Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der Vordenker der Schwarzen
Ta-Nehisi Coates ist einer der einflussreichsten Autoren Amerikas. Der 44-Jährige analysiert den Rassismus dort.
Was, wenn die acht Jahre mit Obama das Maximum waren, das die schwarze Bevölkerung erreichen konnte? Der Autor Ta-Nehisi Coates stellt sich diese bittere Frage. Donald Trump, meint er, sei eine direkte Reaktion auf die Amtszeit Obamas. Die Amerikaner hätten einen Mann gewollt, der offensichtlich ein Rassist sei. Schon bei der Gründung der USA seien Schwarze nicht berücksichtigt worden. Sie erinnerten die Weißen seither durch bloße Anwesenheit daran, dass Amerika auf einem Verbrechen gründe, sagt Coates. Wie solle man sie nun integrieren? Wer wolle das überhaupt?
Den Vornamen von Ta-Nehisi Coates spricht man „Tanahasi“aus – der in Baltimore geborene Sohn eines Black-Panther-Aktivisten gilt als Stimme des schwarzen Amerika. Der 44-Jährige plädierte 2014 in einem legendären Essay dafür, dass die USA den Schwarzen Reparationen zahlen sollten, wegen der Sklaverei, des institutionellen Rassismus und der diskriminierenden Wohnungspolitik. Nach dem Massaker in Charleston 2015, bei dem neun Schwarze von einem weißen Amerikaner erschossen wurden, forderte er, die Konföderierten-Flagge vom Capitol in Columbia zu holen, der Hauptstadt South Carolinas. Sie sei ein Symbol für die Sklavenhalterstaaten.
Tatsächlich wurde die Flagge mit dem blauen Kreuz auf rotem Grund abgenommen.
Wie ein HipHopper geht Coates vor, seine Waffe ist die Sprache, und von Rappern wie Nas und Rakim hat er gelernt, wie man Tempo macht, Texte rhythmisiert, Pathos und Direktheit austariert. „Der amerikanische Wohlstand baut auf zweieinhalb Jahrhunderten Sklaverei auf“, schreibt er. Die Sklaverei sei die Wunde, die nicht verheile, weil sie nicht versorgt werde. Sie werde nur immer noch tiefer.
Coates’ Bücher „Zwischen mir und der Welt“und das großartige „We Were Eight Years In Power. Eine amerikanische Tragödie“über die Obama-Jahre sowie die Alben, die er für die Comicreihe „Black Panther“textete, und der Roman „Der Wassertänzer“erreichten die Spitze der US-Bestsellerliste. Noch vor etwas mehr als zehn Jahren war Coates jedoch ganz unten. Er hatte kein Geld, niemand las ihn, er lebte mit Frau und Sohn in Harlem und haderte. Dann wurde Obama Präsident, und Coates begann, ein Blog zu schreiben. Redakteure des Magazins „The Atlantic“wurden auf ihn aufmerksam. Coates veröffentlichte dort Meinungsstücke, die ein Millionenpublikum erreichten.
Dass er überhaupt schreibt, liegt an seinem Studienfreund Prince Jones. Der wurde 2000 von einem Undercover-Polizisten
mit 16 Schüssen getötet. Der Tod stellte sich als Versehen heraus. Es gab keine Anklage. Schwarze, schreibt Coates, stehen immer unter Verdacht.
Die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison bezeichnete Coates, der nun an der New York University lehrt, als Autor, der die Lücke schließe, die nach James Baldwins Tod entstanden sei. Tatsächlich bezieht sich Coates mitunter auf Baldwin, etwa wenn er die Form von dessen „Nach der Flut das Feuer“für sein Buch „Zwischen mir und der Welt“übernimmt und einen Brief an seinen Sohn schreibt. Coates warnt ihn: Zwischen uns und der Welt liegt „der Traum des weißen Amerika“.