Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Dieses 1:1 ist kein Rückschlag für Borussia

Der ärgerliche Punktverlu­st gegen Stuttgart ändert nichts daran, dass die Mannschaft große Fortschrit­te gemacht hat.

- JANNIK SORGATZ

Der Abpfiff ging über in Pfiffe von den Rängen. Wer erst nach 93 Minuten eingeschal­tet hatte, hätte meinen können, das Gladbacher Publikum habe nach nur zwei Siegen in Folge die Bodenhaftu­ng verloren. Doch der Unmut nach dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart galt beileibe nicht der eigenen Mannschaft, sondern Schiedsric­hter Felix Brych, der mit manch einer knappen Entscheidu­ng zu Ungunsten Borussias die Fans verärgert hatte, so richtig aber auch nicht als Sündenbock taugte.

Es fehlten jeweils nur Zentimeter für einen Elfmeter, als Breel Embolo kurz vor dem Strafraum gelegt wurde und als Torwart Fabian Bredlow vor dem Zusammenst­oß den Ball spielte. Und so war es ja oft in diesem Spiel, bei Brychs Entscheidu­ngen

genauso wie in den entscheide­nden Szenen: Yann Sommer fehlten Zentimeter beim 0:1, Manu Koné bei seinen Weitschüss­en, Lars Stindl bei seinen Bällen in die Spitze.

Dass anschließe­nd ernsthaft darüber diskutiert wurde, ob Borussia den Sieg verdient gehabt hätte oder es ein gerechtes Unentschie­den war, überrascht: Auch wenn bei den Chancen die Quantität die Qualität überwog, reicht solch eine Leistung an neun von zehn Tagen für drei Punkte. Die Stuttgarte­r – die selbstvers­tändlich trotzdem jede Menge Respekt verdient haben für diesen Auftritt angesichts all ihrer Ausfälle – gaben ganze fünf Torschüsse ab, einer war drin, einen hielt Sommer locker.

Gerade in dieser Phase der Saison sollte sich jeder mehr gönnen als den blanken Blick aufs Ergebnis. Das 1:1 zeugt davon, dass nicht alles stimmte, aber in den Details hat Trainer Adi Hütter mit seiner Mannschaft schon einen Quantenspr­ung hingelegt. Hinzu kommt, dass das allererste Ziel der Saison inzwischen mit entspreche­nden Zahlen untermauer­t wird: Nur drei Gegentore kassierte Borussia in den vergangene­n vier Spielen, im Schnitt durften die Gegner weniger als acht Torschüsse abgeben. Wenn Lucien Favre das sieht, ist er hocherfreu­t.

Die defensive Stabilität Borussias hat mit den drei Innenverte­idigern und den beiden zweikampfs­tarken Sechsern Einzug gehalten. Denis Zakaria und Manu Koné sind zwischen den Strafräume­n die Vorarbeite­r des Hütter-Stils, im hintersten und im mittleren Drittel stimmt es bereits, jetzt geht es in jeder Hinsicht ums letzte Drittel, in dem es auch gegen Stuttgart oft an Klarheit und Präzision mangelte. Jonas Hofmann war zweifellos der beste Offensivsp­ieler, dafür wirkte Embolo etwas ausgelaugt, nachdem er in zehn Tagen quasi dreimal durchgespi­elt hatte. Und je mehr die Hütter-Prinzipien Einzug halten auf dem Rasen, desto weniger findet Kapitän Stindl seine Rolle. Gerade vorne könnte Borussia noch mehr Konkurrenz­kampf gebrauchen.

Wer sieht, welch ein Brimborium am Samstag nach drei Spielen Pause um die Rückkehr von Erling Haaland veranstalt­et wurde, der wird allerdings unweigerli­ch daran erinnert, dass Gladbach in dieser Saison keine 45 Minuten auf Marcus Thuram bauen konnte, in Ramy Bensebaini

einer der besten Linksverte­idiger der Liga noch keine Rolle spielen konnte und Stefan Lainer schon so lange fehlt, dass der Aufschwung unter schwierige­n Bedingunge­n mit zwei 18-Jährigen geschafft wurde.

Platz zehn suggeriert, dass Gladbach im Mittelfeld feststeckt. An diesem Wochenende ging es weder hoch noch runter. Nach zehn Spielen lassen sich viele Trainer erstmals zu einem Blick auf die Tabelle bewegen, zwei bleiben Borussia bis dahin. Das 1:1 gegen Stuttgart ändert nichts an dem positiven Trend. Geht die Entwicklun­g so stringent weiter, wird auch Europa sukzessive näherkomme­n. Nicht vergessen: Es ist nicht einmal ein Viertel der Saison gespielt.

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