Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Kalenderblatt
Am 4. Juli 1918 trat der letzte Sultan des Osmanischen Reichs sein Amt an. Er sollte zum Verwalter des endgültigen Zerfalls werden. Dabei war Mehmed VI. (Foto) gar nicht als Thronfolger vorgesehen gewesen. Als jüngerer Sohn des Sultans Abdülmecid I. hatte er nur geringe Aussichten auf die Herrschaft gehabt. Bei den Osmanen wurde das Amt des Sultans anders als in europäischen Königshäusern nicht in direkter Blutslinie weitergegeben. Starb ein Herrscher, erhielt das Amt der älteste lebende männliche Abkömmling eines früheren Sultans. So war der Thronfolger oft ein Cousin, häufig auch ein Bruder oder Halbbruder. Auf diese Weise war nahezu ausgeschlossen, dass ein Kind Sultan wurde. Mehmed stieg in dieser Rangfolge erst nach dem überraschenden Tod seines Cousins auf, er folgte auf seinen älteren Halbbruder Mehmed V. Das Osmanische Reich war 1914 an der Seite des Deutschen Kaiserreichs und Österreich-Ungarns in den Ersten Weltkrieg eingetreten. Die Regierenden hofften auf eine Wiederherstellung des alten Glanzes und die Wiedereroberung verlorener Gebiete. Doch es kam anders. Als Mehmed VI. sein Amt antrat, waren Palästina und Mesopotamien von den Briten überrannt worden, wichtige Städte wie Bagdad und Jerusalem waren verloren. Er versuchte, in Verhandlungen mit der Entente zumindest die eigene Macht zu erhalten. Doch die Bedingungen waren hart, weitere Teile des Osmanischen Reichs gingen verloren. Die nationalen Kräfte im Osmanischen Reich wurden stärker. Die Bewegung um Mustafa Kemal gewann an Einfluss und 1922 wurde der letzte Sultan des Landes verwiesen. Er ging ins Exil und erlebte 1923, wie Kemal, der sich den Beinamen Atatürk geben ließ, die Republik Türkei ausrief.