Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Teddy-Offensive
Stofftiere sind in dieser Zeit der Kontaktverbote sehr begehrt. Aber nicht nur Kinder, auch immer mehr Erwachsene nutzen sie als Kuschelobjekt. Die Hersteller haben sich auf die Bedürfnisse eingestellt.
DÜSSELDORF Ein lebendiger Teddy namens „Ted“ist im gleichnamigen US-Film der beste Freund eines Jungen – eines 27-jährigen Jungen allerdings. Was bizarr klingt, weil es als Grundlage für eine derbe Komödie funktionieren muss, besitzt einen wahren Kern. Sind Stofftiere doch nicht mehr nur flauschiger Elternersatz für Kleinkinder. Bereits seit Längerem haben sich die Hersteller von Plüschtieren darauf verlegt, auch die Kuschelbedürfnisse von Erwachsenen zu stillen. Denn immer mehr Menschen wollen auf einen knuddeligen Seelentröster wie in Kindertagen nicht mehr verzichten. Gerade in einsamen Lockdown-Zeiten erweist sich der wollig-warme Knuffelbär aus der Spielzeugkiste als zuverlässiger Begleiter. Der Absatz der Stofftiere ist zuletzt auf jeden Fall gestiegen.
Bei einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung unter 1100 Deutschen stellte sich heraus, dass immerhin 19 Prozent der Frauen und elf Prozent der Männer bei einer Reise ein Stofftier mitnehmen. Rund 41 Prozent gaben an, ein plüschiger Begleiter bringe ihnen Glück, 14 Prozent brauchten ihn zum Einschlafen, 13 Prozent fühlten sich mit einem Teddy an ihrer Seite nicht so allein. Offen vor Freunden zugeben, dass vielleicht sogar noch das leicht ramponierte Kuscheltier aus der Kindheit einen festen Platz im eigenen Leben hat, will allerdings kaum jemand. Dabei kann es durchaus hilfreich sein, auch mit seinem Teddy zu kuscheln, sagen Psychologen.
Denn Kuscheln hält gesund. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass dabei das Bindungshormon Oxytocin freigesetzt wird, das Angst und Aggression verhindert, für körperliches Wohlbefinden sorgt und Vertrauen in andere fördert. Das Immunsystem wird gestärkt, Entzündungen gehen zurück, es werden Botenstoffe wie das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet, und der Spiegel des Stresshormons Cortisol sinkt. Zwar gilt dies vor allem für menschliche Nähe, aber ähnliche Effekte wurden in immunologischen Studien auch bei Kindern und Jugendlichen beobachtet, die mit ihrem Stofftier kuschelten. Gerade in emotional schwierigen Zeiten vermag der Teddy daher auch Erwachsenen eine gelegentliche Stütze sein. Bei Demenzkranken in Altersheimen lässt sich gar über ein Stofftier wieder ein Zugang finden.
Große Hersteller wie Steiff, Steiner oder Sigikid reagieren auf die veränderte Nachfrage. So bietet Steiner eine spezielle, handgenähte Plüschtier-Linie für Erwachsene an, besondere Exemplare sind mit Swarovski-Kristallen veredelt. Sigikid hat ebenfalls eine Kollektion für in die Jahre gekommene Teddy-Freunde entwickelt, sie firmiert unter dem wenig kuscheligen Namen „Beaststown“. Aber natürlich geht es bei Älteren nicht nur um hübsches Spielzeug, sondern auch um knallharte Wertanlagen. Steiff bedient dieses Segment mit Repliken historischer Teddys, die bis rund 2000 Euro kosten können. Selbstverständlich sind wie bei allen begehrten Sammlerobjekten auch preisliche Ausreißer nach oben möglich:
Bei einer Auktion in Monaco erzielte ein von Louis Vuitton eingekleideter Teddy stolze 250.000 Euro.
Bei Erwachsenen funktioniert das Stofftier, wenn der Preis stimmt, also auch als Statussymbol. In den meisten Fällen geht es aber darum, dem Gefühl der Geborgenheit aus Kindertagen nachzuhängen. Deshalb spielt es keine Rolle, wenn das Fell des Lieblingsteddys abgewetzt ist und die Gliedmaßen nur noch an ein paar dünnen Fäden hängen – Hauptsache, das gute Stück fühlt sich so an wie damals. Psychologen bezeichnen das so lange nicht als psychische Störung, wie die seelische Balance gewahrt bleibt. Wird das Stofftier zum Beziehungsersatz, entsteht ein Leidensdruck, muss der Sache möglicherweise auf den Grund gegangen werden. Ab und zu seinen geliebten Plüsch-Hasen mit ins Bett zu nehmen, weil man besser einschlafen kann, ist eher unverdächtig. Die Grenzen sind freilich fließend.
Bei Kindern spricht die Psychologie von sogenannten Übergangsobjekten, wenn es um Stofftiere geht. Sie helfen den Heranwachsenden dabei, sich von den Eltern abzunabeln, also auch in schwierigen Momenten gefühlstechnisch auf eigenen Beinen zu stehen. Es sind emotional aufgeladene Gegenstände, die Halt bieten und beruhigen, wenn Mutter oder Vater nicht greifbar sind – und irgendwann nicht mehr benötigt werden. Bei manch einem älteren Semester ist aus dem Übergangs- eben ein Dauerobjekt geworden. Bei anderen wird es vielleicht reaktiviert: Schließlich ist die Pandemie auch so etwas wie eine Übergangszeit, in der ein Teddy an der Seite durchaus zu trösten versteht. Und nach der Krise heißt es für die Fellkameraden: zurück in die Kiste.