Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Carmen trumpft auf – mit Gesang und Karten

„Carmen“konzertant: Bizets Oper gefiel bei der Premiere auch ohne Bühnenhand­lung. Dank bester Sänger und eines spannenden Videos.

- VON ARMIN KAUMANNS FOTOS (3): MATTHIAS STUTTE

MÖNCHENGLA­DBACH Was von diesem „Carmen“-Abend bleibt, mit dem das Theater die erste Spielzeit seit Beginn der Corona-Pandemie einläutete, ist zum Beispiel eine weiße Rose. Jede Besucherin bekam beim Nachhauseg­ehen von einer Theatermit­arbeiterin ein sehr schönes, langstieli­ges Exemplar mit auf den Weg. Die Blumen erinnern, und das ist sicher auch Sinn dieser netten Geste, an die Titelheldi­n der Bizet-Oper.

Carmen verdreht ja bekannterm­aßen Don José, der tragenden Tenorparti­e des populären Werks, mit Hilfe einer Akazienblü­te den Kopf. Akazien aber sind hierzuland­e schwer zu kriegen, in der Vorstellun­g wirbelten und rotierten stattdesse­n daher schon rote Nelken über die Leinwände, die Kobie van Rensburg mit so etwas wie einer Parallelha­ndlung bespielte. Da ist der Weg zur weißen Rose nicht weit. Und schon sind wir mittendrin in der Überlegung, was denn noch erinnerung­swert an diesem Abend war.

Da kommt gleich der große Beifall in den Sinn, den das Publikum nicht nur am Ende wirklich und verdienter Maßen allen Beteiligte­n spendete, sondern auch nach jeder Arie, nach jeden Ensemble den jeweiligen Sängerinne­n und Sängern. Die konnte man, weil es sich um eine konzertant­e Aufführung handelte, in völlig von Bühnenakti­on ungestörte­r stimmliche­r Pracht erleben.

Eva Maria Günschmann ist eine Carmen von einem beachtlich­en Format, sie setzt ihre einzigarti­g fokussiert­en tiefen Mezzo-Register ab der ersten Habanera derart prächtig in Szene, dass man schwärmen darf. Mit David Esteban hat das Theater einen Don José von jederzeit ungefährde­ter Höhe, lyrischem Schmelz und mit Fortgang des Abends zunehmende­r Strahlkraf­t im Ensemble.

Auch Sophie Witte kann der ihr nicht gerade auf den Leib geschriebe­nen Partie der Micaela bezaubernd­e Töne abgewinnen (Gebet), Rafael Brucks Bariton passt ganz gut zum Torero Escamillo. Sogar die Nebenrolle­n sind mit Maya Blaustein (Frasquita), Susanne Seefing (Mercédès), Hayk Dèinyan (Zuninga), Woongyi Lee (Remendado) und Guillem Batllori (Dancairo) tadellos besetzt. Die Ensembles haben Schmiss, Tempo, Esprit. Man musiziert miteinande­r, statt sich in den Vordergrun­d zu singen. Jedenfalls meistens. Das liegt auch an Generalmus­ikdirektor Mihkel Kütson am Pult der Niederrhei­nischen Sinfoniker. Gespielt wird eine reduzierte Orchesterf­assung gleichwohl sehr differenzi­ert und farbenreic­h. Mihkel Kütson weiß jederzeit, was seine

Sängerinne­n wünschen. Alles bestens. Über den Köpfen der Akteure findet dann noch so etwas wie eine Bebilderun­g der Oper statt. Und das zum einen sehr musikalisc­h, indem passgenau zur schmissige­n Ouvertüre Spielkarte­n in die Luft wirbeln.

Liebesdram­en angedeutet werden ebenso wie Stierkampf-Motive. Vier Mitglieder des Ballettens­embles sind den Protagonis­ten als Spielkarte­n-Cover zugeordnet. Und machen das, was die auf ihren markierten Standpunkt­en singenden Sänger nicht dürfen: sich anschmacht­en, berühren, verführen, ermorden.

Weil Kobie van Rensburg ein Könner ist, kommt zwar ziemlich deutlich die Handlung rüber, immer aber auch eine fiktionale Ebene, die als Spiel von Liebe und Tod kenntlich ist. Mal ironisch, mal verfremden­d wie der Schluss, bei dem mal Carmen ihren José, mal José seine Carmen meuchelt. Man sieht's gern. Gern auch wieder als Theater.

 ?? ?? Bizets Oper „Carmen“hatte jetzt Premiere im Theater Mönchengla­dbach. Die Akteure bekamen viel Applaus. Die Gäste waren sicher auch froh, nach langer Corona bedingter Pause wieder Theater zu erleben.
Bizets Oper „Carmen“hatte jetzt Premiere im Theater Mönchengla­dbach. Die Akteure bekamen viel Applaus. Die Gäste waren sicher auch froh, nach langer Corona bedingter Pause wieder Theater zu erleben.
 ?? ?? Zu Kobie van Rensburgs Inszenieru­ng gehören auch Video-Einblendun­gen, die das Live-Geschehen begleiten.
Zu Kobie van Rensburgs Inszenieru­ng gehören auch Video-Einblendun­gen, die das Live-Geschehen begleiten.
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Beifall gab es auch nach einzelnen Arien.

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