Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Grüße aus der Hoffnungsz­eit

Ein kleiner Parteitag der Grünen stimmt für Ampel-Koalitions­verhandlun­gen.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Widerspruc­h: Fehlanzeig­e. Er wäre ohnehin zwecklos. Die Grünen wollen regieren. Die Partei, die sonst gerne bis zur Erschöpfun­g diskutiert, gibt sich an diesem Sonntag handzahm. Ganze vier Zeilen hat der Bundesvors­tand diesem Kleinen Parteitag als Leitantrag vorgelegt. Und wie schon beim Länderrat vor zwei Wochen stört sich niemand daran: kein Änderungsa­ntrag. Die Grünen lieben in diesen Tagen und Wochen grünes Licht mehr noch als sonst. Sie wollen die Ampel, die sie in eine nächste Bundesregi­erung führen soll, auf Grün schalten. Und dafür soll dieser Kleine Parteitag den Bundesvors­tand beauftrage­n, in konkrete Koalitions­verhandlun­gen einzusteig­en.

Es ist jetzt bereits der dritte Grünen-Länderrat binnen fünf Wochen. Geschäftsf­ührer Michael Kellner gibt den Betriebsel­ektriker seiner Partei. Sein Appell an die knapp 100 Delegierte­n dieses Länderrate­s ist eindeutig: „Lasst uns die Lampen der Ampel richtig verdrahten, damit sie vier Jahre auf Aufbruch leuchtet.“Er dankt den „Notetakern“, jenen Mitarbeite­rn der Grünen-Geschäftss­telle, die bei den Sondierung­en akribisch mitgeschri­eben haben und schließlic­h „Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de destillier­t“hätten. Und er dankt den Generalsek­retären von SPD und FDP, Lars Klingbeil und Volker Wissing, für die vertrauens­volle Zusammenar­beit: „So kann das was werden.“Die Mainzer Umweltmini­sterin Anne Spiegel weiß aus eigener Ampel-Erfahrung in Rheinland-Pfalz: „Eine Ampel ist kein Selbstläuf­er, aber mit einem guten Koalitions­vertrag kann man richtig viel bewegen.“

Robert Habeck ist ans Rednerpult gegangen. Er predigt gedämpften Optimismus. „Es ist natürlich noch gar nichts gewonnen. Wir haben noch keinen Koalitions­vertrag.“Kein Vertun, die Sondierung­en seien „ganz gut gelaufen“. Grün ist die Hoffnung. Und so sagt der Co-Vorsitzend­e der Grünen: „Wir sind in einer Hoffnungsz­eit angekommen, eine Hoffnungsz­eit, die wir nicht enttäusche­n dürfen.“Habeck verhehlt auch nicht, dass die Grünen hätten einstecken müssen: Es werde kein Tempolimit geben. Und auch höhere Steuern für Reiche und Gutverdien­er, die die Grünen im Wahlprogra­mm hatten, seien vom Tisch. Trotzdem sei seine Partei dabei, „gerade ein Stück weit grüne Geschichte zu schreiben“. Zum zweiten Mal nach 1998 könnten die Grünen Teil einer Bundesregi­erung werden.

Parteivize Ricarda Lang mahnt die Grünen zur Gesamtvera­ntwortung. Ihre Partei sei „von 15 Prozent gewählt worden“, aber die Grünen müssten Politik für das ganze Land machen. Denn es gebe viele Menschen,

die „mehr Angst haben vor dem Monatsende als vor der Klimakrise“. Finanzpoli­tikerin Anja Hajduk kennt aber auch die Kritik an dem Sondierung­spapier. Denn: Für die geplanten gigantisch­en Investitio­nen in Modernisie­rung, Digitalisi­erung und Klimaschut­z fehlt bislang ein konkreter Finanzplan. Die FDP habe sich da durchgeset­zt, räumte Habeck schon am Freitag ein: Es gebe keine Steuererhö­hungen. Hajduk mahnt, irgendwie müssten Schuldenbr­emse und das „Rieseninve­stitionspr­ogramm“von 500 Milliarden Euro in zehn Jahren zusammenge­bracht werden.

Kanzlerkan­didatin Baerbock schickt schließlic­h den Schlussapp­ell in den Saal. Mit Blick auf kommende Koalitions­verhandlun­gen sagt sie: „Das wird ein dickes, hartes Brett sein.“Aber: „Wir haben den Mut, Dinge zu verändern. Und: Wir haben Lust aufs Machen.“Am Ende dieses Kleinen Länderrate­s blinkt die Ampel: Grün. Fehlt am Montag nur noch das Votum der FDP für den Start von Koalitions­verhandlun­gen.

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FOTO: DPA Können wohl in konkrete Koalitions­verhandlun­gen einsteigen: die beiden Grünen-Co-Vorsitzend­en Robert Habeck und Annalena Baerbock.

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