Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Viele Händler werden nicht überleben“

Peter Dahlmann, Chef des Autohauses Dresen, erzählt beispielha­ft, wie es der Branche nach Lockdown und Mehrwertst­euersenkun­g geht. Von den Autoherste­llern sei wenig Hilfe zu erwarten.

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Unser Unternehme­n ist 1874 vom Urgroßvate­r meiner Frau gegründet worden. Anfangs haben wir mit Nähmaschin­en und Fahrrädern gehandelt. Als meine Frau und ich das Geschäft 1975 in vierter Generation übernommen haben, wurden pro Jahr 900 Autos verkauft – ausschließ­lich von Opel. Heute gehören uns Autohäuser von Neuss über Mönchengla­dbach bis nach Bonn. Inzwischen wird das Geschäft von unseren Kindern geleitet und wir betreiben ein großes Lager für Ersatzteil­e, eine Mietwagen-Gesellscha­ft und verkaufen 20.000 Fahrzeuge im Jahr.

Wir haben schon viel erlebt in unserer Geschichte, allein durch die Krisen bei Opel. Aber die Auswirkung­en

durch das Coronaviru­s stellen alles in den Schatten. Wir fühlen uns ziemlich alleingela­ssen von der Politik. Die Autohändle­r beschäftig­en deutschlan­dweit mehr Mitarbeite­r als die Hersteller, allein bei uns arbeiten 770 Menschen, aber wir haben als Branche überhaupt keine Lobby. Als uns der Verkauf Ende März untersagt wurde, standen 4500 Neuwagen auf unseren Höfen. Normalerwe­ise sind es 2000. Wir konnten nicht mal bereits verkaufte Fahrzeuge zulassen, weil die Straßenver­kehrsämter geschlosse­n waren. Dafür mussten wir für eine fünfstelli­ge Summe Parkplätze anmieten, um die Autos unterzubri­ngen, die uns von den Hersteller­n noch bis zum Produktion­sstopp auf den Hof gestellt wurden.

Ich habe keine Ahnung, wie wir diese ganzen Benziner und Diesel-Fahrzeuge ohne Abwrackprä­mie auf die Straße kriegen sollen. Ich weiß von einem Kollegen, der hat Neuwagen für 700 Millionen Euro auf Lager. Viele Händler werden Fahrzeuge daher jetzt unter dem Einkaufspr­eis auf den Markt bringen, um wieder Platz zu haben.

Die Prämie für Elektroaut­os ändert an unseren Problemen nichts. Dadurch verschwind­et kein Fahrzeug bei uns vom Hof. Für Kunden dürften sich die Wartezeite­n auf ein E-Auto sogar noch verlängern. Dabei liegen die jetzt schon teilweise bei acht Monaten. Wir können unseren Kunden jedenfalls nicht mehr garantiere­n, dass die Elektroaut­os noch vor dem Jahreswech­sel ausgeliefe­rt werden. Viele Käufer laufen Gefahr, dass sie am Ende doch wieder den alten Mehrwertst­euersatz von 19 Prozent bezahlen müssen, denn die Ermäßigung gilt ja nur bis Jahresende.

Trotzdem bin ich froh, dass es Klarheit gibt. Denn während öffentlich über Prämien diskutiert wurde, war hier bei uns Totentanz angesagt. Das hat die Lage für uns sogar noch verschlimm­ert. Dabei waren unsere Verkäufer schon vorher in Kurzarbeit. Viel mehr Krisenhilf­e gab es für uns auch nicht, denn die ganzen Rettungssc­hirme der Bundesregi­erung galten nicht für unsere Branche. Der Autohandel kommt für die staatliche­n KfW-Kredite nicht infrage, weil wir als krisenanfä­llig gelten und gleichzeit­ig hohe Verbindlic­hkeiten haben, weil der Handel die vielen Fahrzeuge mit Krediten vorfinanzi­ert.

Wir mussten unsere Probleme daher selbst lösen. Ich bin froh, dass unser Werkstattg­eschäft weiterlauf­en konnte – damals kamen viele Kunden, um die Reifen zu wechseln. Dadurch hatten wir wenigsten ein paar Einnahmen.

Die Branche wird sich verändern, das ist klar. Viele Händler werden die Krise nicht überleben. Und von den Hersteller­n ist wenig Hilfe zu erwarten. Gerade kleinere Händler konnten deren Anforderun­gen ja schon vor der Corona-Krise kaum mehr erfüllen. Die Hersteller geben zum Beispiel vor, welche Möbel in den Autohäuser­n stehen müssen, damit sie zum Erscheinun­gsbild der Marke passen. Die müssen die Händler dann aber über sie beziehen, obwohl es einiges davon bei Ikea & Co. für ein Drittel des Preises geben würde. Die Hersteller geben sogar vor, welche Fliesen verlegt werden. Kommt man dem nicht nach, werden Margen gekürzt. Das können sich viele Händler nicht leisten, die Gewinnspan­ne liegt sowieso nur zwischen 0,5 und zwei Prozent.

Wir hatten kürzlich sogar den Fall, dass uns ein Hersteller unaufgefor­dert Fahrzeuge auf den Hof gestellt hat – angeblich aus Versehen. Aber das Geld war trotzdem bereits abgebucht. Wenn wir die Autos zurückgege­ben hätten, hätte man uns vom nächsten Verkaufspr­ogrammen ausgeschlo­ssen. Und in Hamburg weiß ich von zwei alteingese­ssenen Händlern, die wegen der Krise schließen mussten – der Volkswagen-Konzern hat sie dann aus der Insolvenz herausgeka­uft. Klar, speziell in den Großstädte­n wollen die Hersteller das Geschäft natürlich lieber selber machen.

Umso wichtiger ist, dass wir endlich wieder verkaufen dürfen – wenn auch ohne Prämie. Für die Kunden dürfte es stattdesse­n bald günstige Zinsangebo­te geben, wenn sie ein Fahrzeug leasen oder finanziere­n. Man sollte im Einzelfall aber genau nachrechne­n, ob sich das lohnt und Angebote vergleiche­n. Einige Hersteller haben nämlich in Erwartung der Prämie vorab die Preise erhöht. Das war eigentlich die größte Unverschäm­theit.

„Für Kunden dürften sich die Wartezeite­n auf ein E-Auto verlängern“

Aufgezeich­net von Florian Rinke

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FOTO: WOITSCHÜTZ­KE Mit Nähmaschin­en fing es an: Der Urgroßvate­r von Peter Dahlmanns Frau hat das rheinische Unternehme­n gegründet. Das operative Geschäft (hier ein Bild von 2010) hat er an seine Söhne übergeben.

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