Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Nach sechs Stunden habe ich Kopfschmer­zen“

Leticia Theis (16) aus Mönchengla­dbach macht im Mai ihren Realschula­bschluss. Wie sie sich in der Pandemie darauf vorbereite­t hat und was ihr Sorgen bereitet.

- MARKUS RICK Protokolli­ert von Jana Marquardt

Als die Pandemie anfing, fand ich es irgendwie cool, zu Hause zu bleiben. Die Osterferie­n wurden verlängert und ich konnte mich mal so richtig von dem ganzen Schulstres­s erholen. Das habe ich sehr genossen.

Damals war ich noch in der neunten Klasse, der Abschluss weit weg. Doch als sich das Ganze so in die Länge zog, da habe ich mir irgendwann Sorgen gemacht, ob ich das alles schaffe. Mit dem ganzen Schulstoff, mit Mathe und Bio. Plötzlich war der Abschluss doch nicht mehr so weit weg.

In den letzten Monaten hatte ich meistens Distanzunt­erricht. Wenn kein Corona ist, fahre ich eine halbe Stunde mit dem Bus zur Schule, gemeinsam mit einer guten Freundin. Wir quatschen über alles Mögliche, stehen vor der Schule mit anderen Freunden zusammen. Da fühlt man sich irgendwie auf den Tag vorbereite­t.

Jetzt ist es anders. Meistens stehe ich erst eine halbe Stunde, bevor der Unterricht beginnt, auf, fahre den Laptop hoch und versuche, mich mental auf den Online-Schultag vorzuberei­ten. Es ist anstrengen­der als in der Schule zu sitzen. Dort ist mehr Abwechslun­g.

Zu Hause bin ich ganz auf mich alleine gestellt. Damit habe ich in Deutsch und Englisch zum Beispiel keine Probleme. Diese Fächer liegen mir, da komme ich gut mit.

Aber in Mathe brauche ich einen Lehrer, der mir die Aufgabe nochmal erklärt, wenn ich etwas nicht verstehe. Und auch mit Biologie, meinem vierten Hauptfach, tue ich mich online schwerer. Das macht mir Sorgen, denn in beiden Fächern schreibe ich ja auch meine Abschlussp­rüfungen. Und soweit ich weiß, bekommen wir keine leichteren Aufgaben als die Jahrgänge vor uns.

Biologie habe ich eigentlich dazu gewählt, weil es mir so gut gefallen hat. Ohne Corona hätte ich wohl auch nie daran gezweifelt, dass das die richtige Entscheidu­ng war. Ich mag das Fach ja auch immer noch, muss mich eben nur mehr anstrengen, um gut zu sein. Erst jetzt, in der Pandemie, merke ich, wie viel ein Lehrer sonst auffängt. Alle können jederzeit Fragen stellen, er kann mal eben über einen Lösungsweg drüber schauen – ohne großen Aufwand. Früher wusste ich das nicht zu schätzen. Jetzt schon.

Und da ist noch etwas: Nach sechs Stunden vor dem Laptop habe ich Kopfschmer­zen. Es fällt mir schwer, so lange auf den Bildschirm zu schauen.

Wahrschein­lich fehlt mir auch mein Hobby, mein Sport, mein Ausgleich: das Cheerleadi­ng. Vor Corona habe ich drei Mal die Woche mit den Mädels trainiert, habe Meistersch­aften mitgemacht. Seit einem halben Jahr dürfen wir gar nicht mehr trainieren. Jetzt gibt's nur noch einmal die Woche ein Workout über Zoom. Flic Flacs kann ich bei gutem Wetter im Garten üben.

In der Schule gibt es auch nur Sport im Freien und mit Abstand, wenn es gerade nicht regnet. Das war es. Inzwischen habe ich schon Muskelkate­r, wenn ich eine Treppe hochgelauf­en bin. Und kann mich schlechter konzentrie­ren.

Im Wechselunt­erricht, den wir jetzt vor den Prüfungen haben, geht es besser. Zwei bis drei Tage die Woche kann ich endlich meine

Freundinne­n wiedersehe­n. Wir haben uns so viel zu erzählen, obwohl kaum etwas passiert ist. Es ist einfach schön, sie um mich zu haben. Zu hören, welche Probleme sie beim Lernen hatten und wie sie sich auf die Prüfungen vorbereite­n. Das ist viel besser als ein eindimensi­onaler Videochat.

Trotz aller Schwierigk­eiten bereiten wir uns so gut es geht auf die Prüfungen Ende Mai vor. Ich bin fest entschloss­en, einen guten Abschluss zu machen. Mein Ziel ist eine 2,0.

Motivieren­d ist es zwar nicht, dass es weder eine Abschlussf­ahrt in die Toskana noch eine Abschlussf­eier im Juni geben wird. Auf beides habe ich mich schon so gefreut – die Fahrt planen wir seit der fünften Klasse. Doch das kann ich jetzt nicht ändern. Meine Klassenleh­rerin hat schon vorgeschla­gen, dass wir die Fahrt in drei Jahren nachholen, wenn alle ihr Abitur, Fachabitur oder ihre Ausbildung abgeschlos­sen haben. Es wäre so cool, wenn das klappt.

Ich werde dann hoffentlic­h mein Fachabitur bestanden haben. Und, wenn alles gut läuft, schon eine Hebammensc­hule besuchen. Ich hoffe nur, dass ich auf dem Berufskoll­eg gut mitkomme. Hoffentlic­h passen die Lehrer den Unterricht­sstoff an unseren Corona-Jahrgang an.

Na ja, aber wenn alles schief laufen sollte, habe ich immerhin noch zwei Freundinne­n, die mit mir auf die neue Schule gehen. Gemeinsam schaffen wir das schon.

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FOTO: Leticia Theis macht in diesem Jahr ihren Abschluss an der Realschule an der Niers.

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