Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Ich bin halt aus schwedischem Holz gemacht“
Borussias Schwede spricht über seine Zukunft in Gladbach, Fitness, seinen Konkurrenten Ramy Bensebaini und ein anderes Weihnachtsfest.
Herr Wendt, was sagt Ihnen die Zahl 282?
WENDT Ist das die Zahl meiner Spiele für Borussia? Wow!
Gladbachs Rekord-Ausländer sind Sie längst, schaffen Sie nun die 300, die bisher nur 16 Spieler erreicht haben?
WENDT Das wäre klasse. Es hängt natürlich nicht nur von mir ab, ob ich spiele. Aber wenn ich fit bleibe, hoffe ich doch, dass es was wird.
Wie fühlt sich die Saison bisher für Sie an? Sie sind hinter Ramy Bensebaini die Nummer zwei hinten links, nachdem Sie lange Jahre nahezu konkurrenzlos waren.
WENDT Die Konkurrenzsituation ist wie sie ist, früher und heute. Ramy spielt mehr als ich, aber er ist auch ein super Spieler. Und wenn ich auf die Statistik schaue, habe ich meine Einsätze gehabt. Es ist alles okay.
Wenn Sie Samstag gegen Augsburg (15.30 Uhr/Sky) spielen, ziehen Sie in der Liste der Rekord-Borussen mit Uwe Rahn gleich und wären dann in der Top 20.
WENDT Das klingt doch gut!
Es gibt ein Wiedersehen mit Tobias Strobl, André Hahn und Reece Oxford, den drei Ex-Borussen. Haben Sie noch Kontakt?
WENDT Nein. Wir spielen alle drei Tage, dann ist Training und ich habe drei Kinder zu Hause, da bleibt nicht viel Zeit für andere Dinge. Aber es ist immer schön, sich wiederzusehen. Es kommt ja öfter vor, wenn man so viele Jahre in der Bundesliga spielt.
Sie sprachen Ihre Kinder an. Sie sind als Profi im Umfeld des Teams in diesen Wochen des Lockdowns recht abgeschottet, die Kinder aber gehen in die Schule und in die Kita.
WENDT Wir kriegen das gut hin. Und da bin auch froh, dass die Schule und die Kitas nicht wieder zu sind wie beim ersten Lockdown. Wegen der Kinder. Es ist für sie sehr wichtig, dass sie dadurch ihre Freunde treffen und ihre sozialen Kontakte haben können. Aber ich muss sagen: Die Kinder machen das fantastisch. Dass man Kompromisse machen muss, muss man akzeptieren. Für uns wird es durch die Corona-Situation und die nicht vorhandene Winterpause das erste Mal sein, dass wir Weihnachten in Deutschland und nicht in Schweden sein werden. Das ist ein komisches Gefühl, aber man muss die Situation nehmen, wie sie ist. Das ist ohnehin mein Motto.
Auch was Ihre Zukunft angeht. Der Vertrag endet 2021, gab es erste Gespräche?
WENDT Nein, dazu ist nicht die Zeit im Moment. Aber Borussia weiß, wie ich ticke und dass ich mir grundsätzlich eine Vertragsverlängerung vorstellen kann, wenn ich gesund bin und gebraucht werde. Die Zeit wird kommen für die Gespräche.
Haben Sie für sich mit Ihrer Familie einen Plan entwickelt?
WENDT Wir schauen nicht so weit nach vorn, gerade dieses Jahr hat gezeigt, wie schwierig das ist. Darum gibt es auch noch keine konkreten Langzeit-Pläne. Es ist, wie ich immer gesagt habe: Solange ich mich gut fühle und ein wichtiger Teil der Mannschaft bin, gibt es für mich keinen Grund aufzuhören. Ich habe den besten Beruf der Welt und brenne immer noch wie vor 25 Jahren für den Fußball, jeden Tag.
Und Sie sind anpassungsfähig. Als vergangenes Jahr Marco Rose Trainer wurde, hieß es oft: Der Wendt kann keinen Rose-Fußball. Rose hat zuletzt erzählt, dass Sie es aber top hinkriegen.
WENDT Mit den Aussagen der Leute habe ich mich nie beschäftigt. Ich will Fußball spielen. Und der Fußball, den wir bei Marco Rose spielen, macht einfach Spaß. Ein bisschen so war es früher ja mit André Schubert. Auch da haben wir nach der Zeit mit Lucien Favre einen anderen Fußball gespielt. Ich für meinen Teil sage mal: Der Wendt kann nicht alles, aber er kann ziemlich viel.
Sie sind jetzt 35 Jahre alt. Sind Spieler wie Ihr Landsmann Zlatan Ibrahimovic, der 39 ist und gerade beim AC Mailand groß aufspielt, oder Claudio Pizarro, der 2020 mit 42 seine Karriere beendet hat, Vorbilder für Sie? Spielen Sie bis 40?
WENDT Das ist eine große Zahl. Wenn ich fit bin, will ich auf jeden Fall noch weiterspielen. Aber so weit nach vorne plane ich nicht. Ich bin im Hier und Jetzt und da ist im Moment immer nur das nächste Spiel – Augsburg.
Es ist das erste von zehn Spielen bis Weihnachten. Sie sind der älteste Borusse im Team. Stehen die jungen Kollegen nun Schlange und fragen: ,Wie machst Du das, immer fit zu bleiben?’ Denn gegen so etwas wie Muskelverletzungen scheinen Sie resistent zu sein.
WENDT (lacht) Ich bin halt aus schwedischem Holz gemacht, das ist robust.
Trotzdem muss man etwas dafür tun. Reichen ausreichender Schlaf und gute Ernährung?
WENDT Es sind nie spektakuläre Sachen, die dahinter stecken. Ich kenne meinen Körper und weiß genau, wenn ich ihm etwas zumuten kann und wann er Ruhe braucht. Man muss einfach professionell sein, gerade in den Phasen mit so vielen Spielen. Aber es gehört auch ein bisschen Glück dazu, sich nicht zu verletzten.
Schauen wir auf den FC Augsburg. In Ihren ersten Jahren als Borusse war es ein Angstgegner. Zuletzt gab es drei Siege. Was ist passiert?
WENDT Was früher war, ob es nun gut oder schlecht gelaufen ist, spielt sowieso keine Rolle am Samstag. Wir
müssen gut drauf sein, um zu gewinnen. Wir werden auf jeden Fall Vollgas geben. Wenn wir uns treu bleiben, werden wir unsere Punkte machen.
Mittwoch ist Champions League, Schachtjor Donezk (18.30 Uhr, Dazn) kommt. Borussia ist Erster in der Gruppe und hat die Chance, weiterzukommen. Haben Sie den Kollegen mal erzählt, wie sich ein Achtelfinale in der Königsklasse anfühlt. 2011 haben Sie mit dem FC Kopenhagen da gespielt.
WENDT Stimmt, 0:0 und 0:2 gegen den FC Chelsea. Die Champions League ist immer etwas Besonderes, egal wann. Darum wollen wir so lange wie möglich dabei sein, dafür werden wir in den nächsten drei Spielen alles tun. Wir haben bis jetzt gezeigt, dass wir dazu gehören und auf dem Niveau mitspielen können. Unsere Leistungen waren top, wir wollen das noch dreimal abrufen und dann weiterkommen. Es sind drei Endspiele, weil die Gruppe so eng ist. Ich denke, die Entscheidung wird erst am letzten Spieltag fallen, für uns also in Madrid. Aber nochmal: Jetzt ist Augsburg und Bundesliga, das ist unser tägliches Brot. Ab Sonntag denken wir an die Champions League.
INTERVIEW: KARSTEN KELLERMANN