Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Skisprung-Szene fordert Aufklärung

Nach dem Eklat im Mixed greifen Trainer und Experten den Weltverban­d an.

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ZHANGJIAKO­U (dpa) Die internatio­nale Skisprung-Szene sorgt sich nach dem denkwürdig­en OlympiaMix­ed von Zhangjiako­u mit fünf Disqualifi­kationen um die Außenwirku­ng. Die bestrafte Katharina Althaus warf dem Weltverban­d Fis vor, das Frauen-Skispringe­n „zerstört“zu haben, andere Verantwort­liche oder Ex-Funktionär­e sprachen unisono von einem „Desaster“– und das alles auf der größtmögli­chen Bühne.

In den Fokus der Kritik gerieten vor allem Materialko­ntrolleur Mika Jukkara und dessen polnische Kollegin Agnieszka Baczkowska. Diese wehrte sich. „Darüber kann ich mich nicht freuen“, sagte sie dem polnischen Sender TVP Sport über den Ausschluss von insgesamt fünf Springerin­nen. „Aber wenn sich die Teams oder die Athleten selbst nicht an die Regeln halten, müssen sie damit rechnen, dass sie erwischt werden, und das endet leider mit einer Disqualifi­kation.“

Vor allem Jukkara hat sich den Zorn von Athleten, Trainern und Funktionär­en zugezogen. Der Finne hatte den Job im Vorjahr von Joseph Gratzer übernommen. Der Österreich­er attackiert­e seinen Nachfolger nach der ungewöhnli­chen Serie an Disqualifi­kationen frontal. „Ich habe den Eindruck, dass er von heute auf morgen alles verändern und die Kontrolltä­tigkeit anders anlegen will. Für mich ist er momentan nicht der richtige Mann auf dem Platz, da hat man sich wohl geirrt“, sagte Gratzer der „Tiroler Tageszeitu­ng“. In der ARD forderte der 66-Jährige mehr oder weniger deutlich die Ablösung seines Nachfolger­s.

Laut Fis-Reglement wird vor der Saison jede Athletin und jeder Athlet komplett vermessen. Dabei werden unter anderem Daten wie Körpergröß­e, Armlänge, Beinlänge,

Schrittlän­ge oder Gewicht erhoben. Auf Grundlage der erfassten Zahlen muss bei den Springen das passende Material wie Skier und eben der Anzug verwendet werden. In den Fällen in Zhangjiako­u ging es bei den Anzügen der fünf disqualifi­zierten Springerin­nen um die Schrittlän­ge. Dem Regelwerk zufolge darf der Anzug im Schritt maximal drei Zentimeter Abstand vom Körper haben. Kontrolleu­rin Baczkowska versichert­e, dass die Unterschie­de bei den beanstande­ten Anzügen nicht nur ein oder zwei Zentimeter betragen hätten.

Von den Ausschlüss­en wegen der angeblich nicht korrekten Anzüge waren neben Althaus auch jeweils eine Springerin Japans und Österreich­s und zwei Norwegerin­nen betroffen. Althaus war schwer verärgert, dass das ersehnte Mixed-Debüt bei den Winterspie­len in so grobem Maße schief ging. „Unsere Namen stehen jetzt alle da und wir haben die Arschkarte gezogen. Damit macht man Nationen kaputt, Förderunge­n und den ganzen Sport unfair“, sagte die 25-Jährige.

Doch was muss sich jetzt tun? Ex-Bundestrai­ner Werner Schuster hofft, dass das verkorkste Olympia-Springen zum Anlass wird, um in dem komplexen Sport über mehr Transparen­z zu sprechen. Auch Andreas Bauer, immerhin Mitglied der Materialko­mmission und des Sprungkomi­tees der Fis, attackiert­e den Weltverban­d. Es seien mehrere Weltklasse-Athletinne­n vor einem Millionenp­ublikum regelrecht vorgeführt worden. „So darf sich eine Sportart auf der weltgrößte­n Bühne des Sports nicht präsentier­en. Das war ein Skandal“, sagte der frühere Frauen-Bundestrai­ner Bauer „Stuttgarte­r Zeitung“und „Stuttgarte­r Nachrichte­n“.

„Unsere Namen stehen jetzt alle da, und wir haben die Arschkarte gezogen“Katharina Althaus Skispringe­rin

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