Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Mali-Mission der EU steht vor dem Aus
Europa hat strategische Interessen an einer stabilen Sahelzone. Die Probleme werden jedoch nicht kleiner.
BRÜSSEL Wenn das Scheitern in Afghanistan mitsamt überhastetem Abzug nicht gewesen wäre, täten sich die Militärstrategen in Paris, Brüssel und Berlin leichter mit dem Schlussstrich unter das Militär-Engagement in Mali. Gleich zwei Rückzüge, ohne zuvor dauerhafte Stabilität vor Ort geschaffen zu haben, das ist in den Zeiten wachsender Aggressionen Russlands und Chinas für den Westen als Signal an die Welt schwer zu schultern. Und dann beginnt ein internes EU-Papier mit der Analyse der aktuellen Lage in der Sahelzone auch noch mit der Feststellung: „Malis Stabilität ist von strategischer Bedeutung für Europa.“
Denn die Gründe für das Eingreifen in dem westafrikanischen Bürgerkriegsland sind dieselben geblieben. Das strategische Interesse der Europäischen Union wird begründet „nicht nur wegen seiner enormen Bodenschätze, sondern weil die EU die Länder der Region davor bewahren muss, unter die Kontrolle dschihadistischer Gruppen zu fallen oder zur Brutstätte für Terroristen zu werden“. Denn dies könne „neue Migrationswellen oder Terroranschläge in Europa hervorrufen“.
Doch die Probleme sind seit dem Jahr 2013, als die Missionen auf den Weg gebracht wurden, nicht kleiner, sondern größer geworden. Nach zwei Militärputschen kann von einer selbsttragenden Stabilität keine Rede sein. Die Rückkehr zu freien Wahlen erst in vier Jahren ist inakzeptabel für die EU, und dann tut die Militärjunta auch alles, um dem Westen sein Engagement madig zu machen. Der französische Botschafter flog raus, Deutschland wurde ein Überflug verboten und die für die Sicherheit der Soldaten so nötigen Überwachungsdrohnen mit ungewöhnlichen Auflagen versehen. Als letztes redete der amtierende Ministerpräsident Choguel Kokalla Maiga den Einsatz der Franzosen schlecht.
Deswegen haben diese alle Missionen auf den Prüfstand gestellt, darunter Minusma, die größte Mission, die von den Vereinten Nationen gesteuert wird. Sie zählt 13.000 Blauhelme und ist mit 260 Gefallenen der gefährlichste UN-Einsatz geworden. Deutschland beteiligt sich hieran mit rund 1100 Kräften. Hinzu kommen gut 300 bei der Ausbildungsmission EUTM der Europäischen Mission. Gerade letztere wird in diesen Tagen in Brüssel zunehmend infrage gestellt. Österreich hat zwar erst zum Jahreswechsel die Führung übernommen, sieht sich nun aber in einem „wirklichen Dilemma“: Entscheide sich die EU für den Rückzug, riskiere sie ein Machtvakuum, das andere Akteure, etwa Russland, füllen würden. Andererseits drohe die Mission am Ende unter das Kommando der russischen Söldnergruppe Wagner zu fallen, mit der das Regime einen Vertrag geschlossen hat. Bis zu 500 Söldner sollen schon im Land sein – verbunden mit Zweifeln, ob sich ihr Eingreifen immer an Menschenrecht-Standards ausrichtet.
In Moskau versicherte Präsident Wladimir Putin, nichts mit den Söldnern zu tun zu haben. Allerdings nahm er das Nato-Ukraine-Argument von der Freiheit jedes Staates, sich seine Sicherheitsorganisation selbst wählen zu können, und drehte es auf die Freiheit Malis, sich von Söldnern unterstützen zu lassen. Mehrfach haben deutsche Regierungsvertreter Mali aufgefordert, zur Demokratie mit Wahlen zurückzukehren und die Finger vom Söldner-Einsatz zu lassen. Inzwischen wird die Forderung befristet auf die „nächsten Tage“.
Das hat damit zu tun, dass auch Frankreich eine Entscheidung bis „Mitte Februar“haben will. Am 17./18. Februar ist in Brüssel EUAfrika-Gipfel, bei dem es nicht nur um eine Wohlstand-für-Afrika-Initiative, sondern auch um eine neue afrikanische Sicherheitsarchitektur gehen soll. Unions-Europa-Experte Gunther Krichbaum hält es für „richtig, beim EU-Afrika-Gipfel über neue Einsatzformen zu diskutieren“. Bei beiden Mali-Einsätzen stecke die Bundeswehr in einer Zwickmühle. Einen Abzug könnten islamistische Terroristen und kriminelle Banden ausnutzen. Andererseits verweigere die Militärregierung in Mali zunehmend die Zusammenarbeit und behindere den Militäreinsatz der Europäer.