Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der stille Weg zum Weihnachtsfest
Stephan Dedring hat sich mit den geschichtlichen Darstellungen der drei Weisen aus dem Morgenland in Kunstwerken beschäftigt. Seine Essays sind in einem kleinen Band im Kühlen-Verlag erschienen. Mit den Bildmeditationen will der Rheydter Pfarrer auf die W
MÖNCHENGLADBACH Es ist kein opulenter Kunstband mit Hardcover, eher ein Büchlein, aber vor allem ist es eine Einladung. „Ich hoffe, dass die Menschen sich mitnehmen lassen und den Weisen aus dem Morgenland zur Krippe zu folgen“, sagt Stephan Dedring, Pfarrer der evangelischen Hauptkirche in Rheydt. Kurz vor Beginn der Adventszeit ist das Büchlein im Kühlen-Verlag erschienen. Über die Betrachtung dreier ausgewählter Kunstwerke soll es den Lesern und Betrachtern die Weihnachtsgeschichte näher bringen.
Ein stiller Weg zum Heiligen Abend sind diese Bildmeditationen, die in einer Reihe von Gottesdiensten in der Hauptkirche entstanden sind. Der Fokus liegt dabei nicht auf dem Jesuskind, nicht auf Maria und Josef, sondern auf den mysteriösen Fremden, die erst später in der Geschichtsschreibung zu Königen wurden, über deren Herkunft, Anzahl und Hautfarbe bis heute gemutmaßt wird.
Drei sehr alte und sehr unterschiedliche Darstellungen hat sich Dedring dafür ausgesucht: Da ist das farbenfrohe Mosaik der Magier aus der Kirche Sant’ Apolllinare Nuovo in Ravenna (Italien) aus dem sechsten Jahrhundert. Da ist der dezente, in Stein gehauene „Traum der Könige“aus dem zwölften Jahrhundert in der Kathedrale von Autun (Frankreich). Und da ist die „Anbetung der Heiligen drei Könige“von Hans Holbein, entstanden um 1520 als Altarbild.
Dedring ordnet die Werke nicht nur kunsthistorisch ein, er geht ins Detail, erklärt, interpretiert, deutet, schafft Zusammenhänge, zieht Schlussfolgerungen und stellt Fragen. In diesem genauen Hinschauen erzählen die Kunstwerke Geschichten, die weit über das Übliche dessen hinaus gehen, was man mit den drei Weisen aus dem Morgenland bislang verbindet.
Die Magier aus Sant’ Apollinare zum Beispiel sind flott unterwegs. Wie die Hirten scheinen sie zur Krippe
zu eilen. Könige sind es nicht, sie tragen keine Kronen. Zu Königen werden sie erst im Mittelalter. Es sind Männer aus dem Osten, das leitet Pfarrer Stephan Dedring daraus ab, da sie Hosen tragen. Wohlhabend sind sie zudem, weil ihre Kleidung edel und verziert aussieht und sie kostbare Geschenke mit sich führen. Es sind Fremde, Andersgläubige, die dem Stern Bethlehems folgen und jemanden oder etwas suchen.
Eine ganz andere Geschichte erzählt die auf den ersten Blick unscheinbare Sandstein-Arbeit auf der Säule der Kathedrale von Autun. Sie zeigt die drei Könige schlafend, die Häupter mit den Kronen auf ein Kissen gebettet, mit leicht verrutschter Decke. Die Weisen aus dem Morgenland sind auf der Sandstein-Arbeit bereits zu Königen geworden. Man stellt sich die Fragen: Machen sie Rast auf einer langen Reise? Warum hat einer der Könige die Augen geöffnet? Und was will der Engel dem König bedeuten, wenn er ihn vorsichtig an der Hand berührt?
Je länger man das Relief auf dem Kapitell, dem Abschluss der Säule, betrachtet, desto mehr Fragen wirft es auf, und der Mönchengladbacher Theologe Dedring zeigt die Deutungen auf: Hat der Bildhauer auf dem Kapitell die Szene vor dem Aufbruch der Könige nach Bethlehem eingefangen. Oder das Ende nach der langen Reise?
Das Altarbild von Hans Holbein wiederum zeigt die drei Könige an der Krippe, wie sie dem Christuskind die Geschenke darbringen. Eine vertraute Szene, die man so oder anders schon oft gesehen hat und die erst im Detail überrascht.
Den Griff des Jesuskindes nach dem Gold könne man als kindliche Neugier deuten, oder auch als kritische Randnotiz, die die Geldgier der Kirchenmänner und den Zeitgeist der Reformation einfange, erklärt Dedring.
Auch der Gesichtsausdruck des Königs mit der dunklen Hautfarbe ist augenfällig. Spiegelt sich doch darin offenbar die Verwunderung wider, dass der verheißene neugeborene Köning in einer Ruine geboren ist.
Und in noch einem Punkt überrascht Holbeins Darstellung: Jesus ist hier nicht in einem Stall geboren, sondern seine Krippe befindet sich auf einer Straße mit heruntergekommenen Häusern. Dedring erklärt dazu: “Holbein folgt hier einer Legende, die im 15. Jahrhundert sehr populäre geworden war: dass nämlich Jesus in der Ruine des Palastes von König David geboren wurde.“Damit werde das Alte mit dem Neuen Testament verknüpft und und auf die jüdische Tradition des Christentums angespielt.
Es macht Spaß in diesen Bildern auf Entdeckungsreise zu gehen.
Info Stephan Dedring: „Auf dem Weg zur Krippe“. Kühlen-Verlag, 16 Seiten, Softcover, 9,80 Euro, ISBN 978-387448-530-2