Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Von Sanierern und Kämpfern
Beim Deutschlandtag der Jungen Union wurde nicht mit Kritik gespart. Wer beim Nachwuchs punkten konnte und wer nicht.
BERLIN Hart fiel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Münster die Kritik am Zustand der Mutterpartei CDU aus. Doch der Nachwuchs schaute auch nach vorne – und mit ihm das Spitzenpersonal der Partei. Einige schielen auf den Vorsitz. Wer stand mit seinem Auftritt überzeugend für einen Neuanfang, wer nicht? Die Gewinner und Verlierer des Konvents in Münster.
Armin Laschet Der noch amtierende Parteivorsitzende, der nun den Neuanfang der Union moderieren will, legte einen überzeugenden Auftritt hin. Er hielt seine wohl beste Rede seit Langem. Selbstkritisch, demütig, befreit – so präsentierte sich der 60-Jährige. „Nein, den Wahlkampf und die Kampagne habe ich zu verantworten. Sonst niemand“, so nahm der NRW-Ministerpräsident die Niederlage bei der Bundestagswahl auf seine Kappe. Zutreffend analysierte er den Zustand seiner Partei, beschwor die Wiederentdeckung einer alten CDU-Tugend, die des Zusammenhalts. Nicht plump, nicht schrill. Laschet – zwar ein Gewinner, dennoch bald ein König ohne Land.
Friedrich Merz Der 65-Jährige sieht sich als Bindeglied zwischen Alten und Jungen in der Partei. Sein Satz: „Junge Besen kehren gut, alte Bürsten kennen die Ecken“, war eine klare Bewerbung für mehr. Der Zuspruch in der Jungen Union hat inzwischen aber deutlich abgenommen, Merz musste sich auch Kritik gefallen lassen – er benenne nur Probleme, biete aber zu wenig Lösungen. Da wirkte der Sauerländer angefressen. „Die Party ist vorbei“, so Merz mit Blick auf den Zustand der CDU. Was sich einige fragten, war, welche Ziele er persönlich verfolgt. Eine Kanzlerkandidatur 2025? Dann ist Merz 70. Für Aufsehen sorgte seine Äußerung, die CDU sei ein „insolvenzgefährdeter
Sanierungsfall“. Tatsächlich punkten konnte er aber nicht. Zwischenzeitlich regte sich keine Hand. Der Stern von Merz sinkt – der klare Verlierer.
Jens Spahn Als Gesundheitsminister musste Spahn die Corona-Krise managen, da verlor er an Kampfeslust. Jetzt ist der „alte“Spahn zurück. Leidenschaftlich, provokant, fordernd, so fiel seine Rede aus. Offen wie nie berichtete er über die Anfeindungen im Wahlkampf auch wegen seines Schwulseins. „Die CDU ist nicht erledigt. Mund abwischen, wieder aufrappeln, wir starten durch. Ich habe Lust darauf, diese neue CDU zu gestalten“, rief er unter viel Applaus. Die Union brauche mehr inhaltliche Debatten und klare Leitsätze, die Spahn gleich formulierte. Der 41-Jährige wäre als Parteichef eine Mischung aus Establishment und Generationswechsel, ist manchem aber zu ehrgeizig. So offen und detailliert wie er warb aber keiner für einen Neuanfang – der klare Gewinner.
Ralph Brinkhaus Der Fraktionschef im Bundestag versuchte, sich auf dem Deutschlandtag klar abzugrenzen. Während Laschet und Merz das Sondierungspapier der Ampel-Koalitionäre lobten, nannte Brinkhaus die zwölf Seiten eine „stramme Linksagenda“. Brinkhaus will Oppositionsführer bleiben; er visiert offenkundig auch den Parteivorsitz an. Um seine Aussichten zu erhöhen, gilt er einer paritätisch besetzten Doppelspitze als nicht abgeneigt. Vor allem von Merz grenzte sich Brinkhaus ab: Die Union sei kein Sanierungsfall, sondern eine „Organisation mit unglaublichem Potenzial“. Jeder solle sich einen Zettel schreiben: „Wir wollen den 26. September wieder korrigieren.“Es gab allerdings auch den Vorwurf aus der JU, der 53-Jährige rede, als ob er schon jahrelang in der Opposition gewesen sei. Er solle sich mal ehrlich machen. Brinkhaus – weder Gewinner noch Verlierer.
Carsten Linnemann Er ist der Neue in der Riege derer, die als potenzielle Parteichefs gehandelt werden. Der Chef der Mittelstandsvereinigung beteiligte sich am Samstag beim „Pitch 2.0 – dein Plan für den Neuanfang“. Er sei „ein Zukunftsgesicht“, befand JU-Chef Tilman Kuban. Linnemann hatte zwar nur sieben Minuten, aber die hatten es in sich. Vehement und schonungslos analysierte er die Lage. Die Union stehe an einer Weggabelung. „Entweder, es geht nach oben, oder nach unten.“Es gehe jetzt um „Demut, um Haltung, um Zukunft“. Die Partei habe verlernt zu diskutieren. Er sprach vielen aus der Seele, entsprechend lang war der Applaus. Sieben Minuten, die Linnemann für sich genutzt hat. Der 44-Jährige – ein Gewinner.
Norbert Röttgen Auch von ihm heißt es, er wolle an die Parteispitze. Der 56-Jährige spielte auf dem Deutschlandtag – wenn überhaupt – nur eine kleine Nebenrolle. Am zweiten Tag tauchte er auf dem Konvent auf, durfte aber keine Rede halten. Das Ziel konnte für ihn nur sein, gesehen zu werden und Gespräche zu führen. Also postete er schöne Bilder von sich, unter anderem auf dem Rad in der Fahrradstadt Münster. Röttgen – kein Gewinner, kein Verlierer. Einfach nur Kurzzeitgast.