Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Das Duell der ungleichen Chefs
In der Frage nach dem besseren Kanzlerkandidaten der Union liegt Markus Söder vor Armin Laschet. Doch der ist geprägt von seinem Erfolg in NRW, als er lange hinter der SPD-Regierungschefin zurücklag und doch gewann. Ein spezielles Kalkül von Söder könnte
BERLIN Zwischen Ostern und Pfingsten soll feststehen, wer als Kanzlerkandidat für die Union ins Rennen geht. In diesem Punkt sind sich CDU-Chef Armin Laschet und CSUChef Markus Söder noch einig. Doch damit hört die Einigkeit der beiden Anwärter auch schon auf. Stattdessen dominieren gegenseitige Sticheleien ihr Verhältnis. Und je näher die Entscheidung rückt, desto schärfer werden sie.
Die jüngste Volte des bayerischen Ministerpräsidenten in Richtung Laschet kam mitten in der angestrebten „Osterruhe“. Und beendete diese. Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur müsse eng mit Kanzlerin Angela Merkel abgestimmt werden, befand Söder. „Ein Unions-Kandidat kann ohne Unterstützung von Angela Merkel kaum erfolgreich sein“, erläuterte Söder selbstbewusst. Dabei lässt der CSU-Chef keinen Zweifel daran, dass er sich auf der Seite der Kanzlerin sieht. Vielfach lobte er die Kanzlerin und ihre Krisenpolitik während der Pandemie. Und bereits beim politischen Aschermittwoch sagte er, „Merkel-Stimmen“gebe es nur mit „Merkel-Politik“. Damit bringt Söder weitere Unruhe in das Verhältnis der beiden Schwesterparteien.
In einem Punkt hat Söder recht: In der Corona-Politik fährt er mit seinem Ansatz von „Umsicht und Vorsicht“deutlich mehr auf dem strikten Kanzlerin-Kurs als sein nordrhein-westfälischer Amtskollege. Laschet haftet dagegen nach wie vor das Bild an, im Krisenmanagement den lockereren Weg zu verfolgen und lieber ein paar Tage abzuwarten, statt schnell und entschlossen zu handeln. Die Kanzlerin sah sich in der „Anne Will“-Sendung vor gut einer Woche auf Nachfrage dann auch dazu veranlasst, Laschets Corona-Politik zu kritisieren.
In den objektiven Ergebnissen der Corona-Politik macht das Grenzland NRW im Vergleich mit dem Grenzland Bayern zumeist die bessere Figur: Prozentual weniger Infizierte, weniger Hotspots und weniger Verstorbene. Doch in der Vermarktung ist der einstige Fernsehjournalist Söder dem einstigen Zeitungsjournalisten Laschet haushoch überlegen. Fast scheint es so, als hätte Laschet eine Sehnsucht nach Fettnäpfchen, die ihn peinlich aussehen lassen. Söder wäre es nie passiert, in einer Zeit, in der die FFP2-Maske längst Standard geworden ist, als einziger mit schwach schützender OP-Maske vor den Medien im Testzentrum unterwegs zu sein, wie es Laschet tat. Und er hätte in TV-Interviews auch zupackende Botschaften vermittelt und nicht, wie Laschet, angekündigt, über Ostern erst einmal „nachdenken“zu wollen. Der Spott unter dem Stichwort „Laschet denkt nach“war ihm über Tage sicher.
Heraus kam eine verbale Kehrtwende. Zwar ist an seinem Vorschlag eines strikten „Brücken-Lockdowns“von zwei bis drei Wochen nichts neu außer der Name. Schließlich fordern Virologen und Gesundheitsexperten seit vielen Wochen einen harten Lockdown für wenige Wochen, um die gefährliche dritte Corona-Welle zu brechen. Dennoch ist diese Forderung des CDU-Chefs neu. Der Druck des Pandemiegeschehens wurde zu groß, Laschet konnte seine abwartende Haltung nicht länger aufrechterhalten. Nun versucht er, seinen Kurswechsel mit dem Brücken-Bild zu verschleiern. Genutzt hat ihm dieser Versuch bislang allerdings noch nicht.
Vor der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Union liegt Söder in der Gunst der Bevölkerung mit 54 Prozent weiter deutlich vor Laschet mit 19. Während Söder diese Stimmungstests als „wichtigen Maßstab für die Akzeptanz von Personen und Programmen“sieht, winken Laschet und seine Vertrauten ab: Man könne Wahlen auch entgegen aller Prognosen gewinnen. Das habe Laschet mit seinem NRW-Sieg gegen die frühere SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schließlich bewiesen. Damals bekam die rot-grüne Landesregierung schlechte Werte, und auf den letzten Metern konnte Laschets CDU an der SPD vorbeiziehen. Der Trend geht derzeit jedoch in die andere Richtung. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, kämen CDU und CSU nur noch auf 27 Prozent (minus sieben Punkte).
Offiziell betonten beide, dass derjenige ins Rennen gehen solle, der die besten Erfolgsaussichten mitbringt. Am Dienstag erläuterte Laschet beiläufig, es werde nach dem Kriterium entschieden, wer „in ganz Deutschland“die größten Aussichten habe – ein Seitenhieb auf den Bayer. Zudem lässt Laschet keinen Zweifel daran, dass der Vorsitzende der größeren Schwesterpartei den Erstzugriff hat.
Unbestritten ist allerdings auch, dass Söder ein Machtmensch ist, der seinen Wirkungskreis gerne ausgedehnt sieht. Andererseits sind die schlechten Unions-Werte für Söder mit einem hohen Risiko verbunden. Würde es ihm im Falle einer Kanzlerkandidatur nicht gelingen, die Union wieder zu besseren Werten zu führen, wäre auch sein eigenes gutes Standing in Gefahr. Anders als Laschet kann Söder als Chef der kleineren Schwesterpartei die Kandidatur auch ablehnen. Das verschafft ihm in dieser angespannten Lage Beinfreiheit. Laschet muss, Söder nicht. Und das weitet den Blick auf die naheliegende Motivation Söders: Sich bis zum Schluss als derjenige inszenieren, der der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre, um dann im Falle eines Scheiterns von Laschet die unumstrittene Nummer eins für die Bundestagswahl 2025 zu sein.
Vor der Klausur des Fraktionsvorstandes am Sonntag erhöhte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Druck auf Laschet. Hieß es bislang stets, die K-Frage würden Söder und Laschet im persönlichen Gespräch klären, meinte Dobrindt nun, das könne „nicht im Hinterzimmer oder am Frühstückstisch ausgemacht werden“. Und dann der – sicherlich in Absprache mit Söder geplante – Angriff auf die bisherige Verabredung: „Da haben unsere Bundestagsabgeordneten in unserer gemeinsamen Fraktion ein erhebliches Mitspracherecht.“