Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Warum Innogys Einfluss bei der NEW wächst
Stromnetze gegen mehr Mitbestimmung: Innogy überträgt Vermögenswerte an die NEW und erhöht dafür seine Anteile am Versorger.
MÖNCHENGLADBACH Die NEW AG bindet sich enger an ihren Anteilseigner Innogy (vormals RWE). Das regelt eine Wachstumspartnerschaft, die beide Konzerne und die beteiligten Städte und Gemeinden in den vergangenen Monaten ausverhandelt haben. Und die nach Informationen unserer Redaktion bereits besiegelt worden ist. Der Rat in Mönchengladbach hat im Juni im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung zugestimmt. Die Innogy, der bereits knapp 40 Prozent der NEW gehören, bekommt damit mehr Einfluss in der NEW.
Um was genau geht es dabei? Innogy darf Vermögenswerte in die NEW einbringen und dafür seinen Anteil am gesamten Konzern erhöhen. Bisher gehört die NEW zu 39,95 Prozent Innogy (siehe Box). Grundsätzlich hatte RWE (der Innogy-Vorgänger) die Möglichkeit schon immer, seine Anteile auf bis zu 49,99 Prozent zu erhöhen. Jetzt ist das konkreter beziffert: Bis Ende 2021 müssen erste Vermögenswerte eingebracht sein, bis Ende 2023 muss der Anteil von Innogy an der NEW dann bei mindestens 42,5 Prozent liegen, und bis Ende 2028 dann bei mindestens 45 Prozent. Der Einfluss des Energieriesen, der im Eon-Konzern aufgeht, beim Mönchengladbacher Versorger wächst dadurch, und der kommunale Einfluss verwässert. Dafür sollen beträchtliche Vermögenswerte an die NEW übertragen werden.
Was erhält Innogy dazu im Gegenzug? Die Besetzung des Vorstands der NEW AG ist künftig klar geregelt: Der Vorstandschef (das ist Frank Kindervatter) wird vom NEW-Aufsichtsratsvorsitzenden vorgeschlagen. Das ist immer der Vertreter der Kommunen (derzeit der Mönchengladbacher CDU-Fraktionschef Hans-Peter Schlegelmilch). Der zweite Vorstandsposten (seit Anfang 2020 ist das Thomas Bley) wird aber immer von Innogy besetzt. Bley kam auch von Innogy zur NEW. Das bedeutet: Einen Vorstand mit zwei kommunalen Vertretern, wie es vorher mit Kindervatter und dem verstorbenen Armin Marx der Fall war, wird es bei der NEW AG nicht mehr geben. Interessanter Nebenaspekt: Innogy ist dazu gezwungen, die Vermögenswerte zu den jeweiligen Stichtagen einzulegen, sonst verfällt das Vorschlagsrecht für den zweiten Vorstand.
Um was für Vermögenswerte geht es dabei? Nicht um Geld, das ist in der Vereinbarung ausgeschlossen. Und das war auch das große Interesse der
Mönchengladbacher. Sondern um „Beteiligungen und Assets“, „die in einem räumlichen Zusammenhang mit dem Versorgungsgebiet der NEW stehen und die Möglichkeit bieten, Synergien durch die gemeinsame Erfüllung von Aufgaben zu realisieren“. Mit anderen Worten: Wenn Innogy Anteile von benachbarten Energieversorgern gehören, dann können diese an die NEW übertragen werden. Oder aber auch Stromnetze, die Innogy gehören. Dadurch würde die NEW entsprechend wachsen und ihr eigenes Netzgebiet vergrößern. Das Kalkül dürfte sein, die Marktposition des
Gladbacher Versorgers zu stärken oder gar auszubauen.
Und was ist, wenn Innogy Ramsch an die NEW verscherbeln will? Die beteiligten Kommunen haben sich das Recht ausbedungen, die Beteiligungen und Vermögenswerte vorher von einem Sachverständigen auf ihren Wert hin prüfen zu lassen. Das ist nicht unwichtig, denn wenn Eon bald umstrukturiert, dann könnten auch von Innogy Teile übrig bleiben, die man gerne loswerden will. Da käme ein solcher Deal wie jetzt mit der NEW geschlossen gerade recht.
Warum macht man das Ganze? Im Kern geht es darum, dass Innogy über eine Kapitalerhöhung der NEW AG an Einfluss innerhalb des Versorgers gewinnt. Und wenn die NEW gleichzeitig wächst, dann versprechen sich auch die beteiligten Kommunen davon mehr Finanzgewinne, die ja auch unter anderem für den verlustreichen Busverkehr oder den Badbetrieb benötigt werden. Vereinfacht gesagt: Der Betrieb von Stromnetzen außerhalb von Mönchengladbach könnte bald Verluste von Bussen und Bädern in Mönchengladbach mit auffangen. Der Preis aber, den die Kommunen dafür zahlen, ist nicht klein: Sie geben weiter Einfluss in der NEW ab, der ohnehin in den vergangenen Monaten und Jahren mehr und mehr gebröckelt ist. Bezeichnend dafür ist etwa die Weigerung von Vorstand Frank Kindervatter, im Rat der Stadt Fragen der Ratsmitglieder zu beantworten mit dem Hinweis, berichtspflichtig sei er nur dem Aufsichtsrat. Dort sitzen aus Mönchengladbach neben Schlegelmilch nur Felix Heinrichs (SPD) und Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners. Auf der anderen Seite ist der kleiner werdende Einfluss von Mönchengladbach auf den Konzern auch logisch: Wer wachsen will und das nicht aus eigenen Mitteln kann, sondern nur über Partnerschaften, der muss auch bereit sein, Macht abzugeben.