Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Das Haus ist leider schon weg
Die Geschichte der Suche einer jungen Familie nach einer Immobilie in Willich steht für viele in der Region. Sie handelt von geplatzten Träumen, Biet-Wettbewerben und Doppelverdienern, die sich kein Haus mehr leisten können.
WILLICH Ein typischer Abend bei Sandra Pfeifer und ihrem Partner Hendrik Steves aus Willich sieht so aus: Die Kinder (fünf Monate und zweieinhalb Jahre) ins Bett bringen und dann ab auf die Couch oder an den Küchentisch, Laptop aufklappen, die Immobilienportale abklappern und hoffen, dass endlich ein passendes Haus eingestellt worden ist. Doch mit jedem Abend wächst ihr Frust; seit dreieinhalb Jahren ist die junge Familie nun schon auf der Suche nach einem Häuschen in Willich. „Und wenn mal etwas da ist, was halbwegs passen könnte, legt ein anderer sofort noch mehr Geld drauf. Und dann noch mehr und dann noch mehr“, sagt die 32-Jährige: „Es ist zum Verzweifeln“.
So wie der jungen Familie aus Willich geht es vielen in der Region; sie finden zum Kauf keine bezahlbaren Häuser und Wohnungen mehr. Längst sind die Preise nicht nur in begehrten Metropolen wie Düsseldorf und Köln so hoch, dass sich selbst Doppelverdiener kein Reihenhaus mehr leisten können; auch in den Speckgürteln und darüber hinaus haben die Preise so stark angezogen, dass für viele Familien der Wunsch vom Eigenheim kaum zu realisieren ist. „Wer nicht spätestens vor acht bis zehn Jahren gekauft hat oder genügend Geld erbt, für den ist es sehr schwer, noch was zu bekommen“, sagt Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus und Grund Rheinland-Westfalen. „Ich will nicht sagen, dass eine ganze Generation ausgeschlossen wird von der Wohneigentumsbildung, aber es ist natürlich für viele aktuell nicht möglich“, sagt er: „Die Menschen, die sich früher aufgrund ihres Einkommens normalerweise Häuser kaufen konnten, kommen jetzt nicht mehr zum Zuge.“
Sandra Pfeifer und ihr Freund gehören zur Mittelschicht; er ist fest angestellt bei einer Bank, sie arbeitet in der Abrechnungsabteilung eines Krankenhauses. Als die beiden sich vor etwa dreieinhalb Jahren auf die Suche nach einem Haus machen, sind sie noch guter Dinge. Ihre Anforderungen sind nicht überzogen: Ein kleines Haus in Willich soll es sein; nicht einmal neu muss es sein, gerne älter, eines, wo man noch was dran machen müsste. 100 Quadratmeter mit vier bis fünf Zimmern würden ihnen schon reichen. Ein kleiner Garten wäre schön für die Kinder, vielleicht noch eine Garage. Mehr nicht. „Wir haben gedacht, dass es das doch wirklich geben muss in Willich“, sagt Sandra Pfeifer.
300.000 Euro haben sie für ihren Traum zur Verfügung. Sie fragen im Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis nach – „wenn ihr was hört, sagt uns Bescheid“. Sie wälzen Zeitungsinserate und schauen im Internet. Immer wieder keimt Hoffnung auf, stoßen beide auf etwas Interessantes. „Dummerweise sind wir dann aber tatsächlich meistens nur ein paar Stunden zu spät gewesen, und es haben sich schon so viele bei dem Eigentümer der infrage kommenden Immobilie gemeldet, dass er einen Annahmestopp verhängt hat“, sagt sie. Häufig werden sie vertröstet. Man sagt ihnen, dass schon zu viele Interessenten da wären, man sich aber melden würde, wenn niemand Passendes darunter wäre. Einen Rückruf erhalten sie nie. Aber locker lassen sie nicht. Auf Nachfrage erhalten sie dann aber immer dieselbe Antwort: Das Haus sei leider schon weg.
Ein wesentlicher Grund für die hohen Kaufpreise sei die Niedrigzins-Politik,
sagt Amaya. Dadurch würden viele ihr Geld in das sogenannte Betongold investieren. „Das wurde noch einmal verstärkt durch die Einführung von Negativzinsen bei Banken und Sparkassen. Dadurch ist noch ein größerer Druck da, sein Geld zu investieren, statt es auf dem Konto liegen zu lassen“, erklärt der Immobilienexperte.
Sandra Pfeifer fängt an, Nachrichten in Briefkästen der Häuser zu werfen, die einen unbewohnten Eindruck auf sie machen und für sie interessant aussehen – in den Stadtteilen Alt-Willich, Wekeln, Schiefbahn und Niederheide. „Auf den Zetteln haben wir unseren Wunsch und unsere Kontaktdaten geschrieben“, sagt sie. Nur ein einziges Mal meldet sich jemand darauf. Aber auch das zerschlägt sich schnell. Entweder sind die Häuser, die angeboten werden, deutlich über ihrem Budget, oder es sind so alte Häuser, dass sie zum Teil derart verfallen sind, dass man teilweise noch einmal die Hälfte der Kaufsumme in Renovierungen investieren müsste.
Amaya bestätigt: „Da werden teilweise Häuser angeboten, wo man früher mit Mühe und Not einen Käufer für gefunden hätte, aber wo man jetzt Preise erzielen kann, die die Immobilien nicht wert sind.“Aber den meisten bleibt nichts anderes übrig, als eine alte Immobilie zu kaufen, wenn überhaupt. „Von Neubauten braucht man gar nicht erst reden, das ist noch einmal eine große Schippe oben drauf“, sagt Amaya. Gründe: Die Grundstückspreise, die stark gestiegen sind, und die nach wie vor hohen und teuren technischen Anforderungen. Deswegen sei ein Neubau für breite Teile der Bevölkerung nicht mehr finanzierbar.
Die junge Familie aus Willich inseriert bei Ebay-Kleinanzeigen, startet Aufrufe in den sozialen Netzwerken – vergeblich. Stattdessen wird ihnen dort unverhohlen gesagt, dass sie mit ihren 300.000 Euro erst gar nicht suchen müssten. „Nicht jeder kann so einfach das Budget hochschrauben. Wir wollen uns auch nicht so hoch verschulden, damit nicht noch unsere Kinder etwas abbezahlen müssen“, sagt die 32-Jährige. „Wir wollen doch nur, dass unsere Kinder jeweils ein eigenes Zimmer haben. Die müssen nicht groß sein. Ein Bett, ein Schrank ein Schreibtisch müssen reinpassen, mehr nicht. Das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt“, sagt sie. Immer häufiger sieht Pfeifer Autos mit ortsfremden Kennzeichen vor Wohnhäusern in Willich stehen – nicht selten aus Düsseldorf. „Es sind tatsächlich immer mehr Menschen von außerhalb, die hier kaufen – und auch das Geld mitbringen“, sagt sie.
Ein Trend, den auch der Immobilienexperte beobachtet. „Es kann zu einer Art Verdrängung kommen. Für viele bleibt nichts anderes übrig, als aus Städten wie Düsseldorf ins Umland zu ziehen, wenn man ein Haus kaufen möchte. Das kann dann dazu führen, dass die Menschen im Umland, die dort herkommen und selbst ein Haus kaufen möchten, nicht mehr zum Zug kommen, weil die Städter mehr Kapital haben“, sagt der Verbandsdirektor von Haus und Grund.
Wie überhitzt der Markt ist, zeigt ein Fall aus dem familiären Umfeld der 32-Jährigen: „Eine ältere Frau wollte ihr Haus verkaufen. Die Interessenten haben sich dann überboten. Sie haben immer weiter geboten und geboten. Und wirklich hoch geboten. Der Frau wurde es dann zu viel“, sagt Pfeifer. „Tag und Nacht haben die Interessenten an ihrer Haustür geklingelt und immer mehr geboten und gesagt, dass sie auf das letzte Angebot noch mal 10.000 Euro drauflegen. Und das immer wieder“, sagt sie. „Es ist doch nicht mehr normal, dass man selbst als Verkäufer nicht mehr kann, weil man von den Interessenten bedrängt wird.“
Pfeifer wohnt mit ihrem Freund und ihren beiden gemeinsamen Kindern noch in einer Drei-Zimmer-Wohnung auf 80 Quadratmetern in der dritten Etage ohne Aufzug – zur Miete. Von ihrer Zuversicht vor dreieinhalb Jahren, ihr Traumhaus in Willich finden zu könne, ist nicht mehr viel geblieben „Eigentlich habe ich keine große Hoffnung mehr“, sagt die 32-Jährige.
„Wenn etwas da ist, legt ein anderer sofort noch mehr Geld drauf. Es ist zum Verzweifeln“Sandra Pfeifer ist auf der Suche nach einem Haus