Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Bayer schließt Impfstoffbündnis mit Curevac
Der Konzern soll den Tübingern bei der Zulassung und der Vermarktung helfen. Spekuliert wird über eine Produktion in Wuppertal.
LEVERKUSEN/TÜBINGEN Die vergangenen Jahre sind für Bayer-Aktionäre nicht gerade eine Zeit der überschäumenden Freude gewesen: Die Übernahme des amerikanischen Saatgutherstellers Monsanto, die danach eingereichten Klagen wegen des glyphosathaltigen Unkrautvernichters „Roundup“und die daraus entstandenen drohenden Milliardenlasten haben den Börsenwert des Unternehmens gewaltig sinken lassen. Im vergangenen Jahr war das Papier des Leverkusener Konzerns im Deutschen Aktienindex sogar das mit der schlechtesten Performance. Doch seit dem Tiefpunkt Ende Oktober hat sich die Aktie erholt. Am Donnerstag machte sie noch einmal – zumindest vorübergehend – einen Sprung um etwa drei Prozent.
Der Grund: Bayer und das Tübinger Unternehmen Curevac verbünden sich im Kampf gegen das Coronavirus. Die Unternehmen hätten einen Kooperations- und Servicevertrag
geschlossen, in dessen Rahmen Bayer Curevac „bei der weiteren Entwicklung und Bereitstellung des Covid-19-Impfstoffkandidaten CVnCoV sowie bei lokalen Aktivitäten in ausgewählten Ländern unterstützen“werde, teilte Bayer mit. Namentlich geht es um alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie um Teile Großbritanniens, um Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz.
Mit der Produktion des Impfstoffs hat Bayer dagegen nichts zu tun – jedenfalls noch nicht. Allerdings ist eine Herstellung in einem BayerWerk auch nicht auf ewig ausgeschlossen. Ein US-Werk gilt als möglicher Kandidat, aber auch über eine Herstellung von Teilen des Impfstoffs in Wuppertal wird spekuliert. Das Werk hat Bayer zwar Ende 2020 an das chinesische Biotech-Unternehmens Wuxi verkauft, aber das will den Standort selbst auch für Impfstoffe nutzen.
Nachrichten, die auf eine schnelle Bereitstellung von zusätzlichem
Impfstoff hindeuten, kommen jedenfalls gut an, auch an den Finanzmärkten. Seitens der Allianz Bayer/ Curevac ist von mehreren Hundert Millionen Dosen des Impfstoffs CVnCoV die Rede. Bei den Tübingern läuft seit Anfang Dezember die klinische Phase-III-Studie, die für die Zulassung entscheidend ist. Erste Ergebnisse sollen Mitte bis Ende März vorliegen. Curevacs Impfstoff ist ein mRNA-Impfstoff, bei dem Botenstoffe des Coronavirus injiziert werden und der als ähnlich vielversprechend gilt wie die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna, die bereits eine Zulassung für den europäischen Markt haben.
Bei Curevac hat sich die EU-Kommission schon rund 400 Millionen Dosen gesichert. Der zu erwartende Zeitpunkt der Zulassung ist allerdings offen. Das Verfahren könnte mit Bayers Hilfe womöglich beschleunigt werden – was auch im Interesse des Bundes wäre, der seit dem Sommer 2020 knapp ein Viertel der Anteile an Curevac hält. Der
Aktienkurs des Unternehmens stieg am Donnerstag zwischenzeitlich um fast 16 Prozent. Entsprechend dürfte im politischen Berlin Zufriedenheit in doppelter Hinsicht geherrscht haben – einerseits, weil ein wenig Entspannung in die Diskussion um neuen Impfstoff kommen könnte; zweitens, weil sich damit der rechnerische Wert des Bundesanteils an Curevac binnen eines Tages um ein Sechstel erhöht hat. Der Börsenwert des Unternehmens kletterte auf rund 12,5 Milliarden Euro. Dass die Bayer-Aktie dagegen im Tagesverlauf einen Teil ihrer ohnehin deutlich kleineren Gewinne wieder abgeben musste und am Nachmittag nur noch gut zwei Prozent im Plus lag, gilt Börsenbeobachtern als Indiz dafür, dass die Allianz für Curevac von deutlich größerer Bedeutung ist.
Bayer soll Curevac sowohl bei der Studie als auch bei den Arbeiten für den Genehmigungsantrag unterstützen. „Wir freuen uns, Curevac bei der Weiterentwicklung
und Bereitstellung seines Covid-19-Impfstoffkandidaten maßgeblich unterstützen zu können“, sagte Bayer-Vorstand Stefan Oelrich: „Wir stellen unsere Fähigkeiten und Netzwerke zur Verfügung, um dazu beizutragen, diese Pandemie zu beenden“.
Curevac-Chef Franz-Werner Haas erklärte: „Mit seiner Expertise und Infrastruktur kann uns Bayer helfen, unseren Impfstoffkandidaten CVnCoV noch schneller für möglichst viele Menschen verfügbar zu machen.“Beim weltweiten Vertrieb könnte Bayers internationales Netzwerk hilfreich sein, vor allem auf dem US-amerikanischen Markt, wo Konkurrenten wie Biontech/Pfizer den Tübingern gegenwärtig deutlich voraus sind.
Außerhalb Europas könnte Bayer in einigen Ländern den Impfstoff womöglich auch unter eigenem Namen vermarkten, während diese Rechte unter anderem in der EU bei Curevac selbst als dem Impfstoffproduzentem liegen sollen.