Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Wir müssen das Bierzelt neu denken“
Der CSU-Generalsekretär spricht über die Herausforderungen im Super-Wahljahr 2021.
Markus Söder ist heute digitaler Ehrengast bei NRW-Landeschef Armin Laschet. Wahlkampfhilfe im Rennen um den CDU-Vorsitz?
BLUME Es ist Ausdruck des guten Miteinanders zwischen CDU und CSU. Unsere Lehren aus der Vergangenheit sind gezogen. Wir haben als Union bei der Bundestagswahl sehr viel vor – und wissen, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sind.
Die CSU will also bundesweit mehr Verantwortung übernehmen?
BLUME Es zeigt schlicht, was die CSU seit 75 Jahren ist: eine bayerische Partei, die immer um ihr bundespolitisches Gewicht wusste. Bei den großen Weichenstellungen der Republik waren wir stets gestanden, gemeinsam mit der CDU. Es ist kein Zufall, dass die Menschen in der Zeit des Wiederaufbaus, der Wiedervereinigung und nun auch des Wiedererstarkens nach der Pandemie auf die Union vertrauen.
Das Verhältnis zur CDU-Kanzlerin war nicht immer so staatstragend…
BLUME Es ist ein besonderes Kapitel, das wir zum Ende aufgeschlagen haben. In dieser Beziehung haben beide Seiten alles erlebt, und ich finde es schön, dass wir versöhnlich, würdig, ja fast freundschaftlich und in jedem Fall maximal anerkennend enden. Allerdings weht noch kein Abschiedsschmerz – dafür steht gerade zu viel an.
Wie sieht der Zeitplan der CSU für das Wahljahr aus?
BLUME Als Union spielen wir bei der Bundestagswahl nicht wie die SPD auf Platz, sondern auf Sieg. Deswegen ist im Moment politische Klugheit gefragt. Die CDU wird zunächst ihren Vorsitzenden wählen. Dann haben wir alle Zeit, gemeinschaftlich unseren Kanzlerkandidaten zu bestimmen. Es wird der sein, mit dem man bei der Bundestagswahl die besten Erfolgsaussichten hat, der zu den Erfordernissen der Zeit passt und die beiden Parteien mitreißt. Wir werden das ohne jede Eile im Verlauf des Frühjahrs angehen.
Funktioniert digitaler Wahlkampf?
BLUME Wir müssen das Bierzelt in Corona-Zeiten neu denken. Das machen wir virtuell. Es ist ein Trugschluss zu glauben, nur weil im Wirtshaus die Stimmung gut ist, ist die Wahl schon sicher. Wir haben mit vielen digitalen Formaten erfolgreich Neuland in der Parteienlandschaft beschritten und erzielen größere Reichweiten als in der Vergangenheit. Dennoch wird digital analog nie ganz ersetzen.
Ein Unions-Kanzlerkandidat ohne Regierungserfahrung. Denkbar?
BLUME Bei der Bundestagswahl wird es anders als sonst auch um eine Bilanz gehen. Die Menschen haben in der Pandemie gemerkt, dass es eben doch einen Unterschied macht, wer regiert. Es wird um die Frage gehen: Wem vertraue ich in der Krise eines solchen Ausmaßes? Deswegen ist es kein Zufall, dass die Union so etwas wie einen neuen Vertrauenssockel gewonnen hat.
Sind die SPD-Attacken auf Bundesgesundheitsminister Spahn angemessen?
BLUME Wer mitten in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg von Corona-Kampf auf Wahlkampf umschaltet, der muss sich fragen lassen, ob er das Format für größere Aufgaben hat. Statt Impfopposition
brauchen wir ein Impfbündnis. Sich bei der Verteilung des knappen Impfstoffs als Regierungsteil in Opposition zu üben, kann wohl nur verstehen, wer schon lange in der SPD und Kummer gewohnt ist. Die SPD versucht sich gedanklich schon auf die Oppositionsarbeit vorzubereiten, das tut dem Land nicht gut. Nach wie vor gibt Corona den Takt an. Falsche Debatten sind da nicht hilfreich. Wir konzentrieren uns auf das Regieren, das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig.
Was könnte besser laufen?
BLUME Mir macht vor allem Sorge, dass die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz von einzelnen Ländern wieder nur halbherzig umgesetzt werden. Die einen machen die Schulen wieder auf, die nächsten wie Berlin setzen die Kontaktbeschränkungen nur teilweise um. Wieder andere wollen den touristischen Tagesverkehr mit der 15-Kilometer-Regel nicht stärker einschränken. Corona nutzt jede Schwäche aus. Wer jetzt halbe Sachen macht, riskiert entweder die dritte Welle oder einen Dauerlockdown. Beides können und dürfen wir uns nicht leisten.