush Eis, das drei Euro gekostet hat. Anschließend hat sich die Familie am Schießstand versucht, zehn Schüsse gab es für sechs Euro. „Und wir waren beim Frösche klopfen“, erzählt die 34-Jährige. Ein Spiel, bei dem grüne Gummi-Frösche mit einem Hammer in einen Teich katapultiert werden. Fünf Euro kostet das. Und auch, wenn die 20 Euro damit aufgebraucht sind, hat sie für die Truppe noch eine Tüte Mandeln gekauft. „Mit 20 Euro kommt man nicht so weit auf der Kirmes“, sagt sie. ten Sachen kosten viel“, sagt der Elfjährige aus Mönchengladbach, der zu allererst ein teures Fahrgeschäft ansteuert. Sechs Euro zahlt er für eine Runde auf der Alpina-Achterbahn. Dann testet Luis die neue Geisterbahn, „die mit den Laser-Pistolen“. Noch mal sechs Euro kostet die Fahrt in der Gondel durch die Geisterfabrik, viel Geld ist jetzt nicht mehr übrig. Vergleichsweise günstig fällt da die Runde im Mini-Autoscooter aus, die zwei Euro kostet. Noch mal vier Euro gibt der Elfjährige beim Dosenwerfen aus, vier Versuche hat er dafür. Für 70 Cent kauft sich Luis eine Süßstange – und hat sogar noch 1,30 Euro übrig. „Hier, die kannst du haben“, sagt Luis, der den Rest natürlich behalten darf.