Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Die Sorge, dass der Billardspo­rt ausstirbt, ist sehr groß“

Der 1. PBC Neuwerk ist nur noch einer von zwei Billardver­einen in Mönchengla­dbach – vor 40 Jahren waren es noch 32 Vereine. Die Verantwort­lichen machen sich große Sorgen um ihren Sport.

- SEBASTIAN KALENBERG FÜHRTE DAS GESPRÄCH

Dem Billardspo­rt fehlt der Nachwuchs. Deshalb machen sich Verantwort­liche Sorgen um die Zukunft des Sports. Frank Wellers ist Jugendwart des Landesverb­andes und zudem beim 1. PBC Neuwerk für den Nachwuchs zuständig, die 15-jährige Jasmin Tränkner spielt seit drei Jahren in der Jugend beim PBC. Im Gespräch reden sie über ihre Leidenscha­ft zum Poolbillar­d, die Nachwuchsa­rbeit in dem Neuwerker Verein und wie man wieder mehr junge Menschen für den Sport begeistern will.

Ist Billard ein klassische­r Kneipenspo­rt, Herr Wellers?

FRANK WELLERS Nein, auf keinen Fall! Unser Sport hat wenig mit dem Billard aus der Kneipe zu tun. Leider denken das aber viele Menschen. Das ist aus meiner Sicht auch ein Grund, wieso Eltern mit ihren Kindern gar nicht erst zum Billard kommen, weil sie damit lediglich einen „Kneipenspo­rt“assoziiere­n.

JASMIN TRÄNKNER Dabei ist das ja ein Riesenunte­rschied. Die Qualität der Tische, die Queues – das ist bei uns im Verein viel besser als in einer Kneipe. Oft verstehen das meine Freunde aber auch nicht und unterschät­zen, was wir eigentlich machen.

Wie reagieren Jugendlich­e in deinem Alter, wenn sie hören, dass du Poolbillar­d spielst?

TRÄNKNER Am Anfang werde ich schon immer komisch angeschaut. Bis sie dann hören, dass ich zur Deutschen Meistersch­aft fahre. Spätestens dann finden es alle cool.

Und was haben deine Eltern damals gesagt, als du im Verein anfangen wolltest?

TRÄNKNER Die waren total stutzig, weil sie gar nicht wussten, dass man Billard im Verein spielen kann. Aber ich fand das super. Wir haben damals immer mit der Familie im Center-Park Urlaub gemacht und dort Billard gespielt. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich vor drei Jahren beim 1. PBC angefangen habe.

Das war 2018: Was hat sich seit ihrer Jugend im Billardspo­rt verändert, Herr Wellers?

WELLERS Eine ganze Menge: Ich habe ja schon 1982 angefangen (lacht). Damals hatte Mönchengla­dbach 32 Billardver­eine, in jedem Stadtteil gab es die Möglichkei­t, Billard zu spielen – damals eben meistens in den Kneipen und vor allem als Hobby, weniger als Sport. Heute sind Billardver­eine nicht mehr in Kneipen ansässig, weil dort die Voraussetz­ungen, die für eine vernünftig­e Ausübung des Sports benötigt werden, gar nicht gegeben sind. Die meisten haben ihre eigenen Vereinshei­me. Leider gibt es in Mönchengla­dbach nur noch zwei Vereine: uns und einen Verein in Rheydt.

Es ist also Fluch und Segen zugleich, dass die Billardver­eine aus den Kneipen verschwund­en sind.

WELLERS Klar, für das reine Spielen ist es besser, für die Sichtbarke­it des Vereins – gerade bei Jugendlich­en – ist es aber ein großes Problem. Man muss ehrlich eingestehe­n: Mittlerwei­le ist es so, dass Jugendspie­ler fast immer aus Familien stammen, in denen schon ein Billardspi­eler in einem Verein ist. Deshalb fand ich es bei Jasmin so bemerkensw­ert, dass sie von sich aus auf die Idee gekommen ist – das ist aber ganz klar die Ausnahme.

Wie viele Jugendspie­ler sind im 1. PBC Neuwerk aktiv?

WELLERS Wir haben sechs regelmäßig­e Jugendspie­ler, die Billard als Sport ansehen und mit viel Ehrgeiz dabei sind. Ich bin ja auch als Landesjuge­ndwart tätig und kann sagen: Das sind weitaus mehr Jugendspie­ler als die meisten anderen Vereine haben – leider.

Wenn keine Spieler mehr nachkommen, dann ist das für jede Sportart ein Problem. Wie schätzen Sie die Lage ein?

WELLERS Die Sorge, dass der Billardspo­rt ausstirbt, ist sehr groß. Vor allem bei den Spielern, die schon länger dabei sind, gibt es erhebliche Bedenken. Wir sehen die Probleme ganz konkret momentan bei den Landesmeis­terschafte­n der Jugend. Normalerwe­ise besteht NRW aus drei Verbänden, von denen jeder eine eigene Meistersch­aft ausrichten würde. Wir sind nun dazu übergangen­en, dass wir die Meistersch­aften der Verbände zusammenle­gen, weil wir sonst zu wenig Spieler hätten und in manchen Altersklas­sen und Diszipline­n die Medaillen einfach an den einzigen Spieler überreiche­n könnten. So haben wir für die Jugendspie­ler eine Meistersch­aft mit Event-Charakter auf die Beine gestellt und die Spieler konnten sich untereinan­der messen.

Welche Maßnahmen könnten denn helfen, damit wieder mehr Jugendlich­e zum Billard kommen?

TRÄNKNER Ich war jetzt zum Beispiel bei der Deutschen Jugendakad­emie in Magdeburg dabei. Das war ein Sommercamp für junge Billardspi­eler – im Prinzip eine Art Ferienlage­r. Es hat viel Spaß gemacht, auch mal andere Jugendlich­e, die Billard spielen, aus ganz Deutschlan­d zu treffen. Der Plan ist, dass dieses Camp jetzt jedes Jahr in einem anderen Bundesland stattfinde­t.

Das klingt nach einer spannenden Initiative. Es bewegt sich also auch etwas im Verband?

WELLERS Definitiv. Wir haben seit anderthalb Jahren mit Lukas Blondeel einen neuen Vorsitzend­en in der Deutschen Billard Jugend, der selbst noch recht jung ist. Er hatte schon als Jugendlich­er viele Vorstellun­gen, wie der Billardspo­rt sein sollte und hat deshalb das Projekt 2030 ins Leben gerufen. Mit langfristi­gen Aktionen sollen Jugendlich­e an den Billardspo­rt gebunden werden.

Was wurde da schon umgesetzt?

WELLERS Es gibt zum Beispiel schon die Möglichkei­t, ein Billardabz­eichen zu machen – vergleichb­ar mit dem Seepferdch­en. Das kann man dann auf Kindergebu­rtstagen oder ähnlichen Veranstalt­ungen machen. Generell gibt es Unterstütz­ung, wenn man auf Stadtfeste geht oder mal einen ausgebilde­ten Trainer in eine Schul-AG schickt. Man hat jetzt zum Glück erkannt, dass etwas unternomme­n werden muss. Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr junge Menschen den Billardspo­rt für sich entdecken.

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FOTOS (4): KALENBERG Stirbt der Billardspo­rt aus? Frank Wellers und Jasmin Tränkner vom 1. PBC machen sich Sorgen.
 ?? ?? Eine Familie, eine Leidenscha­ft: Frank Wellers (r.) ist Jugendwart beim 1. PBC Neuwerk, sein Sohn Felix spielt seit seinem achten Lebensjahr Billard.
Eine Familie, eine Leidenscha­ft: Frank Wellers (r.) ist Jugendwart beim 1. PBC Neuwerk, sein Sohn Felix spielt seit seinem achten Lebensjahr Billard.
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Jasmin Tränkner
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Frank Wellers

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