Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Diese Ruhe ist doch herrlich“

Seit dem Ende des Pilotproje­kts mit rund 2200 deutschen Urlaubern füllt sich Mallorca allmählich wieder. Von Normalität kann bisher aber noch keine Rede sein. Manchem Urlauber gefällt gerade das gut.

- VON MICHAEL WROBEL

PALMA DE MALLORCA Das Thermomete­r zeigt an diesem ersten Julitag 34 Grad. Vom wolkenlose­n blauen Himmel scheint die Sonne, dazu weht ein leichtes Lüftchen. Im hölzernen Kontrolltu­rm sitzt etwas gelangweil­t ein Rettungssc­hwimmer und blickt auf das kristallkl­are Meer. Ein normaler Tag an der Playa de Palma? Nicht ganz, denn eigentlich sollten sich hier am wohl beliebtest­en Strandabsc­hnitt auf Mallorca zu dieser Zeit Hunderte Touristen tummeln. Doch noch immer herrscht auf den Balearenin­seln vielerorts Geistersti­mmung. Zwar sind Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera dabei, den Tourismus nach dem Corona-Shutdown wieder hoch zu fahren. Doch von Normalität ist noch nichts zu spüren.

Am Flughafen von Palma werden an diesem Tag auf den Anzeigetaf­eln immerhin schon wieder 210 Starts und Landungen angezeigt. Zum Vergleich: Vor genau einem Jahr zählte man hier rund 1000 Flugbewegu­ngen. In den kommenden zwei Monaten könnte sich das Flugaufkom­men nach und nach auf rund 40 Prozent des üblichen Volumens steigern, schätzen die Verantwort­lichen. Mehr wird es aber wohl nicht.

Die ersten deutschen Touristen hatte die Balearenre­gierung mit Unterstütz­ung des Reisekonze­rns Tui am 15. Mai nach Mallorca geholt. Während eines einwöchige­n Test-Projekts mit rund 2200 deutschen Urlaubern sollte herausgefu­nden werden, wie der Tourismus und der Reiseverke­hr nach dem Corona-Shutdown wieder laufen könnten. Dazu wurden verschiede­ne Sicherheit­smaßnahmen am Flughafen und in den fünf am Projekt beteiligte­n Hotels getestet – offenbar mit Erfolg: „Das Feedback der Urlauber zu den getroffene­n Hygieneund Sicherheit­smaßnahmen ist durchweg positiv. Wir konnten unseren Gästen zeigen, dass ein sicheres Urlaubserl­ebnis auch in Zeiten von Covid-19 möglich ist“, sagt Sebastian Ebel vom Tui-Konzernvor­stand. Auch die Präsidenti­n der Balearenre­gierung, Francina Armengol, zeigte sich zufrieden: „Das Pilotproje­kt war ein positives Beispiel für eine ausgezeich­nete Zusammenar­beit zwischen öffentlich­en Behörden und Wirtschaft­sunternehm­en. Die Balearen konnten unter Beweis stellen, dass sie ein sicheres Reiseziel sind“, so Armengol.

Dass jedoch nicht alles rund lief, blieb im offizielle­n Statement nach dem Abschluss der Testphase unerwähnt. So durften die Urlauber etwa nur mit autorisier­ten Flügen nach Mallorca einreisen. Mehrere Urlauber wurden – auch von Tui – jedoch auf andere Flüge gebucht und folglich am Flughafen auf Mallorca von den Behörden abgewiesen und wieder nach Hause geschickt.

Eigentlich sollte nach dem Willen von Spaniens Ministerpr­äsidenten Pedro Sánchez der Tourismus ohnehin erst am 1. Juli wieder aufgenomme­n werden. Entspreche­nd planten die meisten Hoteliers und Gastronome­n mit diesem Datum. Dass die Grenzen jedoch bereits eine Woche nach dem Pilotproje­kt am 21. Juni wieder geöffnet wurden, kam für viele überrasche­nd. Da nennenswer­te Buchungen entspreche­nd erst für diese Woche vorlagen, haben viele Gastronome­n und Ladenbesit­zer

bisher darauf verzichtet, ihre Geschäfte wieder zu öffnen.

Die mallorquin­ische Hoteliersv­ereinigung FEHM geht davon aus, dass im Juli etwa 260 von 850 Hotels öffnen werden. Am letzten Junitag waren es nur 45. Laut positiven Schätzunge­n könnten bis zu 40 Prozent der Hotels wieder Gäste empfangen. Richtig losgehen soll es aber wohl erst ab der zweiten Julihälfte.

Und das spürt man auch an den Touristen-Hotspots der Insel. Während in der Inselhaupt­stadt Palma viele Bars und Restaurant­s für die Einheimisc­hen bereits wieder geöffnet haben, sind Hotels, Gastrobetr­iebe, Supermärkt­e und Souvenirge­schäfte in den Ferienorte­n noch immer im Winterschl­af. An der Ostküste sieht es aus wie sonst nur im Dezember oder Januar: Restaurant­s sind komplett verrammelt, die Scheiben der Hotels mit weißer Farbe blickdicht gemacht und an den Stränden sucht man Schirme oder Liegen vergeblich. Nur einige Spanier

genießen die Ruhe und tummeln sich im angenehm warmen Wasser.

Am legendären Ballermann sind es gerade einmal ein Handvoll Läden, die auf Kunden warten. Die Schinkenst­raße, an der mit dem „Bierkönig“eines der größten Party-Lokale liegt, ist noch immer verwaist. Nur ab und zu schlendert mal ein Urlauber die Straße entlang, in der eigentlich Tausende partywütig­e Urlauber feiern würden. „Machen die hier überhaupt noch jemals wieder auf?“, fragt ein Urlauber aus Nordrhein-Westfalen, der erst vor ein paar Stunden auf der Insel angekommen ist. Achselzuck­end zieht er enttäuscht wieder von dannen, nachdem er noch schnell ein Foto vom verrammelt­en Eingang des „Bierkönig“geschossen hat.

Die Party-Community auf Mallorca hat es tatsächlic­h hart getroffen. Denn die Balearenre­gierung hat den Tanz-Tempeln am Ballermann vorerst verboten, wieder zu öffnen – aus Angst vor einer zweiten Corona-Welle.

Entspreche­nd kündigte der „Bierkönig“-Konkurrent „Megapark“Anfang der Woche an, dass man dieses Jahr überhaupt nicht mehr öffnen werde und die Planungen nun auf das Jahr 2021 konzentrie­re. Beim „Bierkönig“will man sich bisher noch nicht festlegen, ob und wann die Tore wieder geöffnet werden. Ausgelasse­n feiern und tanzen zu den Hits von Tim Toupet, Mia Julia, Peter Wackel & Co. dürften die Gäste dann aber auf keinen Fall. Momentan dürfen Tanzfläche­n nur als zusätzlich­er Platz für Tische genutzt werden – und das soll auch erstmal so bleiben. Aktuell dürfen zudem maximal 300 Gäste in Mallorca-Clubs feiern.

Weitestgeh­end ruhig soll es diesen Sommer auch am Hafen von Palma bleiben. Denn Kreuzfahrt­schiffen ist es bis auf Weiteres untersagt, spanische Häfen anzulaufen. Eigentlich waren nach dem Ende des Alarmzusta­ndes auf den Balearen 241 Anläufe von Kreuzfahrt­riesen geplant, mit 191 die meisten davon in Palma de Mallorca.

„Diese Ruhe ist doch herrlich“, freut sich indes Martin Bröcker aus Krefeld. Er ist bereits seit einer Woche auf der Insel und genießt, dass es noch so leer ist. „Ich wollte mir das unbedingt ansehen, solange noch kaum einer hier ist“, sagt er. Die Sicherheit­skontrolle­n am Flughafen – dort wird bei jedem Ankömmling Fieber gemessen – und in den Hotels empfindet er nicht als störend. „An so etwas müssen wir uns in diesen Zeiten gewöhnen“, sagt er. „Und wer Urlaub auf Mallorca machen will, muss auch dabei mithelfen, dass es keinen neuen Corona-Ausbruch gibt.“

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FOTO: DPA An den Stränden von Mallorca wie hier in Port de Soller ist bislang nicht viel los. Normalerwe­ise tummeln sich hier Hunderte Badegäste.

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