Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Pollenjägerin steigt Kliniken aufs Dach
Das Krankenhaus Maria Hilf hat eine Pollenfalle auf seinem Dach. Deren Daten bieten das Material für Vorhersagen zum Flug der kleinen Partikel.
MÖNCHENGLADBACH Etwa zehn Liter Luft pro Minute atmet ein Erwachsener im Ruhezustand maximal ein. Die gleiche Menge saugt die sogenaeine „Burkard-Pollenfalle“über eine Vakuumpumpe durch einen Schlitz an. Hinter dieser Öffnung rotiert eine langsame Trommel mit Klebestreifen.
Einmal am Tag wird ausgelesen, was in die Falle gegangen ist. „Neben den Pollen können auch schon mal kleine Tierchen dabei sein und Schimmelpilze. Die wichtigsten Schimmelpilze zählen wir auch aus, da wir oft nicht wissen, ob nur Pollen, sondern auch Pilze für eine Allergie verantwortlich sind“, erzählt Martina Charne, Medizinische Fachangestellte und Leiterin des Labors für Allergologie der Kliniken Maria Hilf.
Die Pollen sind nicht mit dem bloßen Auge zu sehen. Die Klebestreifen, an denen sie haften, werden eingefärbt und durch ein Mikroskop betrachtet. Wenn von den Frühblühern Hasel und Erle mehr als einhundert Pollen vorhanden sind, ist das viel. Bei Birke gelten über 50 als viel und bei den größeren Roggenpollen mehr als sechs An nasskalten Tagen zählt Charne wesentlich weniger Pollen als an frühlingswarmen Sonnentagen. Charne steigt jeden Vormittag aufs Dach des Krankenhauses,
um die Daten auszulesen. Die Ergebnisse werden weitergeleitet an den Deutschen Wetter Dienst und Polleninformationsdienst. Ergänzt um aktuelle Wetterdaten und die Daten vorjähriger Pollenflugkalender bieten sie die Basis zu relativ zuverlässigen Vorhersagen. Die sind für Allergiker um so wertvoller als nicht jeder im gleichen Maße betroffen ist.
Als schlimmste Allergie auslösende Objekte führt Charne unter den Frühblühern Erle und Hasel auf, für den Sommer Gräser und Roggen und für die Zeit von August bis September den Beifuß. Oberarzt Stephan Paulitsch, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, verweist auf teilweise kurios anmutende Zusammenhänge. „Je nach Witterung steigen die Pollen in die Luftsäulen auf und kommen so nach Schweden, wo vielleicht noch Schnee liegt. Das kann dazu führen, dass Allergiker Ski fahren und doch schon vom Pollenflug betroffen sind“, so der Oberarzt. Paulitsch betont, dass nicht jeder Allergiker auf die gleichen Pollen und auf die gesamte Flugsaison reagiert. In der App des Polleninformationsdienstes und im Pollenkalender erkennt der Allergologe wichtige Hilfsmittel, um sich den eigenen Problemen entsprechend zu verhalten.
Eine Hypersensibilisierung sollte drei bis vier Monate vor der Pollenflugsaison beginnen. „Betroffene
können besser einschätzen, ob sie an einem Tag Sport treiben können oder sich lieber drinnen aufhalten. Es hilft auch ein Tagebuch zu schreiben, um rückblickend zu sehen was wann passiert ist“, so der Arzt.
Die Pollenfalle hat seit 2012 ihren Platz auf dem Dach des Maria Hilf und ist die einzige in Mönchengladbach sowie im weiteren Umkreis. Zuvor gab es eine auf dem Kamillianer Krankenhaus, die 1992 eingerichtet wurde. „Deutschlandweit gibt es circa 40 Stationen. Da in Mönchengladbach täglich gemessen wird, gilt unsere als Referenz-Messstelle“, erzählt Paulitsch. Das Krankenhaus verdient an der Messung kein Geld.
„Die Arbeit ist relevant für die Forschung und für die Patienten. Der Pollenflug hat sich in den vergangenen 60 Jahren verändert und setzt heute früher ein. Ohne Messung hätten wir diese Veränderung nicht so festgestellt“, berichtet der Arzt.
Als Gründe für die Veränderung nennt Paulitsch den Klimawandel und die Einführung neuer Pflanzenarten. So wächst zum Beispiel die sibirische Erle bereits im Dezember.