Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Eine neue Oper als Wahrzeichen“
Der CDU-Oberbürgermeister betont die Wichtigkeit aufsehenerregender Kulturprojekte – wie dem Fotoinstitut oder dem Opernneubau.
Bei der Bekämpfung der Pandemie ist auch der Föderalismus mit seinen längeren Entscheidungswegen und vielfältigen Entscheidungsergebnissen in den Blick geraten. Am föderalistischsten aber sind hierzulande die Zuständigkeiten für die Kultur. Sie sind in erster Linie nicht Sache des Bundes oder des Landes – sondern der Kommunen. Ist das nur vorteilhaft?
KELLER Ein großer Vorteil ist natürlich, dass wir dadurch eine unglaubliche Vielfalt an Kultur haben. Und es ist gut, dass Kultur durchaus mit einem Ortsbezug betrieben werden kann. Das finde ich wichtig.
Und die Nachteile? Wenn Kommunen sparen müssen, fällt oft der Blick zuerst auf den Kulturetat.
KELLER Im Grunde gibt es sogar zwei Nachteile. Durch die Aufteilung der Zuständigkeit fällt es schwerer, „Leuchttürme“zu schaffen. Es fehlt dann die Konzentration darauf, auch Herausragendes zu schaffen. Das andere ist: Wenn man die Kultur den kommunalen Haushalten überlässt, steht sie immer auch unter dem Sparzwang von Kommunen, die finanziell im föderalen System sehr von staatlichen Pflichtausgaben dominiert werden, etwa von der Finanzierung im Sozialund Jugendbereich. Und wenn dann die Mittel knapp werden, wandert der Blick schnell auf die sogenannten freiwilligen Leistungen. In kommunalen Haushalten ist das dann vor allem die Kultur.
Aber bringt das etwas?
KELLER Nein. Mit Einsparungen im Kulturetat löse ich nicht die finanziellen Probleme der Kommunen. Einsparungen im Kulturbereich können oft sehr schmerzhaft sein, ohne durchschlagende Effekte auf die Sanierung des Haushalts zu haben.
Wobei bei Einsparungen die großen Einrichtungen wegen ihrer Popularität oft besser geschützt sind als die kleineren etwa aus der Off-Szene…
KELLER …wenn gespart werden muss, müssen alle einen Beitrag leisten; das gilt auch für die freie Szene. Es gibt aber den politischen Willen der neuen Ratsmehrheit, in der Landeshauptstadt, die freie Szene weiter zu unterstützen, weil wir uns ihrer Bedeutung bewusst sind.
Man darf aber auch nicht den Fehler machen, die großen, etablierten Kulturinstitutionen in Konkurrenz zur freien Szene zu bringen. Sie befruchten einander. Die freie Szene ist der Humus, auf dem eine städtische Kultur gedeihen kann.
Sie sprachen von „Leuchttürmen“, die die Kultur braucht. Das scheint in Hamburg mit der Elbphilharmonie gelungen und mit der fast ebenso teuren Sanierung der alten Kölner Oper weniger gelungen zu sein. In Düsseldorf geht es jetzt um die Oper – um eine Sanierung für 460 Millionen Euro oder um einen vielleicht spektakulären Neubau für mindestens 700 Millionen Euro.
KELLER Ja, und wir müssen einfach die Chance nutzen, mit der neuen Oper ein Wahrzeichen zu schaffen. Darum sollte es aus meiner Sicht einen Neubau geben. Man muss dafür nicht auf die Sanierung der Oper in Köln schauen, um zu sehen, dass die Sanierung eines älteren Bestandsgebäudes immer mit unkalkulierbaren Risiken verbunden ist. Am Ende habe ich dann zwar einen sanierten Altbau, aber kein Gebäude, das eine neue Strahlkraft und neue Nutzungen entwickeln kann.
Mit einem neuen Gebäude würden Sie dann gerne auch ein neues Verständnis des Kulturortes Oper verbinden?
KELLER Die Oper sollte ein Kulturort für alle Menschen in der Stadt sein. Wir wollen nicht nur ein Haus bauen, das abends von 19 bis 22 Uhr für ein relativ überschaubares Publikum geöffnet ist. Und dafür brauchen wir unter anderem eine Architektur, die genau das zum Ausdruck bringt und die Chance hat, zu einer neuen Ikone zu werden.
Wäre das dann auch ein Brückenschlag über den vermeintlich tiefen Graben zwischen U- und E-Kultur?
KELLER Wir wollen schon eine hochmoderne, konkurrenzfähige Oper. Aber sie soll auch einen Zusatznutzen haben. Sie muss für alle zugänglich sein und ganztägige Angebote haben. Das soll jetzt auch mit den Bürgern der Stadt diskutiert werden.
Eine andere Kulturbaustelle der Landeshauptstadt ist der Standort eines geplanten Fotoinstituts: Erst war es Düsseldorf, dann Essen, jetzt sucht man nach einer Kompromisslösung.
KELLER Ja, wir schlagen eine Kooperation mit Essen als Rhein-RuhrCluster vor, um all die Aufgaben, die für die Fotokunst anstehen, in NRW zu bündeln. Es gibt viele Gründe für eine solche Zusammenarbeit. Unser Vorschlag ist: Archivierung und Nachlassverwaltung könnte man in Essen unterbringen, während wir uns in Düsseldorf den Zukunftsfragen der digitalen und zeitgenössischen Fotokunst widmen. Auch darum wäre es gut, wenn wir uns alle noch mal an einen Tisch setzen, so wie es Staatsministerin Professor Grütters versprochen hat: also Vertreter der beiden Städte sowie des Landes und des Bundes. Und natürlich die Künstler selbst. Düsseldorf spielt in der zeitgenössischen Fotokunst eine wichtige Rolle, und dem sollte man auch Rechnung tragen.
Handlungsbedarf gibt es auch am Schauspielhaus, nachdem der Schauspieler Ron Iyamu öffentlich machte, im Theater Opfer von Rassismus geworden zu sein, ohne dass dagegen eingeschritten wurde.
KELLER Ich nehme sehr ernst, was da gerade passiert. Wir werden uns in der nächsten Aufsichtsratssitzung intensiv mit den Vorgängen befassen. Es sind bereits erste Maßnahmen mit externer Beratung eingeleitet worden. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass das Schauspielhaus die richtigen Schlüsse und die notwendigen Konsequenzen zieht. Da, wo es nötig ist, wird es auch strukturelle Veränderungen geben müssen.
Es gibt auch die Forderungen, am Schauspielhaus eine weitere Bühne nur für schwarze Schauspieler einzurichten.
KELLER Der Vorschlag der Theatermacher of Colour liegt ja auf dem Tisch und sollte darum auch diskutiert werden. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das am Ende der richtige Weg ist; oder ob wir nicht eher einen integrativen Weg gehen sollten.