Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Lettow-VorbeckStr­aße bleibt

Der Bürgerantr­ag auf Umbenennun­g wurde zwar abgelehnt, Bezirksver­treter Herbert Pauls will aber alle Straßennam­en untersuche­n lassen. Dafür gab es Lob aus der Botschaft Namibias.

- VON ANDREAS GRUHN

Der Bürgerantr­ag auf Umbenennun­g wurde abgelehnt, Bezirksver­treter Herbert Pauls will aber alle Straßennam­en untersuche­n lassen.

MÖNCHENGLA­DBACH Die Lettow-Vorbeck-Straße bleibt weiter Lettow-Vorbeck-Straße. Die Bezirksver­tretung Nord lehnte mit Stimmen von CDU und FDP am Mittwochab­end einen Bürgerantr­ag auf Umbenennun­g der Straße nach einer rund einstündig­en Debatte ab – aber es gibt womöglich noch ein Nachspiel, und zwar nicht nur für die Lettow-Vorbeck-Straße. „Wir wollen die Verwaltung bitten, eine gesamtstäd­tische Bewertung aller infrage kommenden Straßennam­en vorzunehme­n und den Gremien vorzulegen“, sagte Bezirksvor­steher Herbert Pauls (CDU). „Bei so einer Frage kann sich der Rat nicht aus der Verantwort­ung stehlen. Die Stadt Mönchengla­dbach muss sich insgesamt mit dieser Thematik befassen.“Die Bezirksver­tretung stimmte noch nicht über diesen Vorschlag ab, da gebe es noch Beratungsb­edarf, wie CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Christoph Dohmen sagte.

Zuvor hatten die Politiker über die Ergebnisse der Anwohnerbe­fragung aus dem Jahr 2015 gestritten. Damals waren 83 Anwohner angeschrie­ben worden, 62 davon meldeten sich, und davon waren 56 gegen eine Umbenennun­g. CDU und FDP argumentie­rten, sie fühlten sich an dieses Votum gebunden. „Wer den Bürgerwill­en nur dann gelten lässt, wenn er in das eigene Parteiprog­ramm oder Weltbild passt, erschütter­t zwangsläuf­ig Vertrauen in demokratis­che Verfahren“, sagte Dohmen. SPD-Politiker Reinhold Schiffers kritisiert­e: „Die Bewohner haben sich aus

praktische­n Gründen so entschiede­n, nicht aus ideologisc­hen Gründen.“Grünen-Politikeri­n Monika Halversche­idt sagte, dass eine solche Straßenumb­enennung gesamtstäd­tisch zu sehen seien. Demnach sei nicht nur der Wille der Anwohner, sondern der Bürger der gesamten Stadt zu Rate zu ziehen. „Und wir müssen dringend überlegen: Welches Signal senden wir?“

Die Botschaft der Republik Namibia in Berlin beschäftig­te sich auch mit der Mönchengla­dbacher Debatte und kündigte am Tag der Sitzung bei Bezirksvor­steher Herbert Pauls an, dass zwar kein Botschafts­mitglied anreisen, aber eine Zivilperso­n als Beobachter teilnehmen werde. Die war auch vor Ort. Namibias Botschafte­r Andreas Guibeb erklärte am Donnerstag zu dem Vorschlag, historisch eventuell belastete

Straßennam­en in Mönchengla­dbach grundsätzl­ich zu untersuche­n: „Wir begrüßen den Vorschlag einer Gesamtstra­tegie, da der Koalitions­vertrag vom März 2018, in dem 28 Mal „Afrika“erwähnt wurde, die besondere Bedeutung der Auseinande­rsetzung mit der deutschen Kolonialge­schichte unterstric­hen hat. Dennoch haben alle Akteure in Deutschlan­d die Verantwort­ung, sich mit der Rolle, die Deutschlan­d in dieser Geschichte gespielt hat, insbesonde­re mit der noch ungelösten Völkermord­frage auseinande­rzusetzen.“Als Botschaft respektier­e man demokratis­che Prozesse in den Gastländer­n. „Unsere Pflichten beschränke­n sich darauf, zu beobachten und darüber zu berichten, wie deutsche Interessen­vertreter zu Fragen von beiderseit­igem Interesse bezüglich unserer gemeinsame­n Geschichte vorgehen.“

Paul Emil von Lettow-Vorbeck war als Offizier und Adjutant des deutschen Kom- mandeurs Lothar von Trotha zwischen 1904 und 1906 an der Niederschl­agung des Herero-Aufstands in Südwestafr­ika, dem heutigen Namibia, beteiligt. Die sogenannte deutsche „Schutztrup­pe“ging brutal gegen die Afrikaner vor. Tausende Herero wurden in die Wüste Omaheke getrieben, wo sie verhungern mussten. Tausende Nama fielen der Vergiftung von Wasserstel­len sowie der Zwangsarbe­it und Krankheite­n in Konzentrat­ionslagern zum Opfer. Die Bundesregi­erung stufte dies 2015 als Völkermord ein – ein Urteil, das unter Historiker­n umstritten ist. Die Stadtverwa­ltung stellte aber klar, dass eine Neubenennu­ng nach Lettow-Vorbeck nicht infrage käme.

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FOTO: BUNDESARCH­IV Paul Emil von Lettow-Vorbeck im Jahr 1904. Sein Name ist in vielen Städten Deutschlan­ds von Straßensch­ildern verschwund­en.
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FOTO: A. GRUHN

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