Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Kommunen zögern bei Impfen im Auto
Im Ennepe-Ruhr-Kreis ist die bisher einzige Anlage in NRW in Betrieb. Ministerpräsident Laschet warb dafür, im gesamten Bundesland Drive-in-Möglichkeiten zu schaffen. Doch die übrigen Städte und Kreise ziehen noch nicht mit.
DÜSSELDORF/SCHWELM Fenster runter, Spritze in dem Arm, Fenster wieder hoch: So wird seit Ostermontag in Schwelm im Ennepe-Ruhr-Kreis gegen das Coronavirus geimpft. Als erster Kreis in Nordrhein-Westfalen führte der Ennepe-Ruhr-Kreis ein Impf-Drive-in ein, wie man es zum Beispiel aus den USA oder Israel kennt. Auf dem Parkplatz einer Sporthalle sind drei Impfstraßen entstanden, Bürger können mit dem Auto hindurchfahren und sich impfen lassen. Die Drive-in-Station ist eine Nebenstelle des offiziellen Impfzentrums im Ennepe-Ruhr-Kreis.
Ministerpräsident Armin Laschet lobte das schnell aufgebaute Impfzentrum. Es sei ein Beispiel dafür, dass es auch ohne „große Bürokratie“gehe. Und er sprach sich dafür aus, Impfzentren dieser Art im ganzen Bundesland einzuführen. „Da, wo es geht, finde ich eine solche Initiative sehr gut“, sagte Laschet.
Doch aus dem flächendeckenden Impfen im Auto wird in Nordrhein-Westfalen erst einmal nichts. Unsere Redaktion fragte bei allen übrigen 52 Kreisen und kreisfreien Städten in NRW nach, ob sie einen Impf-Drive-in planen. Das Ergebnis: Kein Kreis und keine Stadt möchte der Idee des Ennepe-Ruhr-Kreises folgen. Zumindest vorerst.
„Das Impfzentrum ist hinsichtlich seiner Kapazitäten passend ausgestattet, und die Mitarbeitenden sind so routiniert, den vorhandenen Impfstoff dort gut und schnell an eine hohe Zahl von Impfwilligen verimpfen zu können, ohne auf ein Drive-in zurückgreifen zu müssen“, heißt es etwa aus dem Kreis Minden-Lübbecke. „Die Idee ist sicher gut und insbesondere in Kommunen, in denen die Impfzentren die große Zahl an Impfungen nicht bewältigen können, eine gute Lösung. Das Impfzentrum des Kreises Mettmann ist allerdings bisher in der Lage, die geforderten Kapazitäten vorzuhalten“, teilt der Kreis mit. Die übrigen Kreise und Städte reagieren ähnlich: Momentan sei ein Impf-Drive-in nicht notwendig, man könne alles verimpfen und Kapazitäten weiter ausbauen, wenn es notwendig ist.
Das Gesundheitsministerium des Landes teilte unserer Redaktion mit, dass die bisherigen Strukturen aktuell ausreichten, um den Impfstoff zu verabreichen. Ein Sprecher der Staatskanzlei verweist darauf, dass Ministerpräsident Laschet bei seiner Aussage bleibe: Die Drive-in-Impfstation in Schwelm sei ein Vorbild für das gesamte Bundesland. Man könne aber nicht vorgeben, wie einzelne Kreise ihre Impfungen organisieren.
„Bei uns ging das alles ganz schnell“, sagt Christian Füllers, der Leitende Arzt des Impf-Drive-ins in Schwelm. Als die Nachricht kam, dass Astrazeneca nur an Menschen über 60 Jahren verimpft werden kann, waren im Ennepe-Ruhr-Kreis plötzlich knapp 9000 Impfdosen frei. „Unser Impfzentrum ist zu klein, da hätten wir keine weitere Impfstraße aufbauen können“, sagt Füllers. Also aktivierte der Krisenstab des Kreises das Technische Hilfswerk, baute Zelte und Absperrunge auf. Und begann mit dem Impfen.
„Ein Impf-Drive-in kann sich positiv auswirken“, sagt der Münster Epidemiologe André Karch. Niedrige Zugangsschwellen und hohes Impftempo seien hier vom Vorteil – gerade in ländlichen Regionen. „Es löst aber nicht alle Probleme, die wir bei der Verimpfung haben.“
„Für ein Auto brauchen wir etwa zweieinhalb Minuten“, sagt Füllers. Alle zusätzlichen Astrazeneca-Dosen wurden inzwischen verimpft. Das Vorgehen sei dabei ganz einfach: Die Autofahrer fahren vor – und werden geimpft. „Nach der Impfung bleiben die Impflinge noch 15 Minuten lang auf dem Parkplatz stehen. Unsere Mitarbeiter laufen über den Parkplatz und überprüfen, ob es starke Impfreaktionen gibt.“Den Papierkram müssten die Impflinge trotzdem erledigen, ab und zu gebe es auch Schlangen, wenn viele Autos auf einmal kommen, so Füllers. „Die sind aber maximal 30 Meter lang. Einen langen Stau haben wir nie“. Der Impf-Drive-in, der anfangs nur eine temporäre Idee war, bleibt, bis die Impfkampagne beendet ist. „Wir bauen ihn nicht mehr ab.“
In Zukunft könnten auch in anderen Orten in NRW Impf-Drive-ins aufgebaut werden. „Wenn im Sommer auch die Jüngeren geimpft werden, können wir uns das durchaus vorstellen“, sagt ein Sprecher des Kreises Olpe. Auch die Stadt Leverkusen möchte sich die Möglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt offenhalten. Man sei froh, gegebenenfalls auf Erfahrungen anderer Kommunen zurückgreifen zu können, so eine Stadtsprecherin.
„Wir hatten bisher Anfragen von Kreisen aus verschiedenen Bundesländern, die sich über unsere Station informieren wollten“, sagt der Schwelmer Impfarzt Füllers, „aus Nordrhein-Westfalen war aber noch keine Kommune dabei.“