Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Revolution von oben
Zwölf große europäische Vereine gründen die Super League. Sie wollen ihren eigenen Wettbewerb spielen. Deutsche Klubs sind noch nicht dabei. Uefa und Fifa drohen mit Sperren für ihre Turniere. Es geht natürlich ums ganz große Geld.
Die Superreichen machen ernst. In der Nacht zum Montag haben zwölf große europäische Fußball-Klubs die Gründung einer Super League verkündet. FC Liverpool, Manchester United, Manchester City, Tottenham Hotspur, FC Arsenal, FC Chelsea, Real Madrid, Atlético Madrid, FC Barcelona, Juventus Turin, AC Mailand und Inter Mailand wollen ihren eigenen internationalen Wettbewerb spielen – in Konkurrenz zur Champions League.
20 Teams sollen es am Ende sein, drei weitere werden eingeladen, fünf Mannschaften sollen sich jedes Jahr über ihr Abschneiden in den heimischen Ligen qualifizieren. Deutsche Klubs sind noch nicht dabei. Aber es sollte niemanden wundern, wenn die Super-League-Gründer zumindest die Bayern noch einladen. Und es sollte sich ebenfalls niemand wundern, wenn Bayern München bei dieser Vereinigung zur wunderbaren Vermehrung des Kapitals auch mitmacht. Der Starttermin ist noch nicht beschlossen. „Möglichst bald“, sagen die Gründer.
Es ist eine beinahe geschlossene Veranstaltung, die das Großkapital auf dem Kontinent da plant. Gedroht hat es immer mal wieder damit. Aus dem Blickwinkel der superreichen Klubs ist der Plan sogar von zynischer Logik. Denn ein sicherer Startplatz garantiert feste Einnahmen. Feste Einnahmen garantieren den Abstand zu jenen Klubs, die mal die Basis des Fußballs waren und die nun nicht einmal mehr Konkurrenten sind. Der größte Teil bleibt einfach ausgeschlossen, wenn die mit dem ohnehin schon dicken Geldsack künftig ihr Spiel unter sich spielen. Die geschlossene Gesellschaft erhält sich damit selbst am Leben.
Das widerspricht nicht nur dem sportlichen Leistungsprinzip, nach dem nicht Reichtum und zurückliegende Verdienste oder Größe des Vereins über das Startrecht in internationalen Wettbewerben entscheiden, sondern allein die Qualifikation im nationalen Wettbewerb. Es zerstört die gesamte Struktur des Fußballs
mit seinen Regeln von Auf- und Abstieg. Und es ist Produkt einer unersättlichen Gier. Wie das ein erklärter Volkstribun und Fußball-Romantiker wie Liverpools Trainer Jürgen Klopp seinem Anhang erklären will, ist eine spannende Frage.
Die Klubs schämen sich nicht einmal, ihren Weg als einzigen Ausweg aus den Verlusten der Pandemie zu preisen. Es fehlt nur noch, dass sie mit der Sammelbüchse bei ihren Mitgliedern um ein Sonderopfer Corona betteln. Und es passt zum Zynismus der schwerreichen Super-League-Gründer, dass sie bereits in ihrer ersten Mitteilung an die Welt von aberwitzigen Summen schwadronieren. 3,5 Milliarden Euro sollen das Gründungskapital sein, von Ausschüttungen in Höhe von zehn Milliarden Euro ist die Rede – und natürlich von Solidarität und dem hehren Ziel, „dem Fußball an seinen rechtmäßigen Platz in der Welt zu bringen“. So sagt das Florentino Perez, der Präsident von Real Madrid und erste Vorsitzende des Interessenverbands der Super League-Gründer.
Die Uefa droht damit, die Vereine von allen Wettbewerben auszuschließen und deren Spieler für die Nationalmannschaften zu sperren. Die Fifa „missbilligt“ausdrücklich „eine geschlossene europäische Liga außerhalb der internationalen Strukturen“. Die Super-League-Gründer ihrerseits attackieren nicht nur das System des europäischen Fußball-Wettbewerbs. Sie haben auch noch den Mut (soll man sagen die Frechheit?), „sich auf die Gespräche mit der Uefa und der Fifa zu freuen“– den Verbänden, denen sie soeben den Krieg erklärt haben.
Gary Neville, der ehemalige Kapitän von Manchester United, spricht zu Recht von einer „Schande, ich bin angewidert“. Selbst Großbritanniens Premier Boris Johnson, hält die Pläne „für schädlich“, obwohl die Hälfte der Super-League-Gründer aus der englischen Premier League kommt. Christian Seifert, der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), warnt: „Wirtschaftliche Interessen einiger Topklubs dürfen nicht die Abschaffung gewachsener Strukturen im gesamten europäischen Fußball zur Folge haben.“
Genau das aber wird passieren, wenn die Super-League-Gründer ihre Pläne realisieren. Und es gilt als sicher, dass der lautstarken Ankündigung diesmal Taten folgen werden. Es ist längst viel mehr als eine reine Drohkulisse, um die Uefa zu weiteren Zugeständnissen bei der Zusammensetzung des Teilnehmerfelds in der Champions League zu zwingen. Da passt es den ganz großen Klubs schon lange nicht mehr, dass sie nicht mit größter Sicherheit davon ausgehen können, in jedem Jahr in der europäischen Meisterklasse die Millionen zu scheffeln, die sie zur Bedienung ihres außerordentlichen Etats benötigen.
Es ist eine Revolution von ganz oben für den europäischen Fußball. Man kann beinahe Mitleid haben mit Uefa und Fifa, die ja auch nicht in dem Ruf stehen, der Geldvermehrung grundsätzlich skeptisch gegenüberzustehen.
Wenn sich die Super League durchsetzt, ist im Fußball nichts mehr, wie es vielleicht mal sein sollte. Er wird dann endgültig zum Zirkus, der aus sich selbst und für sich selbst lebt – jedenfalls an der Spitze. Überraschen darf einen die Entwicklung in diesem Geschäft nicht. Auch sie folgt einer zynischen Logik.