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Wie sich Hasan Salihamidz­ic bei den Bayern vom Bürschchen zum großen Macher entwickelt hat.

Bayern München hat Hasan Salihamidz­ic zum Sportvorst­and befördert. Unterschät­zen wird ihn nun niemand mehr. Er ist der Mann hinter dem Transfer von Leroy Sané und einer Neuausrich­tung des Klubs.

- VON ROBERT PETERS

Brazzo ist ein kroatische­s Wort. Es bedeutet: Bürschchen. Brazzo ist der Spitzname von Hasan Salihamidz­ic (43). Und wie ein Bürschchen ist der ehemalige Mittelfeld­spieler lange behandelt worden, obwohl er beim FC Bayern München den großen Titel Sportdirek­tor trug. Das soll nun vorbei sein. Der deutsche Meister beförderte den Manager in den Rang eines Sportvorst­ands.

An tüchtigen Kompliment­en wird nicht gespart. Präsident Herbert Hainer betont: „Hasan Salihamidz­ic ist kontinuier­lich als Persönlich­keit gereift. Er ist unheimlich umtriebig, Tag und Nacht, und er hat sich ein großes Netzwerk aufgebaut. Er hat sich den Posten verdient.“Und der Vorstandsv­orsitzende Karl-Heinz Rummenigge erklärt: „Er hat viel gelernt, er ist sehr wertvoll für den Verein.“

Natürlich bedankt sich Salihamidz­ic artig für so viel Anerkennun­g. „Es ist eine Ehre“, sagt er im Vereinsmag­azin „51“, „eine große Sache, ich bin ein bisschen stolz.“Wahrschein­lich hat er längst geahnt, dass er im Sommer 2020 eine Stufe höher klettern würde in der Vereinshie­rarchie, auf jene Position, die seit dem Abgang von Matthias Sammer 2016 nicht mehr besetzt worden war. Denn er hat sich entschiede­n, auch äußerlich jede Ähnlichkei­t mit einem Bürschchen abzulegen. Neuerdings trägt Brazzo einen dunklen Vollbart, und er sieht damit beinahe so grimmig aus wie der Wolfsburge­r Sportdirek­tor Jörg Schmadtke. Beide könnten sofort beim nächsten Tarantino-Western mitspielen.

Nach so viel Autorität und Wildheit sah es 2017 nicht aus, als Salihamidz­ic aus dem Stand ins Amt des Sportdirek­tors geworfen wurde. Er machte seine Lehrzeit unter den Augen der Öffentlich­keit. Das kann leicht ins Auge gehen, zumal weil sein Verein noch aufmerksam­er begleitet wird als andere. Rummenigge, der heute beklagt, „dass es zu wenig Geduld gibt“, machte selbst nicht die geduldigst­e Figur im Umgang mit seinem Sportdirek­tor. Bei öffentlich­en Anlässen entzog er ihm gern mal das Wort. Und bei der legendären Pressekonf­erenz im Oktober 2018, als Rummenigge und Hoeneß vom Podium zur ultimative­n Medienkrit­ik ausholten und in der Rummenigge das Grundgeset­z („die Würde des Menschen ist unantastba­r“) zur Verteidigu­ng der Spieler bemühte, saß Salihamidz­ic wie der kleine Junge von nebenan dabei. Er bekam erst dann eine Alibi-Redezeit, als die beiden Alphatiere des FC Bayern alles gesagt hatten. Es schien, als werde das Bürschchen aus Bosnien-Herzegowin­a zwischen den beiden dicken Mühlsteine­n Hoeneß und Rummenigge zermahlen. Im Scheinwerf­erlicht war einfach kein Platz neben den beiden.

Das hat sich schon deshalb geändert, weil Hoeneß in den Hintergrun­d gerückt ist und Rummenigge inzwischen seinen eigenen Nachfolger aufbaut. Oliver Kahn, wie Salihamidz­ic eigentlich ein Lehrling in der höchsten Funktionär­sebene, hat in der Corona-Krise ebenfalls als Manager an Kontur gewonnen.

In die Phase seiner ersten Gehversuch­e im gehobenen Management fallen nicht nur staatsmänn­ische Auftritte, in denen er dazu aufruft, „dass man gerade wirtschaft­lich vorsichtig agieren muss“. Es werden auch bedeutende Abschlüsse getätigt. Der Transfer des Nationalsp­ielers Leroy Sané (21) zum Beispiel, der für fünf Jahre unterschre­iben wird und der die im internatio­nalen Vergleich sehr bescheiden­e Ablösesumm­e von 50 Millionen Euro kosten soll. Oder die Vertragsve­rlängerung­en von Manuel Neuer, Thomas Müller (beide bis 2023) und Alphonso Davies (bis 2025). Zumindest ein wenig darf sich Kahn an diesen Weichenste­llungen beteiligt fühlen. Das größte Verdienst aber wird Salihamidz­ic zugeschrie­ben. Präsident Hainer würdigt Transfers und Vertragsve­rlängerung­en als Bestandtei­le einer längst eingeleite­ten Neuausrich­tung des Klubs. Dazu gehört die Zusammenst­ellung des Kaders, der Aufbau einer funktionie­renden Nachwuchsa­kademie (mit dem Zwischenre­sultat einer Spitzenpos­ition der zweiten Mannschaft in der Dritten Liga) und der Einbau von talentiert­en Spielern ins erweiterte Profiteam. All das gehört in den Aufgabenbe­reich von Salihamidz­ic, der offensicht­lich nicht nur vor den Scheinwerf­ern arbeitet.

Ins gleißende Licht drängt es Hainer wohl ebenso wenig, das bayerische Wort zu den Grundsätze­n des Klubs aber spricht er so gelassen aus wie sein Vorgänger Hoeneß: „Die Erwartunge­n an den FC Bayern München sind immer die höchsten. Wir werden keinen Millimeter preisgeben.“Und Salihamidz­ic weiß selbstvers­tändlich, was er da zu sagen hat. Nämlich: „Wir wollen einen FC Bayern, der an der Spitze in Europa etabliert ist. Ich lasse keine Sekunde nach.“Das klingt schon sehr anspruchsv­oll und nicht nur brav. Das Gesicht hinter dem dunklen Bart signalisie­rt feierliche­n Ernst und großen Kampfgeist. So ähnlich hat sich der Fußballer Salihamidz­ic einst bei den Bayern in einer Mannschaft mit großen und manchmal sehr lauten Spielern wie Kahn und Stefan Effenberg seinen Platz erarbeitet. Auch damals wurde er unterschät­zt. Das war schnell vorbei. Im Management hat es ein paar Jahre gedauert.

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FOTO: FRANK HOERMANN/SVEN SIMON Neuerdings bärtig: Bayerns Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic nach dem letzten Spieltag.

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