Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wie sich Hasan Salihamidzic bei den Bayern vom Bürschchen zum großen Macher entwickelt hat.
Bayern München hat Hasan Salihamidzic zum Sportvorstand befördert. Unterschätzen wird ihn nun niemand mehr. Er ist der Mann hinter dem Transfer von Leroy Sané und einer Neuausrichtung des Klubs.
Brazzo ist ein kroatisches Wort. Es bedeutet: Bürschchen. Brazzo ist der Spitzname von Hasan Salihamidzic (43). Und wie ein Bürschchen ist der ehemalige Mittelfeldspieler lange behandelt worden, obwohl er beim FC Bayern München den großen Titel Sportdirektor trug. Das soll nun vorbei sein. Der deutsche Meister beförderte den Manager in den Rang eines Sportvorstands.
An tüchtigen Komplimenten wird nicht gespart. Präsident Herbert Hainer betont: „Hasan Salihamidzic ist kontinuierlich als Persönlichkeit gereift. Er ist unheimlich umtriebig, Tag und Nacht, und er hat sich ein großes Netzwerk aufgebaut. Er hat sich den Posten verdient.“Und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge erklärt: „Er hat viel gelernt, er ist sehr wertvoll für den Verein.“
Natürlich bedankt sich Salihamidzic artig für so viel Anerkennung. „Es ist eine Ehre“, sagt er im Vereinsmagazin „51“, „eine große Sache, ich bin ein bisschen stolz.“Wahrscheinlich hat er längst geahnt, dass er im Sommer 2020 eine Stufe höher klettern würde in der Vereinshierarchie, auf jene Position, die seit dem Abgang von Matthias Sammer 2016 nicht mehr besetzt worden war. Denn er hat sich entschieden, auch äußerlich jede Ähnlichkeit mit einem Bürschchen abzulegen. Neuerdings trägt Brazzo einen dunklen Vollbart, und er sieht damit beinahe so grimmig aus wie der Wolfsburger Sportdirektor Jörg Schmadtke. Beide könnten sofort beim nächsten Tarantino-Western mitspielen.
Nach so viel Autorität und Wildheit sah es 2017 nicht aus, als Salihamidzic aus dem Stand ins Amt des Sportdirektors geworfen wurde. Er machte seine Lehrzeit unter den Augen der Öffentlichkeit. Das kann leicht ins Auge gehen, zumal weil sein Verein noch aufmerksamer begleitet wird als andere. Rummenigge, der heute beklagt, „dass es zu wenig Geduld gibt“, machte selbst nicht die geduldigste Figur im Umgang mit seinem Sportdirektor. Bei öffentlichen Anlässen entzog er ihm gern mal das Wort. Und bei der legendären Pressekonferenz im Oktober 2018, als Rummenigge und Hoeneß vom Podium zur ultimativen Medienkritik ausholten und in der Rummenigge das Grundgesetz („die Würde des Menschen ist unantastbar“) zur Verteidigung der Spieler bemühte, saß Salihamidzic wie der kleine Junge von nebenan dabei. Er bekam erst dann eine Alibi-Redezeit, als die beiden Alphatiere des FC Bayern alles gesagt hatten. Es schien, als werde das Bürschchen aus Bosnien-Herzegowina zwischen den beiden dicken Mühlsteinen Hoeneß und Rummenigge zermahlen. Im Scheinwerferlicht war einfach kein Platz neben den beiden.
Das hat sich schon deshalb geändert, weil Hoeneß in den Hintergrund gerückt ist und Rummenigge inzwischen seinen eigenen Nachfolger aufbaut. Oliver Kahn, wie Salihamidzic eigentlich ein Lehrling in der höchsten Funktionärsebene, hat in der Corona-Krise ebenfalls als Manager an Kontur gewonnen.
In die Phase seiner ersten Gehversuche im gehobenen Management fallen nicht nur staatsmännische Auftritte, in denen er dazu aufruft, „dass man gerade wirtschaftlich vorsichtig agieren muss“. Es werden auch bedeutende Abschlüsse getätigt. Der Transfer des Nationalspielers Leroy Sané (21) zum Beispiel, der für fünf Jahre unterschreiben wird und der die im internationalen Vergleich sehr bescheidene Ablösesumme von 50 Millionen Euro kosten soll. Oder die Vertragsverlängerungen von Manuel Neuer, Thomas Müller (beide bis 2023) und Alphonso Davies (bis 2025). Zumindest ein wenig darf sich Kahn an diesen Weichenstellungen beteiligt fühlen. Das größte Verdienst aber wird Salihamidzic zugeschrieben. Präsident Hainer würdigt Transfers und Vertragsverlängerungen als Bestandteile einer längst eingeleiteten Neuausrichtung des Klubs. Dazu gehört die Zusammenstellung des Kaders, der Aufbau einer funktionierenden Nachwuchsakademie (mit dem Zwischenresultat einer Spitzenposition der zweiten Mannschaft in der Dritten Liga) und der Einbau von talentierten Spielern ins erweiterte Profiteam. All das gehört in den Aufgabenbereich von Salihamidzic, der offensichtlich nicht nur vor den Scheinwerfern arbeitet.
Ins gleißende Licht drängt es Hainer wohl ebenso wenig, das bayerische Wort zu den Grundsätzen des Klubs aber spricht er so gelassen aus wie sein Vorgänger Hoeneß: „Die Erwartungen an den FC Bayern München sind immer die höchsten. Wir werden keinen Millimeter preisgeben.“Und Salihamidzic weiß selbstverständlich, was er da zu sagen hat. Nämlich: „Wir wollen einen FC Bayern, der an der Spitze in Europa etabliert ist. Ich lasse keine Sekunde nach.“Das klingt schon sehr anspruchsvoll und nicht nur brav. Das Gesicht hinter dem dunklen Bart signalisiert feierlichen Ernst und großen Kampfgeist. So ähnlich hat sich der Fußballer Salihamidzic einst bei den Bayern in einer Mannschaft mit großen und manchmal sehr lauten Spielern wie Kahn und Stefan Effenberg seinen Platz erarbeitet. Auch damals wurde er unterschätzt. Das war schnell vorbei. Im Management hat es ein paar Jahre gedauert.