Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Kneipen kämpfen um das Überleben
Die finanziellen Reserven vieler Wirte sind wegen den Corona-Schutzmaßnahmen aufgebraucht.
ERKELENZ (cpas) Viele von ihnen gibt es ohnehin nicht mehr, und die meisten werden nur noch des Herzbluts ihrer Inhaber wegen betrieben: Die Corona-Pandemie droht, auch die letzten Kneipen zu verschlingen, die im Erkelenzer Land noch übriggeblieben sind. „Einen Monat könnte ich mit der aktuellen Finanzlage noch durchhalten. Danach wird es eng“, sagt Udo Esser, der seit 35 Jahren das „Zum Treppchen“am Erkelenzer Franziskanerplatz betreibt.
Die klassischen Kneipen sind, auch ohne Lockdown, durch die Schutzauflagen noch einmal deutlich mehr gebeutelt als Restaurants und Bars. „Wie soll das mit Abstandsregeln funktionieren?“, fragt Wolfgang Wahl, Chef des Heinsberger Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. „Da können Sie vielleicht drei Leute an den Tresen setzen, das war’s. Das lohnt sich einfach nicht.“Bislang gebe es zwar in der Region noch keine Corona-bedingten
dauerhaften Schließungen, Wahl befürchtet aber, dass sich das bald ändern wird: „Auch wenn es jetzt vielleicht noch nicht sichtbar ist: Das ist gerade für die meisten der nackte Kampf ums Überleben. Der Frühling wird dann zeigen, wer noch da ist und wer nicht mehr.“
Wahl beklagt, dass die Finanzhilfen viel zu spät ankommen. Viele Gastwirte, darunter auch Udo Esser, haben jetzt erst die erste Hälfte des November-Geldes erhalten. „Wenn ich das höre, habe ich kein Verständnis mehr. Sorry, aber wir haben Mitte Januar. Anscheinend leben wir IT-technisch noch in der Steinzeit. Die Leute brauchen dringend ihr Geld, hier geht es um Existenzen.“Treppchen-Wirt Esser bestätigt: „Zu Monatsbeginn hatte ich noch exakt 70 Euro auf meinem Geschäftskonto. Es wird schwierig.“
Was ihm Hoffnung macht, sei die Unterstützung der Gäste: „Ich bekomme telefonisch oder bei Facebook viele Nachrichten, viele Menschen bedanken sich und wünschen mir alles Gute.“Viele wünschten sich nichts lieber, als wieder auf ein Bier vorbeizukommen, wenn das wieder möglich sei. Nun gelte es für die Gastwirte, den finanziellen Wettlauf mit der Zeit zu gewinnen. Wolfgang Wahl glaubt: „Wenn Corona eine gute Sache bewirkt hat, dann dass die Menschen gesehen haben, dass so etwas simples wie die Eckkneipe echte Lebensqualität bedeutet. Das kann auf Dauer kein Flachbildschirm und kein Smartphone ausgleichen.“