Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wie Bewohner und Pfleger im Altenheim feiern.
Wie still ist die Nacht in den Pflegeeinrichtungen? Wird in Corona-Zeiten zusammen gefeiert? Welche Rolle spielen Erinnerungen? Und gibt es für Bewohner Geschenke? Ein Pfleger und eine Bewohnerin teilen ihre Erfahrungen und erzählen, was sie außerdem mit Weihnachten verbinden.
RHEYDT Weihnachten feiern viele im Familienkreis. Einige verbringen dieses Fest aber im Seniorenheim. Wie ist es, Weihnachten dort zu feiern? Pfleger Markus Siebel und Bewohnerin Maria Steses erzählen.
Maria Steses, 72, Bewohnerin des Altenheim Kamillus
„Seit drei Jahren lebe ich im Kamillus. Ich wohne auf der ersten Etage, mein Mann auf der vierten. Ich habe Parkinson und sitze im Rollstuhl. An guten Tagen kann ich alleine zu meinem Mann fahren. An schlechten muss ich die Damen vom Empfang bitten, mir zu helfen.
Im Heim stehen mehrere Weihnachtsbäume und auf meiner Etage gibt es auch ein wunderschönes Krippchen. Weihnachten werden wir hier eine Feier haben. Ich möchte dann einen dunkelblauen Hosenanzug mit weißer Bluse tragen. Außerdem werde ich etwas roten Lippenstift auftragen. Ich freue mich auf Weihnachten, vor allem auf die Gemeinschaft. Bei der Feier werden Gedichte aufgesagt, wir singen Lieder und es gibt Gänsebrust und Wildragout zu essen. In den letzten Jahren gab es Geschenke, ich habe zum Beispiel mal eine Nackenrolle bekommen und in einem anderen Jahr eine Decke. Wahrscheinlich werden auch Erinnerungen geteilt. Ich bin eine der Jüngsten hier. Manche erzählen die gleiche Geschichte zum dreißigsten Mal. Damit kann ich aber umgehen. Ob meine Tochter, mein Sohn und meine beiden Enkel zu Besuch kommen, hängt davon ab, was Corona macht.
Ich habe das Gefühl, Corona zeigt, dass an dem Sprichwort ,Aus den Augen, aus dem Sinn' viel Wahres ist. Manche anderen Bewohner bekamen vor der Pandemie jede Woche Besuch, nun kommen ihre Kinder fast nie mehr vorbei. Letztes Jahr war Weihnachten sehr traurig, so ganz ohne Besuch. Ich habe mit meiner Familie telefoniert, aber viele alte Menschen besitzen kein Handy.
Als Kind war Weihnachten sehr schön. Wir haben gebastelt und gesungen und sind zum Gottesdienst gegangen. An Heiligabend gab es Kartoffelsalat mit Würstchen. Das gibt es hier im Heim auch. Der Kartoffelsalat schmeckt hier aber natürlich anders.
Mir kommen bei Weihnachten auch Ungerechtigkeiten in den Sinn. Wenn ich eine Weihnachtsandacht halten könnte, würde ich Kriege und Menschenrechtsverletzungen ansprechen und darauf hinweisen, dass Frauen in der katholischen Kirche zu wenig zu sagen haben.
Früher war ich Krankenschwester. Da habe ich immer an Weihnachten gearbeitet. Ich mochte das, denn an diesen Tagen durften die nicht so schwer kranken Patienten nach Hause und dadurch hatte ich Zeit, mich ein bisschen mehr um die Patienten zu kümmern, die noch da waren. Wir haben mit den Patienten gesungen. Für jeden Patienten gab es ein Gesteck mit Kerze, und die Patienten und das Personal bekamen Plätzchen. Ich weiß nicht, ob ich heute noch im Krankenhaus arbeiten könnte. Ich finde, es sollte viel mehr thematisiert werden, was Pfleger und Ärzte nun in der Corona-Zeit leisten.“
Markus Siebel, 46, Pflegefachkraft im Caritaszentrum Rheydt
„Am zweiten Weihnachtstag arbeite ich im Frühdienst. Der geht von 6.30 bis 14 Uhr. Ich unterstütze bei der Grundpflege, wasche Bewohnern zum Beispiel den Rücken, ziehe ihnen Strümpfe an und verteile Tabletten. Zur Mittagszeit reiche ich Bewohnern ihr Essen an. Einige Bewohner legen sich danach hin, andere spielen Mensch-Ärgere-DichNicht. Nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen. Dieser Tag ist ziemlich ähnlich wie jeder andere auch.
Am ersten Weihnachtstag gibt es aber eine gemeinsame Feier im Speisesaal. Der Bewohnerbeirat hat ein Mitspracherecht bei der Essensauswahl. Zum Glück können Bewohner wieder gemeinsam essen – die Abstände zwischen den Tischen haben wir vergrößert. Wir sorgen dafür, dass Bewohner vor dem Fest zum Friseur können und achten darauf, dass sie an dem Tag etwas Festliches tragen. Für die Bewohner gibt es auch Geschenke. Der Sozialdienst hat versucht herauszukriegen, was die Vorlieben und Abneigungen der Bewohner sind.
Gespräche sind an Weihnachten besonders wichtig. Für einige Bewohner ist es das erste Jahr im Seniorenheim, und sie verspüren Wehmut nach Festen in der eigenen Wohnung. Für manche Bewohner sind wir Pfleger auch eine Art Familienersatz. Wir können zwar keine Familie ersetzen, aber für die Bewohner sind wir vertraute Gesichter. Manche Bewohner werden über die Feiertage von ihrer Familie abgeholt. Von den Menschen, die an Demenz erkrankt sind, können aber nicht einmal zehn Prozent ihre Familie besuchen.
Letztes Jahr habe ich auf einer Station gearbeitet, auf der nur Menschen mit Demenz wohnen. Eine Bewohnerin hat eine Woche lang erzählt, wie schön Weihnachten früher war. Es war immer wieder die gleiche Geschichte, aber sie hatte immer wieder die gleichen schönen Erinnerungen.
Heiligabend verbringe ich wahrscheinlich mit meiner Frau und meinem zweijährigen Sohn. Am ersten Weihnachtstag feiern wir dann mit Eltern und Schwiegereltern. Zum neuen Jahr wünsche ich mir, dass Corona uns weniger beschränkt und dass mehr Menschen meinen Beruf ergreifen. Es ist eine schöne Arbeit.“