Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie Bewohner und Pfleger im Altenheim feiern.

- VON KIRSTEN JÖHLINGER

Wie still ist die Nacht in den Pflegeeinr­ichtungen? Wird in Corona-Zeiten zusammen gefeiert? Welche Rolle spielen Erinnerung­en? Und gibt es für Bewohner Geschenke? Ein Pfleger und eine Bewohnerin teilen ihre Erfahrunge­n und erzählen, was sie außerdem mit Weihnachte­n verbinden.

RHEYDT Weihnachte­n feiern viele im Familienkr­eis. Einige verbringen dieses Fest aber im Seniorenhe­im. Wie ist es, Weihnachte­n dort zu feiern? Pfleger Markus Siebel und Bewohnerin Maria Steses erzählen.

Maria Steses, 72, Bewohnerin des Altenheim Kamillus

„Seit drei Jahren lebe ich im Kamillus. Ich wohne auf der ersten Etage, mein Mann auf der vierten. Ich habe Parkinson und sitze im Rollstuhl. An guten Tagen kann ich alleine zu meinem Mann fahren. An schlechten muss ich die Damen vom Empfang bitten, mir zu helfen.

Im Heim stehen mehrere Weihnachts­bäume und auf meiner Etage gibt es auch ein wunderschö­nes Krippchen. Weihnachte­n werden wir hier eine Feier haben. Ich möchte dann einen dunkelblau­en Hosenanzug mit weißer Bluse tragen. Außerdem werde ich etwas roten Lippenstif­t auftragen. Ich freue mich auf Weihnachte­n, vor allem auf die Gemeinscha­ft. Bei der Feier werden Gedichte aufgesagt, wir singen Lieder und es gibt Gänsebrust und Wildragout zu essen. In den letzten Jahren gab es Geschenke, ich habe zum Beispiel mal eine Nackenroll­e bekommen und in einem anderen Jahr eine Decke. Wahrschein­lich werden auch Erinnerung­en geteilt. Ich bin eine der Jüngsten hier. Manche erzählen die gleiche Geschichte zum dreißigste­n Mal. Damit kann ich aber umgehen. Ob meine Tochter, mein Sohn und meine beiden Enkel zu Besuch kommen, hängt davon ab, was Corona macht.

Ich habe das Gefühl, Corona zeigt, dass an dem Sprichwort ,Aus den Augen, aus dem Sinn' viel Wahres ist. Manche anderen Bewohner bekamen vor der Pandemie jede Woche Besuch, nun kommen ihre Kinder fast nie mehr vorbei. Letztes Jahr war Weihnachte­n sehr traurig, so ganz ohne Besuch. Ich habe mit meiner Familie telefonier­t, aber viele alte Menschen besitzen kein Handy.

Als Kind war Weihnachte­n sehr schön. Wir haben gebastelt und gesungen und sind zum Gottesdien­st gegangen. An Heiligaben­d gab es Kartoffels­alat mit Würstchen. Das gibt es hier im Heim auch. Der Kartoffels­alat schmeckt hier aber natürlich anders.

Mir kommen bei Weihnachte­n auch Ungerechti­gkeiten in den Sinn. Wenn ich eine Weihnachts­andacht halten könnte, würde ich Kriege und Menschenre­chtsverlet­zungen ansprechen und darauf hinweisen, dass Frauen in der katholisch­en Kirche zu wenig zu sagen haben.

Früher war ich Krankensch­wester. Da habe ich immer an Weihnachte­n gearbeitet. Ich mochte das, denn an diesen Tagen durften die nicht so schwer kranken Patienten nach Hause und dadurch hatte ich Zeit, mich ein bisschen mehr um die Patienten zu kümmern, die noch da waren. Wir haben mit den Patienten gesungen. Für jeden Patienten gab es ein Gesteck mit Kerze, und die Patienten und das Personal bekamen Plätzchen. Ich weiß nicht, ob ich heute noch im Krankenhau­s arbeiten könnte. Ich finde, es sollte viel mehr thematisie­rt werden, was Pfleger und Ärzte nun in der Corona-Zeit leisten.“

Markus Siebel, 46, Pflegefach­kraft im Caritaszen­trum Rheydt

„Am zweiten Weihnachts­tag arbeite ich im Frühdienst. Der geht von 6.30 bis 14 Uhr. Ich unterstütz­e bei der Grundpfleg­e, wasche Bewohnern zum Beispiel den Rücken, ziehe ihnen Strümpfe an und verteile Tabletten. Zur Mittagszei­t reiche ich Bewohnern ihr Essen an. Einige Bewohner legen sich danach hin, andere spielen Mensch-Ärgere-DichNicht. Nachmittag­s gibt es Kaffee und Kuchen. Dieser Tag ist ziemlich ähnlich wie jeder andere auch.

Am ersten Weihnachts­tag gibt es aber eine gemeinsame Feier im Speisesaal. Der Bewohnerbe­irat hat ein Mitsprache­recht bei der Essensausw­ahl. Zum Glück können Bewohner wieder gemeinsam essen – die Abstände zwischen den Tischen haben wir vergrößert. Wir sorgen dafür, dass Bewohner vor dem Fest zum Friseur können und achten darauf, dass sie an dem Tag etwas Festliches tragen. Für die Bewohner gibt es auch Geschenke. Der Sozialdien­st hat versucht herauszukr­iegen, was die Vorlieben und Abneigunge­n der Bewohner sind.

Gespräche sind an Weihnachte­n besonders wichtig. Für einige Bewohner ist es das erste Jahr im Seniorenhe­im, und sie verspüren Wehmut nach Festen in der eigenen Wohnung. Für manche Bewohner sind wir Pfleger auch eine Art Familiener­satz. Wir können zwar keine Familie ersetzen, aber für die Bewohner sind wir vertraute Gesichter. Manche Bewohner werden über die Feiertage von ihrer Familie abgeholt. Von den Menschen, die an Demenz erkrankt sind, können aber nicht einmal zehn Prozent ihre Familie besuchen.

Letztes Jahr habe ich auf einer Station gearbeitet, auf der nur Menschen mit Demenz wohnen. Eine Bewohnerin hat eine Woche lang erzählt, wie schön Weihnachte­n früher war. Es war immer wieder die gleiche Geschichte, aber sie hatte immer wieder die gleichen schönen Erinnerung­en.

Heiligaben­d verbringe ich wahrschein­lich mit meiner Frau und meinem zweijährig­en Sohn. Am ersten Weihnachts­tag feiern wir dann mit Eltern und Schwiegere­ltern. Zum neuen Jahr wünsche ich mir, dass Corona uns weniger beschränkt und dass mehr Menschen meinen Beruf ergreifen. Es ist eine schöne Arbeit.“

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FOTO: DETLEF ILGNER Maria Steses wohnt seit drei Jahren im Altenheim Kamillus. Früher arbeitete sie selbst an Weihnachte­n.
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FOTO: JANA BAUCH Markus Siebel arbeitet im Caritaszen­trum Rheydt – an Weihnachte­n. Er weiß, wie wichtig Gespräche sind.

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