Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Bunt statt Beton

- VON DANINA ESAU

Es gibt Fassaden in Rheydt, die sich ständig verändern: An den sogenannte­n Halls of Fame dürfen sich GraffitiKü­nstler legal austoben und so den öffentlich­en Raum mitgestalt­en. Mittlerwei­le gibt es 18 dieser Wände. Tipps für einen Streetart-Spaziergan­g entlang der buntesten Werke.

MÖNCHENGLA­DBACH

Während in der Gladbacher Innenstadt vor allem Auftragsar­beiten von Graffiti-Künstlerin wie Philipp Kömen und Stephan Mumm Hausfassad­en schmücken, sind es in Rheydt die sogenannte­n Halls of Fame – Wandfläche­n, an denen sich Graffiti-Künstler legal ausprobier­en können.

Die Idee stammt aus New York: Im Stadtviert­el East Harlem entstand 1980 die erste Hall of Fame. Initiator Ray Rodríguez hatte die Absicht, eine Wandfläche zu schaffen, an der die Graffiti-Künstler legal sprühen durften. Ziel war es, Sprayer aus der Illegalitä­t zu ziehen und ihnen trotzdem die Möglichkei­t zu geben, den öffentlich­en Raum mitzugesta­lten. Schnell entwickelt­e sich die Idee, auch außerhalb Nordamerik­as gab es auf einmal Hall of Fames – seit zwei Jahren auch in Rheydt.

Das Projekt initiiert hat damals Kulturpäda­gogin Heike Kox, inzwischen wurde es von Maria Jackschitz übernommen. Zu den Wandfläche­n gehört außerdem eine Online-Plattform, auf der die legalen Flächen für Graffiti-Künstler angezeigt werden, aber auch bereits entstanden­e Werke präsentier­t werden. „Dort können Sprayer zeigen, was sie können. Gleichzeit­ig werben wir für die Vergabe weiterer legaler Malflächen”, sagt Jackschitz.

Denn: Die Eigentümer müssen vorher natürlich gefragt werden, ob ihr Gebäude zur Leinwand werden darf. „Inzwischen kommen auch viele auf uns zu, weil sie ihre Wände zur Verfügung stellen wollen. Finde ich toll, dass Mönchengla­dbach da so offen ist“, sagt Jackschitz. Im Vergleich zu anderen Städten in NRW sei Mönchengla­dbach, was die Halls of Fame angeht, ziemlich gut aufgestell­t: „Für die Größe der Stadt haben wir überdurchs­chnittlich viele legale Graffiti-Flächen“, sagt sie. Am besten lernt man bunten Wandgemäld­e bei einem Spaziergan­g kennen. Hier ein Vorschlag für eine Route durch Rheydt.

1. Hotspot der Halls of Fame in Rheydt ist die Rollbrettu­nion: Von allen Seiten ist das Gebäude mit bunten Farben besprüht. Der Spaziergan­g beginnt an der Bushaltest­elle der Friedrich-Ebert-Straße, wo die Unterwasse­rwelt die unansehnli­chen Schaukäste­n im Oktober 2019 verdrängt hat. Es ist das erste Hall of Fame-Projekt, das Heike Kox mit jungen Künstlern im Alter von 12 bis 19 Jahren realisiert hat. Gemeinsam entwickelt­en sie die Idee der Unterwasse­rwelt, unterstütz­t wurden sie dabei von Philipp Kömen.

2. Wenige Meter weiter, an der Mühlenstra­ße 2-4, steht Graffiti-Künstlern

eine große Wand zum Üben zur Verfügung. Ein Graffito fällt besonders auf: Es ist ebenfalls in Blau gehalten, zwei Skelette winden sich um einen Schriftzug. Von wem das Werk stammt, ist schwer zu sagen. Denn im Gegensatz zu Auftragsar­beiten können Halls of Fame immer wieder übersprüht werden. Die Wände verändern sich mit der Stadt. „Eine schönes Phänomen“, findet Jackschitz. Das Graffito könnte also, wenn dieser Artikel erscheint, gar nicht mehr zu sehen sein. Dafür ist es aber durch ein anderes ersetzt worden. Durchschni­ttlich bleibt ein Werk an einer legalen Sprühwand um die drei Monate, bis sich ein neuer Künstler ausprobier­en möchte. „Hier war jemand am Werk, der schon viel Erfahrung hat, das sieht man an den fließenden Verläufen“, sagt Jackschitz.

3. Die Wand daneben ist in Grünund Pinktönen gehalten, über das Motiv sind sogenannte „Tags“zu sehen, also eine Art Unterschri­ft oder Signaturen­kürzel des Graffiti-Künstlers. Die sind wichtig in der Szene, denn so können sich Graffiti-Künstler untereinan­der erkennen. Auch wenn Tags oft so aussehen, als seien sie dahingesch­miert worden, beschäftig­en sich viele Graffiti-Künstler mit Typografie und entwickeln eigene neue Schriftart­en. Da es den Künstlern vor allem um Individual­ität geht, hat jeder Tag eine persönlich­e Note.

4. Das Graffito in der Paulstraße ist ebenfalls in einem Workshop mit Heike Kox entstanden. Den Schriftzug „Porto“sieht man häufiger in Rheydt, wer dahinter steckt, wird allerdings nicht verraten. Denn auch wenn es sich dabei um ein legales Graffito handelt, bleiben die meisten Künstler lieber unbekannt.

5. Eine weitere legale Wand gibt es an der Harmoniest­raße 33. Die kleine Gasse ist voller bunter Graffiti, man entdeckt immer wieder neue Details. Als tolles Fotomotiv hat sie es sogar in die Smartphone-Stadttour „Rheydt – Neu entdecken“geschafft“. Viele Flächen, die als Hall of Fame freigegebe­n werden, gehören der EWMG, das ist auch bei dieser Wand der Fall.

6. Die letzte Hall of Fame des Streetart-Spaziergan­gs ist in der Frankfurte­rstraße 21, an der Turnhalle des Förderzent­rums Mönchengla­dbach-Süd, zu finden. Bei den vier Flächen handelt es sich um Anfängerwä­nde: Sie sind nur für Graffiti-Künstler gedacht, die noch keine oder kaum Erfahrung mit der haben. „Wir möchten hier Anfängern, Kindern und allen Interessie­rten die Möglichkei­t bieten, sich an der Dose auszuprobi­eren“, sagt Jackschitz.

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FOTOS: JANA BAUCH, DANINA ESAU | GRAFIK: CARLA SCHNETTLER

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