Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Gladbachs neues Überraschungspotenzial
Am 4-2-3-1 führte monatelang kein Weg vorbei. Gegen Bayern durfte Borussia mal wieder ihre Flexiblität zeigen.
Florian Neuhaus und Christoph Kramer sehen sich ziemlich häufig. Sie sind gute Freunde, bilden gerne eine Fahrgemeinschaft und vor allem stehen sie andauernd zusammen auf dem Rasen. Beim 3:2 gegen den FC Bayern griff Trainer Marco Rose allerdings zu einer für diesjährige Verhältnisse fundamentalen Änderung: Denis Zakaria lief von Beginn an gemeinsam mit Neuhaus und Kramer im Mittelfeld auf.
„Flügelzehner“taufte ihn der Trainer. „Mit Ball haben wir fast schon ein bisschen Raute gespielt“, erklärte Rose. „Bei Ballverlusten war es uns wichtig, dass Zak die beiden Sechser mit unterstützen kann, falls
Hoffi den Weg nicht schnell genug schafft in seine Position.“Hoffi alias Jonas Hofmann sollte „seine guten tiefen Läufe“einbringen, Lars Stindl „mit seinen Qualitäten mehr von der Zehn weg spielen“.
Nachdem das 4-2-3-1 in 20 von 22 Pflichtspielen zuvor als Grundordnung angesagt gewesen war, startete Borussia gegen die Bayern beinahe revolutionär. Gegen übermäßiges Lob für seine Ideen wehrte sich Rose im Nachgang. Er wusste schließlich selbst: Hätte Borussia ein Tor weniger erzielt oder Bayern in der Schlussphase noch den Ausgleich, wäre das Feedback verhaltener ausgefallen, da ist der Ergebnissport Fußball gnadenlos.
Bemerkenswert war es trotzdem, wie sich die Gladbacher gegen Bayern formierten. Als „sehr flexibel“hatte Rose seine Mannschaft im Interview mit unserer Redaktion vor dem Bundesligastart bezeichnet und sofort betont: „Aber wir dürfen auch nicht übertreiben.“Am ersten Spieltag gegen Borussia Dortmund übertrieb er nicht, setzte aber auf eine Grundordnung, die seitdem nur noch einmal in leicht abgewandelter Form zum Einsatz kam: ein 3-4-3. Ramy Bensebaini gab den linken Innenverteidiger, Oscar Wendt agierte davor als Flügelverteidiger. Seitdem standen beide nicht mehr gemeinsam in der Startelf.
Am 24. Oktober begann Gladbach noch einmal mit einer Dreierkette, die beim FSV Mainz aus Tony
Jantschke, Nico Elvedi und Matthias Ginter bestand. In Rückstand baute Rose in der zweiten Hälfte um, mit Viererkette und viel Wucht drehte Borussia das Spiel noch. „Es hat mit vielen Dingen zu tun: mit der Herangehensweise, mit dem Personal, mit dem Gegner, mit der Taktik“, sagte Rose zuletzt, als er auf die Seltenheit der Dreierkette angesprochen wurde. Vergangene Saison war sie seine Topspiel-Grundordnung, nahezu in Perfektion ausgeführt in der ersten Hälfte beim 2:2 bei RB Leipzig, nach der Gladbach 2:0 führte.
Kurz darauf fiel Zakaria, der bärenstarke Mittelmann der Leipziger Dreierkette, für acht Monate aus. Der Schweizer ist der Anker des Projekts, alle andere Kombinationen
als Elvedi-Zakaria-Ginter sind zweite Wahl. „Natürlich ist die Dreierkette immer ein Thema“, beteuert Rose. Neben Zakaria fehlte ihm in der ersten Saisonhälfte auch die Zeit, um im Training an dieser Variante zu feilen. Das könnte sich nun ändern, wenn nicht mehr jede, sondern nur noch jede zweite Woche eine englische ist.
Roses Favorit bleibt jedoch die Viererkette. „Mit Viererkette haben wir grundsätzlich einen offensiveren Spieler mehr auf dem Feld. Und unsere Ausrichtung ist offensiv“, sagte er. Alles andere als vier Mann hinten wäre am Samstag beim VfB Stuttgart eine Überraschung. Doch das Potenzial für Überraschungen sollte nicht unterschätzt werden.
HANNAH GOBRECHT