Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Zwei Nationalitäten schlagen in meiner Brust“
Kostas Feslidis ist in Griechenland aufgewachsen und hat dort sein Abitur gemacht. 1977 folgte er seinen Eltern nach Deutschland. Es war nicht einfach für ihn, hier Fuß zu fassen. Heute ist der 61-Jährige Dolmetscher, Übersetzer und Buchautor.
MÖNCHENGLADBACH
Die Sprache ist sein Leben. Das könne man schon so sagen, findet Kostas Feslidis, Schriftsteller, Übersetzer und Dolmetscher aus Mönchengladbach. Als der 61-Jährige 1977 nach Deutschland kam, hatte er gerade sein Abitur in Griechenland gemacht. Seine Eltern waren schon einige Jahre hier, hatten sich als Gastarbeiter in Neuss niedergelassen. Feslidis war bei seinen Großeltern in der Nähe von Paranesti aufgewachsen, einer Kleinstadt im Nordosten des Landes. Er verstand kein Wort Deutsch, das lateinische Alphabet war ihm fremd.
Auch sein Vater und seine Mutter sprachen diese fremde Sprache nur gebrochen, konnten sie ihm nicht beibringen. Feslidis wollte trotzdem in Deutschland studieren. Das war sein Plan gewesen, schon lange bevor er hergekommen war. Also besuchte er Deutschkurse, lernte Tag und Nacht Vokabeln. Denn er merkte: Ohne die Sprache geht es nicht. „Ich musste sie beherrschen, um es hier zu etwas zu bringen“, sagt Feslidis. Sein Ehrgeiz war geweckt. Obwohl es ihm generell nicht schwer falle, neue Sprachen zu lernen, sei das Deutsche eine Herausforderung gewesen. Das griechische Alphabet war so präsent in seinem Kopf, die vielen Bücher, die er in seinem jungen Leben gelesen hatte – alle auf Griechisch. Mit lateinischen Buchstaben musste er sich erst einmal arrangieren. Als Feslidis das erste Mal auf Deutsch träumte, wurden ihm seine Fortschritte bewusst. Irgendwann begann er, sogar auf Deutsch zu denken.
Er schrieb sich an der Universität zu Köln ein, in Düsseldorf und später in Bochum. Feslidis versuchte sich in Geschichte und Philosophie, dann in Germanistik und neugriechischer Philologie und blieb dabei. „Ich habe lange gebraucht, mich zu orientieren“, sagt der gebürtige Grieche. Es sei damals nicht einfach gewesen, sich zu integrieren. Er habe sich selbst darum kümmern müssen, die Sprache gut genug zu lernen. Langsam und Schritt für Schritt hat er sich seinen Platz in Deutschland erkämpft. An der Ruhr-Universität in Bochum gab er acht Semester lang sogar Sprachund Übersetzungskurse vom Griechischen ins Deutsche.
Heute ist die Sprache sein Fachgebiet. „Zwei Nationalitäten schlagen in meiner Brust“, – so drückt Feslidis es aus. Er arbeitet als ermächtigter Übersetzer und vereidigter Dolmetscher, hat inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft. Vom Griechischen ins Deutsche zu übersetzen und umgekehrt, sei immer wieder ein Drahtseilakt. „Denn es ist nun einmal so, wie ein berühmter Philosoph mal gesagt hat“, sagt Feslidis. „Übersetzungen sind wie Frauen. Wenn sie schön sind, dann sind sie untreu. Sind sie aber hässlich, dann immerhin treu.“Im Klartext: Möchte Feslidis nah am Text oder am gesprochenen Wort bleiben, kann die Übersetzung unverständlich werden. Übersetzt er freier, ist das angenehmer zu lesen. Bei geschriebenen Texten funktioniere das gut.
Als vereidigter Dolmetscher muss er so nah wie möglich am gesprochenen Wort bleiben. „Auch Beleidigungen darf ich nicht auslassen“, sagt der Mönchengladbacher. Einmal habe ein Zeuge vor Gericht wortwörtlich auf Griechisch gesagt, er habe ein „reines Gesicht“. Damit der Richter diesen Ausdruck versteht, hat Feslidis ihn mit „reines Gewissen“übersetzt. „Das sind die Kleinigkeiten, die man der Verständigung wegen in Sekundenschnelle anpasst. Ansonsten würde es vor Gericht zu vielen Missverständnissen
kommen“, sagt Feslidis.
Als Übersetzer und Dolmetscher ist er gefragt, gerade übersetzt er 150 Seiten Gerichtsakten. In seiner Freizeit widmet er sich weniger trockenen Texten. Er hat die großen Philosophen gelesen – und selbst zwei Bücher auf Deutsch verfasst. In „Wir alle sprechen und denken Griechisch – Der Einfluss der griechischen Sprache auf Deutschland und Europa“rechne er mit der Boulevardpresse ab, die Griechenland seit der Finanzkrise 2010 immer wieder in ein schlechtes Licht gerückt habe. „Ich wollte eine andere Seite meines Heimatlandes zeigen“, sagt Feslidis. „Zeigen, welch großen Einfluss die griechische Sprache und Kultur auf Europa hatte.“In seinem zweiten Buch „Der Fluch des Zeus – Ein Sprach- und Landesführer der anderen Art“zieht er Verbindungen zwischen griechischen Mythen und der deutschen und griechischen Politik.
Sobald er die Gerichtsakten übersetzt hat, möchte er sich seinem dritten Buch widmen: „Aller guten Dinge sind drei – das sagt man doch so schön im Deutschen.“