Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wann Kinder für die Schulden ihrer Eltern haften

- VON SEBASTIAN DREYER Sebastian Dreyer ist Rechtsanwa­lt und Leiter der Verbrauche­rberatung Mönchengla­dbach.

MÖNCHENGLA­DBACH „Eltern haften für ihre Kinder“. Wer wie ich in einem Giesenkirc­hener Neubaugebi­et aufgewachs­en ist, kennt diese Schilder noch von Baustellen. Dabei ist der Satz in seiner Pauschalit­ät nicht einmal richtig. Eltern haften nur dann für Schäden, die ihre Kinder verursacht haben, wenn sie selbst ihre Aufsichtsp­flicht verletzt haben. Der umgekehrte Fall dagegen ist kaum bekannt. Kinder haften häufig auch für das Verhalten ihrer Erziehungs­berechtigt­en. Als gesetzlich­e Vertreter ihrer minderjähr­igen Kinder sind diese in der Lage, rechtsgesc­häftlich für ihre Kinder zu handeln, Verträge abzuschlie­ßen und auch Schulden zu machen.

In der Beratungsp­raxis kommt das leider gar nicht so selten vor. Das Spektrum reicht von verschulde­ten

Eltern, die mangels eigener Kreditwürd­igkeit im Namen der eigenen Kinder shoppen gehen, bis zum Fitnessstu­dio-Vertrag eines Jugendlich­en, der irgendwann nicht mehr bezahlt wird. Kinder stehen dann mit Eintritt der Volljährig­keit möglicherw­eise vor einem Berg von Schulden. Schufa-Einträge, Inkassosch­reiben und Pfändungen wären die Folge. Rechtliche Beratung ist in diesen Fällen dringend erforderli­ch, denn die Gläubiger werden auf ihren Forderunge­n beharren.

Das haben in der Vergangenh­eit auch immer wieder die Jobcenter getan. Gegenüber fast 750.000 Minderjähr­igen hat die Bundesagen­tur für Arbeit offene Forderunge­n mit einem Gesamtbetr­ag von über 273 Millionen Euro. Kinder waren auch in Mönchengla­dbach immer wieder Adressaten von sogenannte­n Rückforder­ungsbesche­iden. Wenn die Eltern etwa Erhöhungen beim Einkommen nicht rechtzeiti­g mitgeteilt haben oder dies vom Amt zu spät bearbeitet wurde, wurden „Überzahlun­gen“von allen Haushaltsm­itgliedern zurückgefo­rdert. Auch in diesem Fall starten Kinder mit Schulden ins Erwachsene­nleben.

Schuldenfr­ei in die Volljährig­keit zu starten, ist ein Grundrecht – so hat das Bundesverf­assungsger­icht bereits vor über 30 Jahren entschiede­n. Hierauf hat der Gesetzgebe­r reagiert. Nach § 1629a BGB haften Kinder in der Regel nur mit dem Vermögen, das sie bei Eintritt der Volljährig­keit besitzen, wenn die Zahlungsve­rpflichtun­gen während Kindheit und Jugend entstanden sind. Zum Vermögen zählen das Ersparte für den Führersche­in, das Sparbuch und alles was der junge Erwachsene auf der „hohen Kante“hat. Eine dauerhafte Verschuldu­ng ist ausgeschlo­ssen und die Regelung greift selbst dann, wenn das Vermögen des Kindes bei null liegt. Nur eins ist wichtig: Man muss diese Regelung auch kennen und sich aktiv auf sie berufen. Unterlässt man dies, bleibt es bei der vollen Haftung.

 ?? FOTO: ZEHRFELD ?? „Eltern haften für ihre Kinder“– das kann auch umgekehrt gelten.
FOTO: ZEHRFELD „Eltern haften für ihre Kinder“– das kann auch umgekehrt gelten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany