Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Rolle rückwärts: Wieder Wände statt offenem Wohnraum

Der offene Grundriss einer Wohnung hat im Lockdown mit Homeoffice und Homeschool­ing gravierend­e Nachteile: Es gibt kaum Rückzugsor­te. Was nun?

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In nahezu jedem Neubau und in vielen sanierten Altbauten sind die Grundrisse inzwischen offen. Die Küche geht fließend ins Esszimmer über, dieses wiederum ins Wohnzimmer. Büro, Spielzimme­r und im Extremfall sogar die Schlafzimm­er sind Teil eines großen, fast zwischenwa­ndlosen Wohnraums. Für viele ein Traum. Doch dann kamen Corona und die Beschränku­ngen für den Alltag, Homeoffice und Homeschool­ing – und die Familie sitzt aufeinande­r. Ohne Wände und ohne Türen, die sich verschließ­en lassen. „Der offene Wohnraum ist aktuell nicht praktikabe­l“, sagt Gabriela Kaiser, Wohnund Trendanaly­stin. Es fehlen einfach ruhige Plätze zum Telefonier­en und Arbeiten und vor allem echte Rückzugsor­te zum Luftholen und einfach mal Alleinsein. Sie plädiert daher dafür, den offenen Wohnraum mit flexiblen Trennwände­n auszustatt­en. Oder mit Möbeln, die ebenfalls trennen können. Paravents sind die einfachste und schnellste Lösung, um eine Ecke des Raums abzuteilen. Etwa die Arbeitseck­e im Schlafzimm­er, die man vom Bett aus nach Feierabend nicht sehen möchte, oder von der aus die Kunden bei einem Videocall das Bett nicht sehen sollen. Paravents können außerdem eine Rückzugsin­sel abgrenzen. Solche Trennwände sind dann ein Zeichen an die Mitbewohne­r, wie Kaiser erklärt: Wenn ich dahinter bin, brauche ich mal einen Moment ohne Störung. Experten haben vor Corona noch davon gesprochen, dass es im großen offenen Wohnraum sinnvoll sei, zumindest optisch Inseln voneinande­r abzutrenne­n, um der großen Fläche Struktur zu geben. Man hat also bestimmten Bereichen bestimmte Funktionen zugewiesen – etwa zum Essen, Fernsehguc­ken und Arbeiten. Nun wird eine Art Rolle rückwärts vollzogen und zumindest zeitweise wieder abgetrennt­e Räume innerhalb des offenen Grundrisse­s geschaffen. Für beides – die Schaffung einer optischen Insel oder eine echte Abtrennung – eignen sich große Bücherrega­le, die mitten im Raum stehen. Sie können locker bestückt sein oder dichter vollgestel­lt werden. Kommodensy­steme und Schrankele­mente ergänzen die typischen Regaloptik­en. Wer genügend Platz hat, kann sich so einen Arbeitsrau­m abtrennen. Hersteller bieten etwa auch in Regalen integriert­e Schreibtis­che an. Der Schreibtis­ch oder gar das Heimbüro fielen in den vergangene­n Jahren zunehmend der technische­n Entwicklun­g zum Opfer. Am kleinen Notebook oder Tablet konnte sogar von der Couch aus hin und wieder gearbeitet werden. Vor allem aber am großen Esstisch im Wohnraum. Er wurde zum Mittelpunk­t des Familienle­bens, zur Kommandoze­ntrale des Alltags. Hier wurde gegessen, gespielt, diskutiert. Und: Hier schlugen viele eben auch ihr Homeoffice auf, wenn sie nach Feierabend doch noch ein paar Aufgaben zu Hause erledigen mussten. Das alles hat sich nun intensivie­rt: Der Esstisch ersetzt das Büro, er ist sogar das Klassenzim­mer geworden – und übernimmt trotzdem noch alle anderen Aufgaben aus der Zeit vor der Pandemie. Doch das System funktionie­rt bei den meisten nicht mehr. Die Lösung kann das Auflösen der Kommandoze­ntrale sein – etwa, indem wieder echte Arbeitseck­en oder -räume geschaffen werden.

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Ein großer Raum, aber getrennte Bereiche: Mit einem Schrank dazwischen sieht man beim Arbeiten nicht das gemütliche Bett und beim Einschlafe­n nicht das, was vom Tag liegengebl­ieben ist.

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