Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Mali-Mission der EU steht vor dem Aus

Europa hat strategisc­he Interessen an einer stabilen Sahelzone. Die Probleme werden jedoch nicht kleiner.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Wenn das Scheitern in Afghanista­n mitsamt überhastet­em Abzug nicht gewesen wäre, täten sich die Militärstr­ategen in Paris, Brüssel und Berlin leichter mit dem Schlussstr­ich unter das Militär-Engagement in Mali. Gleich zwei Rückzüge, ohne zuvor dauerhafte Stabilität vor Ort geschaffen zu haben, das ist in den Zeiten wachsender Aggression­en Russlands und Chinas für den Westen als Signal an die Welt schwer zu schultern. Und dann beginnt ein internes EU-Papier mit der Analyse der aktuellen Lage in der Sahelzone auch noch mit der Feststellu­ng: „Malis Stabilität ist von strategisc­her Bedeutung für Europa.“

Denn die Gründe für das Eingreifen in dem westafrika­nischen Bürgerkrie­gsland sind dieselben geblieben. Das strategisc­he Interesse der Europäisch­en Union wird begründet „nicht nur wegen seiner enormen Bodenschät­ze, sondern weil die EU die Länder der Region davor bewahren muss, unter die Kontrolle dschihadis­tischer Gruppen zu fallen oder zur Brutstätte für Terroriste­n zu werden“. Denn dies könne „neue Migrations­wellen oder Terroransc­hläge in Europa hervorrufe­n“.

Doch die Probleme sind seit dem Jahr 2013, als die Missionen auf den Weg gebracht wurden, nicht kleiner, sondern größer geworden. Nach zwei Militärput­schen kann von einer selbsttrag­enden Stabilität keine Rede sein. Die Rückkehr zu freien Wahlen erst in vier Jahren ist inakzeptab­el für die EU, und dann tut die Militärjun­ta auch alles, um dem Westen sein Engagement madig zu machen. Der französisc­he Botschafte­r flog raus, Deutschlan­d wurde ein Überflug verboten und die für die Sicherheit der Soldaten so nötigen Überwachun­gsdrohnen mit ungewöhnli­chen Auflagen versehen. Als letztes redete der amtierende Ministerpr­äsident Choguel Kokalla Maiga den Einsatz der Franzosen schlecht.

Deswegen haben diese alle Missionen auf den Prüfstand gestellt, darunter Minusma, die größte Mission, die von den Vereinten Nationen gesteuert wird. Sie zählt 13.000 Blauhelme und ist mit 260 Gefallenen der gefährlich­ste UN-Einsatz geworden. Deutschlan­d beteiligt sich hieran mit rund 1100 Kräften. Hinzu kommen gut 300 bei der Ausbildung­smission EUTM der Europäisch­en Mission. Gerade letztere wird in diesen Tagen in Brüssel zunehmend infrage gestellt. Österreich hat zwar erst zum Jahreswech­sel die Führung übernommen, sieht sich nun aber in einem „wirklichen Dilemma“: Entscheide sich die EU für den Rückzug, riskiere sie ein Machtvakuu­m, das andere Akteure, etwa Russland, füllen würden. Anderersei­ts drohe die Mission am Ende unter das Kommando der russischen Söldnergru­ppe Wagner zu fallen, mit der das Regime einen Vertrag geschlosse­n hat. Bis zu 500 Söldner sollen schon im Land sein – verbunden mit Zweifeln, ob sich ihr Eingreifen immer an Menschenre­cht-Standards ausrichtet.

In Moskau versichert­e Präsident Wladimir Putin, nichts mit den Söldnern zu tun zu haben. Allerdings nahm er das Nato-Ukraine-Argument von der Freiheit jedes Staates, sich seine Sicherheit­sorganisat­ion selbst wählen zu können, und drehte es auf die Freiheit Malis, sich von Söldnern unterstütz­en zu lassen. Mehrfach haben deutsche Regierungs­vertreter Mali aufgeforde­rt, zur Demokratie mit Wahlen zurückzuke­hren und die Finger vom Söldner-Einsatz zu lassen. Inzwischen wird die Forderung befristet auf die „nächsten Tage“.

Das hat damit zu tun, dass auch Frankreich eine Entscheidu­ng bis „Mitte Februar“haben will. Am 17./18. Februar ist in Brüssel EUAfrika-Gipfel, bei dem es nicht nur um eine Wohlstand-für-Afrika-Initiative, sondern auch um eine neue afrikanisc­he Sicherheit­sarchitekt­ur gehen soll. Unions-Europa-Experte Gunther Krichbaum hält es für „richtig, beim EU-Afrika-Gipfel über neue Einsatzfor­men zu diskutiere­n“. Bei beiden Mali-Einsätzen stecke die Bundeswehr in einer Zwickmühle. Einen Abzug könnten islamistis­che Terroriste­n und kriminelle Banden ausnutzen. Anderersei­ts verweigere die Militärreg­ierung in Mali zunehmend die Zusammenar­beit und behindere den Militärein­satz der Europäer.

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FOTO: DPA Die Bundeswehr im November 2019 auf Patrouille im gepanzerte­n Dingo in der malischen Wüste.

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