Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Roses Auftrag nach dem 0:6 gegen Bayern
Trotz einer unsteten Saison und des Debakels beim Meister FC Bayern spielt Gladbach bis zuletzt um Europa mit.
MÖNCHENGLADBACH Man hat sich in Borussia Mönchengladbach ein wenig getäuscht, wähnte den Klub schon weiter, durchaus als ständigen Champions-League-Kandidaten. Doch nun, zwei Spieltage vor dem Ende dieser Saison und nach dem 0:6 beim ewigen Meister FC Bayern, ist offenbar, dass geblieben ist, was schon in den Jahren zuvor da war: der Wankelmut, das Unstete, eine Realität irgendwo zwischen Platz drei und neun, eben in den diversen Facetten der von Manager Max Eberl viel zitierten Einstelligkeit. Das war vor dem Trainer Marco Rose so, und es wird auch so sein, wenn er im Sommer zu Borussia Dortmund wechselt.
Aktuell ist das Gladbach-Dasein ein holpriges Auf und Ab, eben das, was Abwehrchef Matthias Ginter im Interview mit unserer Redaktion für die gesamte Saison ausgemacht hat. 4:0, 2:3, 5:0 und 0:6, das sind die Ergebnisse der letzten vier Spiele, neun Tore schoss Gladbach zuhause gegen Eintracht Frankfurt und Arminia Bielefeld, neun Gegentore kassierte sie in den Auswärtsspielen bei 1899 Hoffenheim und den Bayern. Daheim glänzte sie, in der Fremde fehlte es in beiden Fällen phasenweise an fast allem.
Böse Ausrutscher gegen TopTeams wie jetzt in München gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder: 2017 das 1:6 bei Borussia Dortmund, 2018 das 0:5 im Pokal gegen Bayer Leverkusen, 2019 das 1:5 gegen die Bayern. An guten Tagen kann Borussia diese Gegner besiegen, an schlechten ist die Distanz, wie jetzt bei den Bayern, gewaltig. Auch daran hat sich in der Zeit mit Rose nichts geändert.
52 Punkte kann Borussia maximal noch zusammenbekommen in dieser Saison, das kann, nahezu wunderhafte Umstände und die freundliche Mithilfe von Bayer Leverkusen, das dafür höchstens noch einen Punkt holen darf, vorausgesetzt, sogar noch reichen für Rang sechs und die Europa League. „Der Auftrag für die letzten beiden Spiele ist klar“, sagte Rose. Das heißt: Gladbach muss zweimal möglichst klar gewinnen. Und muss hoffen. Auf Union Berlin, das bei Bayer nicht verlieren sollte, und auf Leverkusens letzten Gegner, den BVB, der mit RB Leipzig durch den Einzug ins DFB-Pokalfinale schon dafür gesorgt hat, dass Platz sieben überhaupt noch ein internationaler ist. Erstmal aber muss Borussia diesen siebten Rang verteidigen, der in die Conference League führen würde.
Für einen Klub, der, so war Roses Ansage, erneut in die Champions League wollte, ist das auf gewisse
Weise ein Trostpreis. Es wurden die eigentlichen Ziele verpasst, es musste nachjustiert werden. Das liegt daran, dass sportlich einiges nicht passte. Zu durchlässig ist das Konstrukt von Rose in dieser Saison, dafür sprechen 52 Gegentore, die nicht nur ein Resultat von Problemen in der Defensive sind, sondern ein gesamtmannschaftliches Problem. Es fehlt oft an der nötigen Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen. Dabei wollte Rose nach dem ersten gemeinsamen Jahr sein Team „an einem anderen Punkt abholen“als in seinem ersten Jahr und weiterentwickeln.
Doch Borussia ist die Borussia geblieben, die sie vor Rose war, ein Team, das mal 65 Punkte holen kann wie vor einem Jahr, aber eben auch mal nur um die 50 wie jetzt. Sie kann, wie im Hinspiel, gegen die Bayern aus einem 0:2 ein 3:2 machen mit großem Willen, aber auch 0:6 verlieren: Da gab es kein Aufbäumen,
keine Gegenwehr, nichts. Rose nannte es einen „Stromausfall“.
Er muss nun die Trümmer der von den Bayern arg ramponierten Psyche seines Team wieder zu etwas kitten, das ausreicht, gegen Stuttgart und in Bremen die nötigen Siege herauszuschießen. Es ist Borussia zuzutrauen, mindestens Platz sieben zu verteidigen. Die Sache ist nur: Wer den schlaffen Auftritt der Borussen in München gesehen hat, kann Zweifel hegen, dass die Gladbacher das hinkriegen. Platz sieben haben sie immerhin selbst in der Hand, und klar ist, dass die Borussen bis zum letzten Spieltag um Europa mitspielen werden. Das ist seit 2012 immer der Fall. Gladbach bleibt sich in vielerlei Hinsicht treu.