Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Holpringer Start-mehr Impfdosen in Sicht
Seit zwei Wochen werden Menschen in NRW-Pflegeheimen geimpft. Das lief nicht immer reibungslos ab. Kommende Woche übernehmen die Kommunen die Zuständigkeiten.
DÜSSELDORF
Nach anfänglichen Klagen mehrerer Kommunen über den holprigen Start des Impfens scheint sich der Ablauf einzuspielen. Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV ) Nordrhein erklärte, der Impfstart sei in Summe gut gelaufen. Im zuständigen Bereich würden bis zu diesem Wochenende 70.319 Impfdosen in rund 530 Einrichtungen verabreicht. Insgesamt stehen der Region 75.000 Impfdosen zur Verfügung. „Noch nicht genutzte Ressourcen bleiben im Lager des Landes und werden später verwendet, wenn die entsprechenden Termine in den Einrichtungen fixiert sind“, so der Sprecher. Die Impfungen liefen nicht überall synchron ab, das Tempo sei aus verschiedenen, teils organisatorischen Gründen nicht allerorts gleich hoch. „Aber: Keine Impfdosis geht verloren – weder für die Alten- und Pflegeeinrichtungen noch für die Kommunen.“
Vor allem die wechselnden Zuständigkeiten bei der mobilen Impfung hatten kurz vor dem Start für Verwirrung gesorgt. „Das Land hat erst die Kommunen für zuständig erklärt und dann kurz vor Weihnachten überraschend die KVen. Ab kommender Woche sind wieder die Gesundheitsämter zuständig“, erklärt Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. „Dieses ,Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln und wieder raus’ muss aufhören.“
Auch Pit Clausen, Vorsitzender des Städtetages NRW, hofft, dass die nun wieder auf die Kommunen übergehende Verantwortung für einen reibungsloseren Ablauf sorgen wird: „Wir glauben, dass es für den Erfolg der Impfstrategie wichtig ist, zwischen den Verantwortlichen der kommunalen Impfzentren und ihren Partnern bei den kassenärztlichen Vereinigungen eine optimale Zusammenarbeit zu organisieren. Aus unserer Sicht wird das erleichtert, wenn die Kommunen die koordinierende Rolle übertragen bekommen“, so Clausen. Damit ließen sich für die Pflegeheime Abstimmungsprozesse verbessern und Unzufriedenheiten reduzieren.
Wo es Abstimmungsbedarf gibt, schildert SPD-Politiker Neumann: Viele Heime seien nicht vorbereitet gewesen. „Der Minister hat bei seiner schwammigen Ankündigung, dass erst mal die Einrichtungen mit möglichst vielen Demenzerkrankten drankommen sollten, unterschätzt, dass viele Betreuer zwischen den Feiertagen nur schlecht erreichbar waren.“Als die Hausärzte dann in die Heime kamen, um die Bewohner zu impfen, hätten oft die Einverständniserklärungen gefehlt.
Am Freitag meldeten mehrere Länder, dass die zweite Lieferung des Biontech-Impfstoffes eingetroffen sei. Das Land NRW bestätigte am Nachmittag den Eingang von 175.500 Impfdosen. Durch die Entscheidung der Arzneimittelbehörde Ema, aus einer Ampulle sechs statt wie bislang fünf Dosen zuzulassen, war die Zahl der Dosen um knapp 30.000 gestiegen.
Mit Blick auf die nun angelieferten Impfdosen forderte Neumann den Aufbau mobiler Teams. „Zwischenzeitlich haben sich rund 20.000 Personen im Freiwilligenregister des Landes eintragen lassen.“Das Land müsse dafür sorgen, dass dieses große Potenzial auch für das Impfen, insbesondere das mobile Impfen, eingesetzt werde.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rechnet damit, dass die nächste Bevölkerungsgruppe frühestens im März oder April geimpft wird. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich unterdessen hoffnungsfroh angesichts jüngster Entwicklungen bei der Corona-Massenimpfung in Deutschland und der EU. „Das ist ein guter Tag im Kampf gegen die Pandemie“, sagte Spahn.
Neben der Ema-Entscheidung, mehrere Dosen aus einer Ampulle
zuzulassen, gab es weitere hoffnungsvoll stimmende Zeichen: Der zweite zugelassene Impfstoff des US-Herstellers Moderna kommt ab Dienstag bei den Bundesländern an. EU-weit gibt es zudem eine neue Vereinbarung über bis zu weitere 300 Millionen Dosen Corona-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer. Die Ema erwartet den Antrag des Hersteller Astrazeneca auf eine bedingte Marktzulassung in der EU. Lauterbach warnte davor, eine Auswahl des Impfstoffs zu ermöglichen. „Wenn nun mehr Impfstoffe verfügbar werden, ist es schlicht nicht organisierbar, dass die Menschen zwischen den Impfstoffen wählen können“, sagte er.
Kritik entzündet sich derweil daran, dass die verimpfenden Hausärzte
noch nicht geimpft sind. „Priorisierung hin oder her, die Mitarbeiter in den Hausarztpraxen müssen jetzt umgehend geimpft werden“, fordert der Hausärzteverband Nordrhein. Es sei verständlich, dass Vertreter aller Wirtschaftsbranchen nach dem Impfstoff riefen, unverständlich sei aber, dass sich niemand für den Schutz derjenigen einsetze, die die Impfungen vornehmen.