Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Impfpolitik aus dem Elfenbeinturm
Sage keiner, Impfen sei nur etwas für Ärzte und Wissenschaftler. In Deutschland ist das eine hochpolitische Frage. Und so haben sich die Gesundheitsminister zum zweiten Mal über die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) hinweggesetzt, die sowohl beim Impfstoff von Astrazeneca als auch bei dem von Johnson & Johnson eine Beschränkung auf Ältere empfohlen hatte. Der politische Hintergedanke liegt auf der Hand: Die Minister wollen verhindern, dass nun auch das Mittel von Johnson & Johnson zum Ladenhüter wird, schließlich sollen die erwarteten zehn Millionen Dosen die Impfkampagne voranbringen und den Bundestagswahlkampf freundlicher werden lassen. Gerade in der Union von Gesundheitsminister Jens Spahn weiß man nur zu gut, dass eine hohe Impfquote zentral ist, um die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und den Abwärtstrend der Partei zu stoppen. Zugleich wollen die Minister verhindern, dass sie zum zweiten Mal einen Eiertanz aufführen müssen, wie es bei Astrazeneca der Fall war, wo die Empfehlungen der Wissenschaftler und die ihnen folgende Politik mehrfach wechselten.
Aber auch die Ständige Impfkommission muss sich fragen, wie hilfreich ihre Empfehlungen aus dem Elfenbeinturm sind. Die Risiken hier sind noch geringer als bei Astrazeneca und weitaus geringer als das Risiko, schwer oder gar tödlich an Covid-19 zu erkranken. Die Europäische Arzneimittelagentur hat dieselben Zahlen wie die Stiko – und hat doch kein Problem, die Vakzine uneingeschränkt für jede Altersgruppe zu empfehlen. Solche Differenzen der Experten sind wenig hilfreich, um das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken. Bleibt der Appell an die Menschen über 60, jetzt bitte Astrazeneca oder J&J zu nehmen, um den Jungen keinen Impfstoff wegzunehmen. Denn für die Älteren sind die Risiken gänzlich gering.
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