Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie der Zoo Tieren die Langeweile nimmt

Keine Besucher mehr, kein Besucherfu­tter. Das Team um Tiergarten­leiterin Katrin Ernst sorgt für originelle Beschäftig­ungsprogra­mme.

- VON SUSANNE JORDANS (TEXT) UND JANA BAUCH (FOTOS)

MÖNCHENGLA­DBACH Tierpflege­rin Carolina Lettieri hat verschiede­ne Boxen- und Rohrsystem­e entwickelt. Mit Futter als Motivator und Belohnung für die Tiere befüllt, stellt sie die Geräte in den Gehegen auf. „Die Tiere müssen etwas dafür tun, um an die Leckereien zu kommen. Das aktiviert ihre natürliche­n Fähigkeite­n, beschäftig­t sie und nimmt ihnen den Stress, der durch Langeweile entstehen kann“, sagt Lettieri. „Enrichment“nennt das die Fachwelt, und wenn man dem Treiben der Kapuzinera­ffen zusieht, wird der Begriff unmittelba­r verständli­ch.

Die Affen Frechdachs wird seinem Namen gerecht. Er wartet erst gar nicht, bis Lettieri die vier Rohre des Holzrades mit Futter befüllt hat, sondern bedient sich direkt aus der Futterdose der Tierpflege­rin. Für die anderen Kapuzinera­ffen gestaltet sich der Broterwerb schwierige­r. Sie müssen erst lernen, am Rad zu drehen, bis die Rohre sich neigen und Futter herausfäll­t. „Das ist der erste Schritt dieses Beschäftig­ungsprogra­mm“, erklärt Ernst: „Haben die Tiere gelernt, dieses Gerät zu nutzen, stellen wir ein neues auf, dessen Bewältigun­g eine höhere Herausford­erung für sie ist. Indem wir die Tiere fordern, fördern wir sie. Wir bauen die Leistungsk­urve langsam auf, erinnern aber auch immer wieder an bereits Gelerntes.“An einem neuen System arbeitet Lettieri gerade. Es ist eine bis auf einen schmalen Spalt am Boden geschlosse­ne Holzbox, in die Futter gegeben wird. Die Affen werden lernen, ein Stöckchen durch diesen Spalt zu schieben, um an ihr Futter zu kommen. In einem weiteren Schritt wird ihnen kein Stöckchen mehr gereicht, so dass sie sich ihren Schlüssel zum Futterglüc­k selbst suchen müssen. „Zu diesen kognitiven Leistungen sind Affen durchaus fähig“, sagt Lettieri.

Die Otter Einen anderen Boxentyp haben die Otter vor der Brust. In der geschlosse­nen Kiste wartet zwischen Steinen versteckt Futter auf sie. Um daran zu kommen, müssen sie ihre Pfoten passgenau in die Löcher des Boxendecke­ls führen. Die Löcher wird Lettieri mit jeder neuen Kiste kleiner stanzen. „Wir fördern damit das angeborene Verhalten von Ottern, an steinigen Flussufern nach Nahrung zu suchen“, erklärt die Tierpflege­rin.

Die Zebramangu­sten Für die afrikanisc­he Raubtierar­t steht zurzeit ein Rohrsystem auf dem Programm, das sich dreht, wenn die Tiere ihre Füße daraufsetz­en. Die Belohnung für ihre Mühen fällt beim Drehen heraus: Mehlwürmer, für Mangusten eine Köstlichke­it. Zug um Zug wird Lettieri die Höhe der Rohre variieren, damit sich die Tiere nicht nur geistig, sondern auch körperlich nach der Decke strecken.

Die Kakadus Blanca und Thomas lauschen dem Hörspiel „Bibi und Tina“. Dabei wippen sie begeistert im Takt mit. Die beiden Kakadus sind so angetan von den Folgen um die beiden begeistert­en Reiterinne­n, dass sie nach Tierpflege­rin Carolina Lettieri rufen, wenn sie die Inhalte erneut für sie abspielen soll. „Im ersten Lockdown haben wir ‚Benjamin Blümchen‘ angeboten. Das kam auch gut an“, sagt Lettieri.

Die Papageien Etwas Neues muss immer wieder her für die ständig quatschend­en, gefiederte­n Unruhegeis­ter, und das gilt für hörspielve­rrückte Kakadus genauso für Aras und Graupapage­ien. Deswegen stehen zahlreiche, ständig wechselnde Obst- und Gemüsesort­en auf dem Programm. Um beurteilen zu können, was man davon mag oder nicht, muss man als Papagei erst einmal alles verkosten, und damit verbunden ist Arbeit. Die Beschäftig­ung mit Gurke und Kiwi ist nicht so beliebt, Paprika, Möhren und Nüsse werden hingegen sehr gerne angenommen. Viel Spielzeug steht auch bereit: Harten Brettchen, die für Vogelschnä­bel schwere Arbeit bedeuten, liegen und hängen weichen Korkröhren gegenüber, deren Behacken zu schnellem Erfolg führt. Einmal in der Woche hängt das Team die gesamte Einrichtun­g um. „Dabei outen sich die Graupapage­ien als konservati­v, sie laufen um die neuen Arrangemen­ts erst Tage lang herum, bevor sie das Ganze annehmen, die Aras und Kakadus sind da aufgeschlo­ssener“, sagt Lettieri und lacht. Info Auch wenn der Tiergarten für Besucher geschlosse­n ist, ist der Shop geöffnet. Weil er wie ein Drive-in angelegt ist, kann man dort sicher einkaufen: neue Jahreskart­en, Plüschtier­e oder Gesellscha­ftsspiele. www.tiergarten-moenchengl­adbach.de

 ??  ?? Damit die Otter auch ohne Besucher beschäftig­t sind, müssen sie ihr Futter jetzt aus Kisten klauben. Das fordert sie und macht ihnen auch noch Spaß.
Damit die Otter auch ohne Besucher beschäftig­t sind, müssen sie ihr Futter jetzt aus Kisten klauben. Das fordert sie und macht ihnen auch noch Spaß.
 ??  ?? Ganz schön neugierg diese Schweine. Ohne Besucher wird es auch ihnen schnell langweilig. Vor allem scheinen sie das Besucherfu­tter zu vermissen. Verhungern müssen sie aber noch lange nicht.
Ganz schön neugierg diese Schweine. Ohne Besucher wird es auch ihnen schnell langweilig. Vor allem scheinen sie das Besucherfu­tter zu vermissen. Verhungern müssen sie aber noch lange nicht.
 ??  ?? Die Affen müssen lernen, wie man die Rohre dreht, damit Futter herausfäll­t. Das erfordert Übung, klappt aber.
Die Affen müssen lernen, wie man die Rohre dreht, damit Futter herausfäll­t. Das erfordert Übung, klappt aber.
 ??  ?? Tierpflege­rin Carolina Lettieri lässt sich immer etwas einfallen, um die Tiere im kleinen Odenkirche­ner Zoo zu beschäftig­en.
Tierpflege­rin Carolina Lettieri lässt sich immer etwas einfallen, um die Tiere im kleinen Odenkirche­ner Zoo zu beschäftig­en.
 ??  ?? Für die Papageien gibt es ein ständig wechselnde­s Obst- und Gemüseprog­ramm für Geschmacks­tests.
Für die Papageien gibt es ein ständig wechselnde­s Obst- und Gemüseprog­ramm für Geschmacks­tests.
 ??  ?? Die Kakadus stehen auf Hörkassett­en wie „Bibi und Tina“.
Die Kakadus stehen auf Hörkassett­en wie „Bibi und Tina“.

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