Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Jäger in NRW warnen vor Wildunfällen
Im Herbst kommt es auf den Straßen häufig zu fatalen Kollisionen mit Tieren. Die Zahl stieg in Nordrhein-Westfalen zuletzt. Jüngst liefen in Bielefeld gar Wildschweine auf die Autobahn. Warnschilder sollten ernst genommen werden.
DÜSSELDORF Eine Rotte Wildschweine rennt panisch auf die Autobahn, Fahrer weichen aus, bremsen, es kommt zu einer Massenkollision. Vor wenigen Tagen wurde dieser Albtraum für Autofahrer auf der A2 bei Bielefeld Wirklichkeit. Sechs Fahrzeuge kollidierten bei dem Unfall gegen Mitternacht, eine Frau wurde verletzt, vier Tiere verendeten auf der Straße. Gleich drei Wildunfälle innerhalb von 24 Stunden ereigneten sich von Montagnachmittag bis Dienstagfrüh auf der L86 in Eitorf. Betroffen waren zwei Rehe und ein Wildschwein. Immer wieder kommt es in dieser Jahreszeit zu teils schweren Wildunfällen. Eine Ursache sei, sagt Andreas Schneider vom Landesjagdverband NRW, eine statistische Banalität: „Die Hauptbewegungszeit des Menschen und des Wildes fällt im Herbst in den gleichen Zeitraum – alle sind in den Dämmerstunden unterwegs.“
Gar nicht banal sind oft die Folgen solcher Kollisionen. Statistisch sterben bundesweit jedes Jahr etwa 30 Menschen bei Wildunfällen, rund 2600 Personen werden verletzt. Im Jahr 2019 zählte der Bundesjagdverband in NRW zudem rund 31.800 auf der Straße getötete Tiere, sogenanntes Fallwild, im Jahr 2020 waren es etwa 32.400. Daten für dieses Jahr liegen noch nicht vor. Während diese Zahl im Land also leicht steigt, verzeichnet der Verband im Bund einen leichten Rückgang von 238.000 Fallwild-Fällen im Jahr 2019 auf 235.000 im Jahr 2020. Neben den körperlichen Schäden machen die Wildunfälle auch einen enormen Posten bei den Autoversicherern aus. Alleine im Jahr 2019 mussten die Versicherungen 885 Millionen Euro aufbringen, um entsprechende Schäden zu begleichen, listet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft auf.
Das liegt auch daran, dass es bei Kollisionen mit Wildtieren häufig zu schweren Schäden an den Fahrzeugen kommt. Wird beispielsweise ein nur 20 Kilogramm schweres Reh mit Tempo 100 von einem Pkw erfasst, wirkt eine Aufprallenergie von mehreren Tonnen sowohl auf das Tier als auch auf das Auto. „Der Schlüssel, um solche Unfälle oder zumindest schwere Schäden zu vermeiden, ist angepasste Geschwindigkeit“, sagt Schneider. In Wildwechsel-Zonen sollten Autofahrer lieber noch fünf bis zehn Kilometer unter der empfohlenen Höchstgeschwindigkeit bleiben, am besten nicht schneller als 60 Kilometer pro Stunde unterwegs sein. Schneider erinnert zudem daran, wie wichtig es sei, entsprechende Warnschilder ernst zu nehmen: „Die stehen nicht von ungefähr dort.“
Weniger weit verbreitet sind Wildwarnanlagen, wie sie 2011 im Reichswald im Kreis Kleve installiert wurden. Dabei geben die elektronischen Schilder Lichtsignale, wenn sich in dem überwachten Bereich Wild der Straße nähert. Das hat laut Schneider zwar einen höheren Aufmerksamkeitswert, dennoch müssten auch normale Schilder beachtet werden. Als nicht sehr wirksam haben sich laut einer Studie blaue Reflektoren am Straßenrand erwiesen, die Wild davon abhalten sollen, die Fahrbahn zu überqueren. Schneider betont, es sei wichtig, in entsprechenden Abschnitten aufmerksam den Wald- und Straßenrand zu beobachten. Passagen, in denen der Wald bis zur Straße reicht, sind gefährlicher. Zudem sind die Tiere selten allein unterwegs; es muss immer mit Nachzüglern gerechnet werden. Und wenn Wild im Scheinwerferlicht auftaucht: abblenden, abbremsen, hupen.
Ist ein Unfall nicht mehr zu vermeiden, sollte der Fahrer bremsen, aber nicht ausweichen, weil dann meist die Kontrolle über das Fahrzeug verloren geht. Nach einer Kollision muss die Unfallstelle gesichert, das angefahrene Wild von der Straße entfernt und die Polizei verständigt werden. Selbst wenn ein Tier scheinbar gesund weiterläuft und im Unfallbereich keine Blutspuren erkennbar sind, kann es schwerste innere Verletzungen davongetragen haben, an denen es später qualvoll verendet. Deshalb ist es wichtig, alle Wildunfälle zu melden, damit ein Jäger mit seinem ausgebildeten Jagdhund das Tier suchen und von seinen Qualen erlösen kann. In NRW ist bei allen Wildunfällen mit Paarhufern, also Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Mufflons, die Unfallmeldung bei der Polizei sogar gesetzliche Pflicht.