Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Entzauberung von Chinas Wirtschaft
Lange galt China als Wirtschaftswunderland. Hohe Wachstumsraten und ein riesiger Binnenmarkt verhießen einen Boom ohne Ende. Selbst die Corona-Krise steckten die Chinesen erstaunlich schnell weg. Die sozialistische Marktwirtschaft erschien manchem gar als wundersamer Dritter Weg. Doch nun zeigt sich, dass man auch im Reich der Mitte nur mit Wasser kocht. Die Wirtschaft stöhnt unter den drastischen Maßnahmen, mit denen die Führung auf neue Corona-Ausbrüche reagiert. Der Immobiliensektor leidet unter Überschuldung. Mit den Turbulenzen um den Immobilienentwickler Evergrande erlebt China eine Art eigene Lehman-Krise. Und nun setzt der Staat auch noch den Tech- und Finanzkonzernen mit Regulierung zu. Und so brechen die Wachstumszahlen auf das Niveau des alten Westens ein. Das ist nicht nur für die Volksrepublik ein Problem, sondern auch für die westlichen Konzerne.
Auto, Chemie, Maschinenbau – für viele deutsche Branchen ist China der wichtigste Markt. Und im Buhlen um die Gunst der Chinesen haben manche Manager lange und großzügig über Missstände in dem Land hinweggesehen. Doch wer mit Autokraten Geschäfte macht, wird auf Dauer davon eingeholt, dass es immer auch politische Geschäfte sind. Chinas aktuelle Energiekrise ist nicht zuletzt Folge des Kräftemessens mit den USA: Weil Australien seine AtomU-Boote nun in Amerika bauen lässt, ist China sauer und stoppt seine Kohleimporte aus Australien – auch wenn es sich damit ins eigene Fleisch schneidet und ab und zu die Lichter ausgehen. Politik sticht in dem sozialistischen Land eben doch immer noch die Wirtschaft. Der drohende Kater nach der China-Trunkenheit mancher westlicher Konzerne hat auch sein Gutes: Sie dürften die alte Regel wieder beherzigen, nie alle Eier in einen Korb zu legen.
BERICHT CHINA NIMMT SCHÄDEN IN KAUF, WIRTSCHAFT