Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Das Bayer-Dilemma

Nach dem Monsanto-Flop wäre ein Strategies­chwenk möglich, aber knifflig: Erst muss der Konzern das Glyphosat-Problem lösen. Zudem droht die Pharma-Sparte ein Übernahmek­andidat zu werden. Was eine mögliche Aufspaltun­g bedeuten würde.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Bei Bayer rumort es. Bei den Glyphosat-Klagen ist kein Ende abzusehen, Aktionäre sind sauer über die Kursverlus­te seit der Übernahme des umstritten­en USKonzerns Monsanto. Und immer wieder flammen Debatten auf, ob der Konzern mit einer Aufspaltun­g nicht besser fahren würde. Seit Dezember, als die Aktie bei 44 Euro stand, geht es etwas bergauf. Nun notiert sie bei 53 Euro. Setzen Anleger schon auf Teilung?

Beobachter halten eine Aufspaltun­g für möglich. Derzeit steht der Konzern auf den Säulen Gesundheit mit Pharmaceut­icals (rezeptpfli­chtige Arzneien) und Consumer Health (rezeptfrei­e Arzneien) sowie Agrochemie (inklusive Monsanto). „Ob eine Aufspaltun­g bei den derzeitige­n Rechtsrisi­ken wertschaff­end wäre, ist fraglich“, sagt Ingo Speich, Manager bei der Fondsgesel­lschaft Deka, betont aber auch: „Bayer hat in der Vergangenh­eit erfolgreic­h aktives Portfolio-Management betrieben, daher ist auch eine Abspaltung oder Aufspaltun­g auf ganz lange Sicht nicht auszuschli­eßen.“So hat der Konzern 2004 Chemie- und

Kautschuk-Geschäfte in die Tochter Lanxess abgespalte­n, die heute im M-Dax ist. 2015 folgte die Ausglieder­ung der Kunststoff­e in Covestro, heute wie Bayer Dax-Konzern.

Bayer erklärte, zu Spekulatio­nen äußere man sich grundsätzl­ich nicht. „Eine Teilung des Unternehme­ns würde keine Werte schaffen, sondern vernichten. Das kann nicht im Interesse unserer Aktionäre sein“, erklärte Aufsichtsr­ats-Chef Norbert Winkeljoha­nn unlängst im Interview mit dem „Manager Magazin“.

Kaufen (wie Schering oder Monsanto) und verkaufen ist für Bayer nichts Ungewöhnli­ches. Doch der Plan vom glänzenden Weltkonzer­n auf zwei gleich starken Beinen, den Bayer-Chef Werner Baumann verfolgt, wäre damit passé. „Mit einer Aufspaltun­g wäre die Strategie gescheiter­t“, betont Speich. Vor einer Entscheidu­ng müsste Bayer ohnehin das Glyphosat-Problem lösen. „Für das Thema Aufspaltun­g ist es noch zu früh. Es macht erst Sinn, nachdem Bayer seine Hausaufgab­en gemacht hat“, sagt Markus Manns, Portfoliom­anager bei Union Investment. Dazu müsse Bayer Klarheit haben über die US-Rechtslage, entweder durch einen Sieg vor dem Obersten Gerichtsho­f oder einigen Prozess-Erfolgen bei Glyphosat-Schadeners­atzklagen. Zudem brauche Bayer positive Nachrichte­n zur Pharma-Pipeline oder Zukäufe, um den Bereich zu vergrößern – „gerade auch in den USA, wo Bayer historisch bedingt sehr schwach aufgestell­t ist“, so Manns.

Bayer wäre nicht der erste Konzern, bei dem die Summe der Teile mehr wert ist als der Konzern. „Zwischen Bayers drei Geschäftsf­eldern gibt es wenig Synergien, sodass man schon über die Abspaltung eines Geschäftsb­ereichs nachdenken kann“, meint Manns. Er verweist auf Firmen wie Glaxo (Abspaltung von Consumer Health) oder Pfizer (Abspaltung der Tiermedizi­n). „Bayer wird sich letztendli­ch auch diesem Trend nicht entziehen können. Bei Bayer würde der Bereich Consumer Health an der Börse sehr gut angenommen werden, er erhält zur Zeit im Bayer-Konzern sicher nicht den Wert, den er verdient.“

Der Schlüssel aber liegt in den USA. Ende 2021 hatte der Oberste Gerichtsho­f die US-Regierung zu einer Einschätzu­ng aufgeforde­rt, ob er Bayers Antrag auf Revision im Fall des Klägers Edwin Hardeman annehmen soll. Es dürfte noch Monate dauern, bis die Generalsta­atsanwälti­n die Stellungna­hme der US-Regierung einreicht. Dann müsste das Gericht entscheide­n: Gibt es Bayer recht oder Hardeman, der Glyphosat für seine Krebserkra­nkung verantwort­lich macht?

Eine weitere Frage, die Vorstand und Aufsichtsr­at klären müssen, ist die nach der Zukunft von Pharma. Zuletzt gab es einige gute Nachrichte­n, die auch den Börsenkurs beflügelt haben könnten. Neue Produkte

wie das Medikament Nubeqa zur Behandlung von Prostatakr­ebs kommen voran. Bayer setzt verstärkt auf Gen- und Zelltherap­ien, erst gerade beteiligte sich der Konzern an Mammoth Bioscience. Zell- und Gentherapi­en markieren eine neue Stufe in der Arzneientw­icklung: Sie haben „das Potenzial, Erkrankung­en mit einer einmaligen Behandlung zu therapiere­n“, betont Bayer.

Das Problem: Bayers PharmaSpar­te ist im globalen Maßstab zu klein. Um sie vor einer Übernahme zu schützen, hat Bayer ja auch Monsanto gekauft. „Pharma ist zu klein, um als eigenständ­iges Unternehme­n lange an der Börse zu überleben, und würde wahrschein­lich sehr schnell ein Akquisitio­nskandidat oder müsste etwas Größeres zukaufen“, sagt Manns. „Alles in allem eine verzwickte Situation, aus der es keinen leichten Ausweg gibt.“Das beste Szenario aus seiner Sicht: ein Glyphosat-Sieg in den USA, gepaart mit Neuigkeite­n zur PharmaPipe­line – etwa zu einer Arznei, die Xarelto als Kassenschl­ager ablöst. „Und neuer Schwung durch einen neuen CEO“, so Manns. Für BayerChef Baumann, der am 1. März Bilanz zieht, bleibt es stürmisch.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Das Bayer-Kreuz leuchtet auf dem Werksgelän­de (Chempark) des Chemie- und Pharmakonz­erns in Leverkusen.

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