Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wo Testen zur Chefsache wird
Ab dem heutigen Dienstag müssen Unternehmen Mitarbeitern, die nicht im Home Office arbeiten, Corona-Tests anbieten. Philipp Wenzelburger testet seine 160 Mitarbeiter in der Großwäscherei Troost seit einem halben Jahr selbst.
MÖNCHENGLADBACH Seit mehr als sechs Monaten testet Philipp Wenzelburger seine 160 Mitarbeiter selbst auf Corona. Der Geschäftsführer der Großwäscherei Troost in Güdderath bietet neben den wöchentlichen, stichprobenartigen Routinetests seiner Mitarbeiter aus jedem Arbeitsbereich auch Wunschtests an. „Die Mitarbeiter können sich wann immer sie wollen einbis zweimal in der Woche von mir testen lassen, wenn sie den Wunsch danach haben“, sagt Wenzelburger: Der eine fühle sich unwohl, der andere möchte shoppen gehen, eine Dritte lebt mit betagten Angehörigen zusammen und möchte sicherstellen, sie nicht anzustecken – es gibt viele Mitarbeiterwünsche, die nach einem Test in Erfüllung gehen können. Wenzelburger sieht diesen Mehrwert als Grund dafür, dass sich alle Mitarbeiter freiwillig von ihm testen lassen.
100 Mitarbeiter testet er wöchentlich, aufgeteilt auf die Früh- und die Spätschicht. Das kostet ihn sechs Stunden seiner Arbeitszeit und 860 Euro für die Antigen-Schnelltests, die er verwendet. Die Mitarbeiter kommen einzeln in den durchgelüfteten Testraum. „Sie können danach gleich wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Wenn sie nichts von mir hören, war ihr Corona-Test negativ“, erklärt Wenzelburger seine Testroutine.
Wenzelburger hat diese Routine eingeführt, weil er sieht, wie sehr die tägliche Corona-Informationsflut seine Belegschaft psychisch belastet. „Bei uns arbeiten nur zwei Mitarbeiterinnen aus der Verwaltung im Home Office, also haben wir fast ausschließlich Präsenzbeschäftigte.“Und die will er, wie er sagt, nicht grob fahrlässig gefährden. „Menschen haben zwei Rückzugsorte, das Zuhause und die Arbeit als ihre wichtige soziale Anlaufstelle. Nach dem ersten Corona-Fall bei uns habe ich die gesamte betroffene Abteilung durchgetestet. So konnten die Kollegen angstfrei in ihr Wochenende starten“, erinnert er sich.
Natürlich spart Wenzelburger auch Geld, indem er seine Mitarbeiter selbst testet und sich nicht der Dienste eines Impfzentrums bedienen muss. Zum Vergleich: Ein Test kostet ihn 8,60 Euro und seine Arbeitszeit. Zwischen 21 und 39 Euro pro Test werden fällig, wenn Firmen sich der Dienste des Testzentrums im Nordpark bedienen. „Der Preis ist abhängig von der Menge der Tests und der Anfahrt“, sagt Michael Hilgers, der das Testzentrum betreibt: „Bislang nehmen 15 Unternehmen unseren Service in Anspruch.“
Als es los ging mit den Tests bei Troost, kam der Betriebsarzt ins Haus, um die damaligen Antikörpertests zu setzen. Wenzelburger sah dabei aufmerksam zu, las zunächst den Beipackzettel des Produkts und führte dann unter den Augen des Betriebsarztes erfolgreich einen Selbsttest durch. Daraufhin beschloss er, seine Mitarbeiter fortan eigenhändig zu testen. Antikörpertests setzt er noch heute parallel zu Antigen-Schnelltests ein: Kehren Mitarbeiter aus ihrer Quarantäne zurück, kann er anhand der Antikörpertests überprüfen, ob sie sich mit Corona angesteckt hatten.
16 positive Fälle hat es bei Troost seit Ausbruch der Pandemie gegeben, seit sechs Wochen ist das systemrelevante Unternehmen Corona-frei. Von einer Testangebotspflicht in Unternehmen, die nun mit der neuen Arbeitsschutzverordnung gilt, hält Wenzelburger nichts: „Ein freiwilliges Testangebot, auf das der Beschäftigte zurückgreifen kann, wenn er darin für sich einen Nutzen sieht, bietet in meinen Augen deutlich mehr Anreize.“
Das sieht Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrieund Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein genauso. Die Freiwilligkeit beim Testen sei aus seiner Sicht zielführender gewesen: „Allerdings sind die bürokratischen Hürden jetzt nicht so hoch wie zunächst zu befürchten war“, sagt Steinmetz. Die Betriebe müssen nachweisen, dass sie die entsprechenden Tests beschafft haben. Zudem seien Selbsttests für die Mitarbeiter ohne Aufsicht ausreichend.
Steinmetz fürchtet vielmehr, dass die erhöhte Nachfrage zu einer Preissteigerung führt: „Das könnte insbesondere für kleine Unternehmen, die nur kleine Mengen abnehmen, ein Problem werden, vor allem dann, wenn die Pflicht über längere Dauer bestehen bleibt.“Die Industrieund Handelskammern in NRW bieten mit der Internet-Plattform www.protectx.online Unternehmen die Möglichkeit, Anbieter von Tests zu finden. Zur Anzahl der Mönchengladbacher Firmen, die bislang ihre Mitarbeiter testen, liegen der IHK keine Informationen vor.