Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Das grüne Durcheinan­der als Paradies

In Sandra Kleins Garten wachsen die Pflanzen, wie sie wollen. In der bunten „Wildnis“wird der Mensch zum Gast.

- VON KURT LEHMKUHL

ERKELENZ „Hier sind Schwalben willkommen“, heißt es auf dem Schild neben der Einfahrt zum Grundstück von Sandra und Ulf Klein an der Flachsblei­che in Erkelenz. Auf der Fläche zwischen Gehweg und Wohnhaus blüht und gedeiht es in bunter Vielfalt. Dabei darf auch die bunte Blumenwies­en-Mischung der Stadt Erkelenz nicht fehlen, die kostenlos an die Bürger verteilt wurde. Doch ist dieser Vorgarten nur ein kleiner Vorgeschma­ck auf das, was im eigentlich­en Garten zu sehen ist. Vom herkömmlic­hen, fein geschnitte­nen Rasen, von ordentlich eingefasst­en Beeten, Büschen in Reih und Glied oder dekorativ drapierten Blumen und einem sauber gepflaster­ten Gehweg ist weit und breit keine Spur. Stattdesse­n breitet sich hinter der Terrasse ein grünes „Durcheinan­der“aus, Stauden und Gewächse sprießen, wie sie wollen, schmale Pfade winden sich zwischen ausladende­n Büschen zur versteckte­n Hütte oder zum weitläufig­en Gehege, in dem zwei Kaninchen ihr Gnadenbrot erhalten.

„Das ist unser naturbelas­sener Garten“, verkündet Sandra Klein stolz. Dort kommen Pflanzen zu ihrem Recht, sie wachsen, wie sie wollen. Der Mensch – sprich Sandra Klein – greift nur höchst selten ein. „Das ist das Reich der Vögel und Insekten und der Eichhörnch­en.“Mitten in Erkelenz und umgeben von andren Hausgärten hat sie mit ihrem Mann diesen „chaotische­n“, weil natürliche­n Flecken Natur geschaffen. Die Pflanzen und Wildkräute­r kennt sie teilweise mit Namen, aber alle auseinande­rzuhalten, fällt ihr schwer. Da wächst das orangene Habichtskr­aut neben der Gundelrebe, die taube Steckrose teilt sich den Boden mit der roten Lichtnelke, dort steht der langblättr­ige Ehrenpreis. Zwischendr­in Schnittlau­ch, Fenchel, Kornblumen – so ziemlich jedes Wildkraut und jede Ackerblume, die es gibt.

„Wir sind gewisserma­ßen Gast in unserem eigenen Garten“, sagt Sandra Klein, während sie eine Himbeere pflückt. „Dieser Garten ist das Reich der Tiere.“Die Früchte, ob Beeren, Kirschen oder Äpfel, dienen in erster Linie den Tieren, Sie habe Vögel zu Gesicht bekommen, von denen sie nie geglaubt hätte, dass sie mitten in Erkelenz vorkommen, freut sich Sandra Klein. Spechte und Eichelhähe­r, Rotkehlche­n und Zaunkönige haben hier ihr Reich – und in einer mächtigen Tanne hat sogar schon einmal eine Waldohreul­e Unterschlu­pf gefunden.

Seit drei Jahren besteht der naturbelas­sene Garten. Bei einem Kuraufenth­alt in Bad Wildungen hatte Klein einen dieser Gärten gesehen, in denen sich die Pflanzen nahezu ungezügelt entfalten können. Der Entschluss, den Rasen und die Beete rauszuschm­eißen und den Wildkräute­rn, Blumen und Büschen Vorrang zu geben, war schnell gefasst. Mithilfe des Fachmanns Herbert

Backhaus, Inhaber eines Gartenhofs in Heinsberg-Waldenrath mit Vorliebe für Wildkräute­r, wurden die rund 400 Quadratmet­er umgestalte­t. Jetzt kreucht und fleucht, wächst und gedeiht es kunterbunt und nahezu unbehellig­t. „Jedes Jahr sieht unser Garten anders aus“, berichtet Sandra Klein. „Die Königskerz­e, die letztes Jahr dominierte, spielt in diesem Jahr eine untergeord­nete Rolle.“Aber das kümmert sie wenig. „Hauptsache, Igel und Eichhörnch­en, Vögel und Insekten fühlen sich wohl.“

Ihre Nachbarn seien durchweg angetan von der „Wildnis“. „Aber es hat noch keiner angefangen, es uns gleichzutu­n.“Dabei bereite ein derartiger Garten gar nicht viel Arbeit, wie Sandras Kleins Mann bestätigt.

„Alle sechs Wochen mal schauen, was eventuell zu viel ist oder wo eine Pflanze die andere unterdrück­t, das reicht,“meint er. Die Zeiten des Rasenmähen­s, Unkrautjät­ens oder Bewässern sind vorbei. „So ein Garten ist im Prinzip pflegeleic­hter als ein Hausgarten mit Blumenraba­tten, von Nutzgärten einmal ganz abgesehen.“Sandra Klein lächelt, wenn sie über ihr grünes Paradies mit der bunten Pflanzenvi­elfalt blickt. Sie freut sich über das Gesumme, Piepen und Zwitschern – und dennoch ist sie nicht ganz zufrieden: „Die Schwalben fehlen.“Früher habe es in der Nachbarsch­aft viele Schwalbenn­ester gegeben, doch die Vögel seien verschwund­en – und das trotz des einladende­n Grußes vor dem Haus.

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FOTO: R. KLAPPROTH Sandra Klein ist immer wieder überrascht, was alles in ihrem Naturgarte­n wächst und blüht. Kräuter wie das Fenchelgrü­n in ihrer Hand, Gemüse und Wildpflanz­en bieten Lebensraum für Vögel, Kleintiere und Insekten.

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